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Ist die DDR wirklich untergegangen? Wieso war sie das Land der Widerstandskämpfer? Wie glücklich war man beim Bücken unter den Ladentisch? Knapp 20 Jahre nach ihrem Ende kursieren über die Deutsche Demokratische Republik jede Menge falsche Vorstellungen, Missverständnisse und Halbwahrheiten - sowohl im Westen als auch im Osten. Der Berliner Kabarettist und Schriftsteller Peter Ensikat nimmt eine Fülle irriger Ansichten unter die Lupe und klärt mit wohlwollender Ironie auf, denn er weiß, wovon er spricht. Peter Ensikat - "der bekannteste Kabarettist im Osten" ("Die Zeit") - spießt unterhaltsam und provokant Irrtümer und Vorurteile auf.…mehr

Produktbeschreibung
Ist die DDR wirklich untergegangen? Wieso war sie das Land der Widerstandskämpfer? Wie glücklich war man beim Bücken unter den Ladentisch? Knapp 20 Jahre nach ihrem Ende kursieren über die Deutsche Demokratische Republik jede Menge falsche Vorstellungen, Missverständnisse und Halbwahrheiten - sowohl im Westen als auch im Osten. Der Berliner Kabarettist und Schriftsteller Peter Ensikat nimmt eine Fülle irriger Ansichten unter die Lupe und klärt mit wohlwollender Ironie auf, denn er weiß, wovon er spricht. Peter Ensikat - "der bekannteste Kabarettist im Osten" ("Die Zeit") - spießt unterhaltsam und provokant Irrtümer und Vorurteile auf.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.12.2008

