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Schon zweimal war Deutschland eine Seemacht. Die Hanse prägte 500 Jahre europäischer Geschichte und gilt heute als Vorbild für Europa. Das Flottenprogramm Kaiser Wilhelms II. endete dagegen in der Urkatastro-phe des 20. Jahrhunderts: dem Ersten Weltkrieg. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, schickt sich das wiedervereinte Deutschland nun zum dritten Mal an, als Seemacht auf der Weltbühne eine Hauptrolle zu spielen. Die Containerschiff-Flotte Deutschlands ist inzwischen die größte der Welt, und 2009 wird die Deutsche Marine mit dem Bau neuartiger Marathon-Fregatten beginnen, die…mehr

Produktbeschreibung
Schon zweimal war Deutschland eine Seemacht. Die Hanse prägte 500 Jahre europäischer Geschichte und gilt heute als Vorbild für Europa. Das Flottenprogramm Kaiser Wilhelms II. endete dagegen in der Urkatastro-phe des 20. Jahrhunderts: dem Ersten Weltkrieg. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, schickt sich das wiedervereinte Deutschland nun zum dritten Mal an, als Seemacht auf der Weltbühne eine Hauptrolle zu spielen. Die Containerschiff-Flotte Deutschlands ist inzwischen die größte der Welt, und 2009 wird die Deutsche Marine mit dem Bau neuartiger Marathon-Fregatten beginnen, die schlagkräftigsten und teuersten Waffensysteme in der deutschen Geschichte. Nach dem Willen der politischen und militärischen Strategen sollen sie Deutschlands Freiheit künftig im Persischen Golf, vor dem Suezkanal oder in der Straße von Malakka verteidigen. Hermannus Pfeiffer schildert diesen heimlichen Aufstieg des maritimen Komplexes in Deutschland, untersucht die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen seit der Kanzlerschaft Gerhard Schröders und benennt die Risiken, die mit der Aufrüstung der Deutschen Marine verbunden sind.
Autorenporträt
Hermannus Pfeiffer: Jahrgang 1956; Dr. rer. pol.; Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler, freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Zeitschriften. Zahlreiche Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2009

Von Handel und Krieg
Wir sind eine unbekannte Seemacht: Hermannus Pfeiffer sieht im heutigen Deutschland eine neue Hanse
Deutschland als Seemacht? Dieses Kapitel scheint abgeschlossen zu sein – zumindest im klassisch militärischen Sinn. Die Geschichte der Bundesmarine gilt allgemein nicht als Fortsetzung der kaiserlichen und nationalsozialistischen Flottenrüstung. Hermannus Pfeiffer sieht das anders. Der Hamburger Wirtschaftspublizist zieht eine Linie von der Hanse, die ein halbes Jahrtausend europäischer Geschichte prägte, über das Flottenprogramm Wilhelms II. und seines Admirals Tirpitz, das in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts endete, bis zur Marinepolitik des wiedervereinigten Deutschlands.
Das erscheint nicht nur mehr als gewagt. Das ist es auch. Die Begründung liefert Pfeiffer selbst: „Anders als die Hanse, die trotz ihres militärischen Potentials ihrem Charakter nach vor allem eine Außenhandelsorganisation war, die grundsätzlich den Frieden erhalten wollte, setzte der Maritime Komplex, der im wilhelminischen Kaiserreich entstand, von vornherein auf militärische Stärke.”
Und dennoch sollte man das Buch lesen. Denn es erzählt – jenseits seiner allzu steilen Hauptthese – überaus anschaulich, wie die Hanse zu einer europäischen Macht wurde und wie auch das heutige Deutschland als Handelsmacht seine maritime Bedeutung ausbaut. Der Mittelteil über die kaiserliche Aufrüstung ist an sich zwar lesenswert, lässt aber kaum seriöse Vergleiche zur Hanse, geschweige denn zur Bundesmarine zu. Ein direkter Vergleich der Hansepolitik mit der deutschen Gegenwart wäre hier ergiebiger gewesen. In beiden Fällen hatte die Ausrichtung auf den Fernhandel weitreichende außenpolitische Folgen.
Zu Zeiten der Hanse glich Fernhandel einem gefährlichen Abenteuer. Daher waren die Kaufleute in der Regel bewaffnet. Der Einfluss der Hanse reichte weit: mittelbar über dreißig eigene Kontore im außerhansischen Raum und vor allem über ihre mächtigen Außenhandelszentralen, die Großkontore in Brügge, Bergen, London und im russischen Nowgorod. In Nowgorord trafen die Handelswege aus Sibirien, Zentralasien und vom Schwarzen Meer zusammen. Daneben bestanden direkte Kontakte bis nach Island und bis weit in den Mittelmeerraum.
Neben dem Wegemonopol verfügten die Hansestädte seit Ende des 14. Jahrhunderts über ein Warenmonopol. Getreide aus Mecklenburg, Pommern und Preußen war beispielsweise für England und Flandern lebenswichtig. Ähnlich verhielt es sich mit Holz, das in den baumarmen Niederlanden wie im für den Schiffbau abgeholzten England überaus kostbar war. Pfeiffer beschreibt, wie die Hanse auch das Holz für die gefürchteten Langbogen der englischen Heere lieferte, mit denen sie im hundertjährigen Krieg französische Ritter noch auf achtzig Meter tödlich treffen konnten. Vor Sluis, dem Hafen der Hansestadt Brügge, kam es dann gleichfalls zur ersten bedeutsamen Auseinandersetzung im englisch-französischen Kampf um Frankreichs Thron: Wie später zu Lande gewannen die Engländer aufgrund ihrer überlegenen Bogentechnik. Über 160 der 190 französischen Schiffe wurden mitsamt ihrer Besatzungen vernichtet.
Nach Pfeiffers Analyse war die Hanse wie spätere „Maritime Komplexe” ein Gebilde mit eigenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen. Teile des Staates und der Ökonomie sowie das noch kaum entwickelte Militär verbündeten und vernetzten sich. Dieser Komplex grenzte sich ab gegen andere soziale Gesellschaftsgruppen, gegen nichthansische Städte und gegenüber „ausländischer” Konkurrenz. Die Hanse verstand es, mit wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Mitteln Druck auf fremde Mächte auszuüben. Dazu verbündete sie sich selbst mit Gegnern, wie Fürsten und Klerus, und verfügte über einen starken militärischen Arm. Denn Handel und Krieg gehörten für die Hansestädte zusammen.
Kanonen und Piraten
Ähnlich wie die Europäische Union heute setzte die Hanse auf eine abgestufte Eskalation mit ökonomischen Mitteln, um ihre Ziele durchzusetzen: Sie verbot den Handel mit einzelnen Warengruppen, setzte Handelsboykotte gegen missliebige Konkurrenten und Partner durch, blockierte Häfen oder schloss Kontore, um sie in konkurrierenden Städten neu zu eröffnen. So verlegte sie sieben Mal ihr Kontor aus Brügge, unter anderem nach Utrecht und Antwerpen, und kehrte erst zurück, nachdem die Streitigkeiten mit Flandern über Handelsreglementierungen und Privilegien beigelegt waren.
Pfeiffers Schilderungen der hanseatischen Politik wecken starke Assoziationen zu den heutigen Vorgehensweisen europäischer Mächte: Die Hanse schwächte mit kommerziellen Mitteln die Wirtschaft des Gegners und zwang ihn zum Einlenken. Entsprechend abgestuft setzte sie zugleich auf politischen Druck und auf die Diplomatie ihrer Ratsherren und Gesandten. In derlei Fällen operierte die Hanse wie ein Staat oder ein Staatenbund. Konnte sie sich politisch jedoch nicht durchsetzen, führte sie Krieg. Die Größe der Aufgebote handelten die einzelnen Bundesstädte – wie die Mitglieder von EU oder Nato bei ihren gegenwärtigen Militärinterventionen – untereinander aus.
Mit Blockade, Seeüberwachung und Konvoifahrt in großem Stil führte die Hanse Neuerungen im Seekriegswesen ein, die noch bis in die Gegenwart gelten. Nicht nur sicherten Jahrhunderte später die Alliierten in den beiden Weltkriegen mit Konvois unter Geleitschutz die Versorgung Großbritanniens gegen deutsche U-Boote; auch heute ist die Frage von Handelskonvois zum Schutz vor Piraten in Afrika und Asien aktuell.