Lieber arbeitslos im Westen, als das große Los im Osten
Ein Blick zurück ohne Ostalgie: Peter Ensikats Lexikon populärer DDR-Irrtümer ist ein zartbitteres Lesebuch nach fast zwanzig Jahren Einheit
Wer die Wahrheit über den Arbeiter- und Bauernstaat ergründen will, der kann sich auf den Weg nach Arnoldshain, nach Bad Boll oder Hofgeismar machen; er kann auch nach Loccum, Wittenberg oder Tutzing reisen. Oder sich im Kardinal-Frings-Haus in Köln anmelden, im Bonifatius-Haus zu Fulda oder in der Kommende zu Paderborn. Er kann, wenn er genug Zeit und keine Abneigung gegen Pfefferminztee hat, von Bildungshaus zu Bildungshaus fahren; rund ums Jahr ist immer irgendwo in Deutschland die DDR, ihr Wesen, ihr Unwesen und ihre Geschichte auf der Tagesordnung in einer der vielen evangelischen, katholischen oder politischen Akademien der Republik. Irgendwo findet sich immer eine fachmännisch besetzte Tagung, die sich das Ziel gesetzt hat, den Irrtümern der DDR nachzugehen. So eine Veranstaltung ist üblicherweise mehrtägig, das Ambiente spartanisch, das Essen eher einfach – aber dafür ist der Ertrag fast immer reichhaltig.
Das ist die etwas anstrengende Form, die ehemalige DDR von A bis Z zu erfahren. Die vielen verdienstvollen Akademien und ihre liebenswürdigen Studienleiter mögen es nicht als Affront, sondern als freundschaftlich-weihnachtlichen Hinweis betrachten, wenn an dieser Stelle festzustellen ist: Das bissig-vergnügliche Buch von Peter Ensikat kann einem gut und gern vier Wochenend-Seminare, fünf Podiumsdiskussionen und sechs Arbeitsgruppen ersetzen. Das Buch ist, so schreibt Ensikat in seiner Einleitung, „kein DDR-Brockhaus. Es ist ein Lesebuch und nicht nur eines für Ostdeutsche”. Diese werden es kichernd und glucksend lesen, weil Ensikat sich und sein Leben in der DDR, aber auch seine Erfahrungen mit den Westdeutschen so wunderbar auf die Schippe nimmt.
Es ist ein Lese-Lexikon ohne Nostalgie und Ostalgie, dafür eines mit oft ätzendem Witz: „Den ewigen Kampf um Anerkennung hatte der Staat bei der eigenen Bevölkerung längst verloren, als er international endlich anerkannt wurde.” Peter Ensikat ist der bekannteste Kabarettist im Osten. Als die Mauer gebaut wurde, war er zwanzig, als sie wieder fiel, war er 48. In der Partei war er nie, obwohl, wie der Untertitel des Artikels über die SED heißt, „eigentlich . . . jeder in der Partei sein” musste. Er schreibt darüber nicht überheblich und nicht herablassend, sondern im Ton des weisen Hofnarren, der inzwischen auch die Narrheiten des Westens kennt. Wenn es um die SED geht, liest sich das so: „Unter denen, die die DDR nach dem Vorbild Gorbatschows reformieren wollten, waren nicht wenige SED-Mitglieder. Und es waren nicht die Unfähigsten. Dass die SPD sich weigerte, solche Genossen bei sich aufzunehmen, hatte die bekannten Folgen, mit denen die Sozialdemokraten heute noch zu kämpfen haben. Mit Recht finde ich.”
Es sind nicht die Unterschiede zwischen den beiden von ihm erlebten Systemen, die Ensikat erschrecken. Es sind die Ähnlichkeiten. Bis 1989, so schreibt er, „meinte ich, diese DDR könne man, wenn man nicht verzweifeln wolle, nur satirisch betrachten. Seit ich in der Bundesrepublik lebe, weiß ich, dass das keine Besonderheit dieser DDR war. Das Politbüro der SED hatte eines gemeinsam mit dem Vorstand der Deutschen Bank. Beide wurden und werden nicht vom Volk gewählt, und beide hatten beziehungsweise haben zu viel Macht”.
Das steht in der Einleitung, im Übrigen kommen die Deutsche Bank und sonstige Leitmotive und Leitinstitutionen der alten und neuen Bundesrepublik in Ensikats DDR-Alphabet nicht vor, dafür aber die „DEFA”, die nicht nur ein Synonym für verfilmte Langeweile war, und der „Dialektische Materialismus”, der erklären konnte, warum Honecker den Klassenfeind Franz Josef Strauß nach dem Milliardenkredit als neuen Freund empfangen konnte, sowie die „Deutsche Reichsbahn”, die für acht Pfennige pro Kilometer durch die Lande fuhr: „Ihr Streckennetz war etwa 14 000 Kilometer lang. Ungefähr 2200 Kilometer davon waren bis 1989 elektrifiziert. Von den acht Pfennigen träumen wir heute, den Rest müssen wir endlich mal vergessen. Es war ja nicht alles so schlecht wie diese Reichsbahn”. Mit ihr fuhr man zwar immer billig, aber selten sauber und pünktlich.
Wir lesen von Gojko Mitic, dem Winnetou der DDR; von „Komplexannahmestellen”, wo man seinen Regenschirm zur Reparatur bringen konnte; vom „Lipsi-Schritt”, mit welchem Walter Ulbricht im Sechs-Viertel-Takt gegen Elvis-Presley antanzen wollte; wir erfahren Ensikats Gedanken über „Marxistische Bildung”, über Mielke und die Mauer, von der „wir uns damals erzählten, in Berlin stünde jetzt die Rostocker Autobahn hochkant”. Es ging nämlich 1961 das Gerücht um, dass die Baukapazität und das für den Mauerbau verwendete Material eigentlich für den Bau dieser lange geplanten Autobahn vorgesehen gewesen war. Die Entfernung Berlin-Rostock entsprach in etwa der Länge der Mauer: 43 Kilometer durch Berlin, 112 im Umland..
Peter Ensikat war in DDR-Zeiten so etwas wie ein künstlerischer Reisekader. Er durfte, eingeladen von westlichen Veranstaltern, hin und wieder in den NSW, den Nichtsozialistischen Währungsbereich, um dort an Kindertheatern nichtsozialistische Währungen zu erwirtschaften: „Dabei bekam ich stets frühestens einen Tag vor der Abfahrt die ‚Reisedokumente‘ ausgehändigt. Wenn ich zurückkam, musste ich den Pass wieder abliefern und das Spiel wiederholte sich Jahr für Jahr mit ewig unsicherem Ausgang.”
Wenn Ensikat davon erzählt wie es war, wenn er als DDR-Bürger praktisch ohne Geld in den Westen kam und es sich nicht leisten konnte, mit seinen westlichen Kollegen an der Hotelbar auch nur ein Bier zu trinken – dann lernt man dabei noch mehr als auf einem DDR-Befindlichkeitsseminar in der Akademie von Loccum. Und wenn er von der Westsehnsucht schreibt (siehe das in der Überschrift zitierte Motto) oder über Schwarzarbeit und Feierabendbrigaden, dann ist das fein erzählte Sozialgeschichte, für die ihm Fernand Braudel, der Meister des Fachs, auf die Schulter klopfen würde.Der Schauspieler Ensikat war nach der Wende Leiter des Berliner Kabaretts „Die Distel”. Er hat früher viel für das DDR-Kinderfernsehen gearbeitet. Im Gegensatz zur „Aktuellen Kamera” oder dem „Schwarzen Kanal” hatten „Sandmännchen”, „Flimmerstunde” und „Meister Nadelöhr” hohe Einschaltquoten auch dort, wo man das Westfernsehen empfangen konnte. Dass das Kinderfernsehen trotz ZK-Gängelung Sendungen zustande brachte, die man noch heute, ohne rot zu werden, ansehen kann, hatte wohl, meint Ensikat, „damit zu tun, dass auch die Partei irgendwann einsehen musste, dass auch die parteilichste Sendung nichts bringt, wenn sie nicht gesehen wird”.
Peter Ensikat sieht man nicht nur auf der Bühne gern; man liest ihn auch gern. Er ist ein sarkastisches Sandmännchen für Ost- und Westbürger. HERIBERT PRANTL
PETER ENSIKAT: Populäre DDR-Irrtümer. Ein Lexikon von A- Z. Edition q, be.bra-Verlag, Berlin 2008. 239 Seiten, 19,90 Euro.
Das Sandmännchen, Symbol des DDR-Kinderfernsehens. Der Ost-Sandmann schlug den West-Sandmann in seiner Beliebtheit um Längen. Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bissig-vergnüglich findet Heribert Prantl das Buch des Kabarettisten Peter Ensikat. Laut Prantl ersetzt es eine Handvoll Wochenend-Seminare und Podiumsdiskussionen zum Thema DDR spielend. Dass der Band nicht zu einem Ostalgie-Lexikon gerät und nicht nur Ostdeutschen Spaß machen dürfte, führt Prantl darauf zurück, dass der Autor auch seine westdeutschen Erfahrungen mit seinem "ätzenden Witz" anreichert und weniger auf Unterschiede, als auf die Ähnlichkeiten zwischen Ost und West abhebt. Gojko Mitic, Mielke und Mauer, Feierabendbrigaden und Westsehnsucht, über all das erfährt Prantl hier in "fein erzählter" Weise, nicht herablassend, sondern im "Ton des weisen Hofnarren".

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