Der hansische Waffeneinsatz erwies sich wiederum als gut fürs Geschäft: Kanonen, Kugeln und Waffenmeister aus dem Hanseraum wurden europaweit zu einem Verkaufsschlager. Das hat die Außenwirtschaftspolitik der Hanse mit der der Bundesrepublik gemein – freilich ohne dass deutsche Kriegsschiffe seit 1945 in ernsthafte Kampfhandlungen verstrickt gewesen sind. Wie lukrativ der Marinesektor nicht zuletzt im Militärischen auch für das heutige Deutschland ist, veranschaulicht Pfeiffer anhand globaler Marktführer: Thyssen-Krupp ist weltweit führend bei Fregatten, Korvetten und bei U-Booten mit Brennstoffzellenantrieb. MTU Friedrichshafen gilt bei Marinemotoren für Kriegsschiffe als Nummer eins. Ähnliche Bedeutung hat Siemens in der maritimen Elektronik oder die Mecklenburger Metallguss, die einen Weltmarktanteil von sechzig Prozent bei großen Schiffsschrauben von über achtzig Tonnen hat.
Marine schützt Containerschiffe
Zwischen 1996 und 2008 ist die deutsche Handelsflotte um mehr als 600 Prozent gewachsen. Das hat es seit der Epoche der Hanse nicht mehr gegeben. Deutschland unterhält derzeit die weltweit größte Flotte an Containerschiffen, weit vor den Vereinigten Staaten, Japan und Großbritannien. Pfeiffer nennt seine Heimat daher eine „unbekannte Seemacht”. Und diese werde in Zukunft ihre wirtschaftliche Freiheit nicht am Hindukusch, sondern am Horn von Afrika, in der Straße von Malakka und vor dem Suezkanal verteidigen.
Wem auch diese These gewagt erscheint, den verweist Pfeiffer auf das neue Flottenprogramm Deutschlands: Fünf neue Korvetten werden Ende 2010 kampfbereit sein. Sie sind nicht mehr für die enge und flache Ostsee, sondern für globale Einsätze in Küstennähe geplant. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg werden deutsche Kriegsschiffe speziell für den Beschuss von Landzielen konstruiert – dieses Mal mit Raketen.
Wie stark die „Neuausrichtung der Deutschen Marine” von einer in engen Grenzen operierenden Küstenverteidigung zu einer global ausgerichteten Marine, wie Pfeiffer Marineinspekteur Wolfgang Nolting zitiert, vorangetrieben wird, zeigt der Neubau von vier Fregatten bis zum Jahr 2017, die zwei Jahre lang ohne Unterbrechung auf den Weltmeeren operieren können. Die gegenwärtig vor Somalia und dem Libanon eingesetzten Schiffe schaffen lediglich ein halbes Jahr. Doch das ist zu wenig für eine Marine, die globale Handelswege absichern soll. Deutschland ist auf den Außenhandel stärker denn je angewiesen. „Maritime Abhängigkeit” nennt das Marineinspekteur Nolting – wie einst bei der Hanse.THOMAS SPECKMANN
HERMANNUS PFEIFFER: Seemacht Deutschland. Die Hanse, Kaiser Wilhelm II. und der neue Maritime Komplex. Ch. Links Verlag, Berlin 2009. 221 Seiten, 16,90 Euro.
Die wirtschaftliche Freiheit soll auf den Weltmeeren verteidigt werden: Die Korvette Magdeburg in Warnemünde bei der Einweihung Herbst 2008. Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Bundesmarine als Fortsetzung der kaiserlichen und nationalsozialistischen Rüstung zur See? Nun ja. Die ein oder andere These in Hermannus Pfeiffers Buch möchte Thomas Speckmann dem Autor lieber nicht abkaufen. Anschaulich aber findet Speckmann, wie Pfeiffer den Aufstieg der Hanse und die maritime Bedeutung des heutigen Deutschland beschreibt. Die machtsichernden Machenschaften der Hanse erinnern Speckmann mitunter an diejenigen der EU-Staaten oder der Nato. Und dass Deutschland Seemacht sei, belegt ihm der Autor dann doch noch eindrucksvoll mit Ausführungen über aktuelle Flottenprogramme und fette Rüstungsaufträge für Thyssen-Krupp und Co.

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