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Im Lauf des Jahres 2014 ist die Terror-Miliz 'Islamischer Staat' mit brutaler Vehemenz in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Im Schatten der weltpolitischen Ereignisse zwischen 9/11 und Arabischem Frühling ist der IS zu einer Organisation herangewachsen, die nun im Begriff ist, die politische Landkarte des Nahen Ostens neu zu ordnen. Wie konnte es so weit kommen? Und was passiert, sollte die Expansion des Kalifats tatsächlich gelingen? In diesem hochaktuellen Buch beleuchtet die Terrorismusexpertin Loretta Napoleoni den Aufstieg des 'Islamischen Staats'. Was unterscheidet den IS heute…mehr

Produktbeschreibung
Im Lauf des Jahres 2014 ist die Terror-Miliz 'Islamischer Staat' mit brutaler Vehemenz in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Im Schatten der weltpolitischen Ereignisse zwischen 9/11 und Arabischem Frühling ist der IS zu einer Organisation herangewachsen, die nun im Begriff ist, die politische Landkarte des Nahen Ostens neu zu ordnen. Wie konnte es so weit kommen? Und was passiert, sollte die Expansion des Kalifats tatsächlich gelingen?
In diesem hochaktuellen Buch beleuchtet die Terrorismusexpertin Loretta Napoleoni den Aufstieg des 'Islamischen Staats'. Was unterscheidet den IS heute grundlegend von anderen terroristischen Organisationen, allen voran al-Qaida? Klar und präzise zeigt die Autorin, welche Ereignisse insbesondere ab 2003, nach der US-Invasion im Irak, Wendepunkte markierten und welche Rolle der seit 2011 anhaltende Bürgerkrieg in Syrien spielt. Ihre markante These: Der IS verfügt mehr als jede andere bewaffnete Gruppe in der Vergangenheit über die Ressourcen und die Strategien zur dauerhaften Staatenbildung. Die mittelalterliche Brutalität, mit der der 'Islamische Staat' vorgeht, und die nie gekannte mediale Selbstinszenierung, die er via die sozialen Netzwerke betreibt, sind, so Napoleoni, zwei nur scheinbar widersprüchliche Gesichter einer Organisation, die sich die dramatischen Umbrüche in der Region ebenso zunutze zu machen versteht wie die technologischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts.
Was wissen wir über den IS - und was haben wir bislang völlig falsch verstanden?
Autorenporträt
Loretta Napoleoni arbeitet als politische Journalistin für international führende Zeitungen wie 'Corriere della Sera' und 'Le Monde'. Sie gilt als eine der weltweit führenden Expertinnen für die Finanzierung des globalen Terrors und landete mit "Terror Inc. In ihrer Funktion als wirtschaftliche Beraterin bereist sie regelmäßig die Krisenregionen des Mittleren Ostens und Staaten wie Pakistan, Iran und Irak.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2015

Der falsche Kalif und seine Tyrannei
Die radikal-islamistische Bewegung IS hatte eine lange Inkubationszeit. Drei Bücher widmen sich den Fragen, was sie ist,
wie ihr begegnet werden soll und ob der Westen zu ihrem Erstarken beigetragen hat
VON RUDOLPH CHIMELLI
Die Franzosen sprechen meist von „Daesch“, wenn es um das islamische Terror-Syndikat in Syrien und im Irak geht. Weder Minister noch Medien gebrauchen in Paris gern den Begriff Islamischer Staat oder die Kürzel IS, Isis und Isil, weil sie schon einer verbalen Anerkennung von dessen Staatscharakter aus dem Weg gehen wollen. Zwar bedeutet auch die arabische Abkürzung genau dies, aber die in ihr enthaltene Exotik bringt eine gewisse Entfremdung von der institutionellen Normalität des Westens.
  In ihrer langen Inkubationszeit wurde die radikal-islamistische Bewegung meist unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen, obwohl Fachleute durchaus sahen, was sich da anbahnte. Durch ihre sensationelle Brutalität löst sie heute eine Alarmstimmung aus, die über ihre effektive Macht weit hinausgeht. Wenn Autoren das Phänomen erklären wollen, so stehen sie vor der Notwendigkeit, bei Adam und Eva anfangen zu müssen, denn dem fachlich nicht vorbelasteten Leser sind die Personen, Orte und Daten der Handlung kaum vertraut.
  Das originellste der hier erwähnten Bücher ist zweifellos das von Loretta Napoleoni, die sich als Terrorismusexpertin ausweist – ein Fach, für das es keine festen Qualifizierungsmerkmale gibt. Der Anspruch des Titels hätte freilich genaueres Hinschauen erwarten lassen. So ist ihr nicht aufgefallen, dass die Schrift des Glaubensbekenntnisses auf der schwarzen Fahne von Daesch nicht golden, sondern weiß ist. Übrigens führten schon in einem Film von John Ford aus den Dreißigerjahren, mit dem Kinder-Star Shirley Temple, die antibritischen Rebellen im Nordwesten Indiens – heute wären sie pakistanische Taliban – genau dieses Banner. Geschichte, Geschichte – und sehr alte Gefühle, die immer wieder ausbrechen werden, auch wenn der Islamische Staat einmal militärisch niedergekämpft ist.
  Die Millionen, die heute mit ihm sympathisieren, werden sich neu formieren, immer wieder. Anders als die übrigen Autoren, bemüht sich Loretta Napoleoni um ein gewisses Verständnis für das Unternehmen des falschen Kalifen. So behauptet sie etwa: „Entgegen den Berichten westlicher Medien ist das Kalifat weder brutaler noch barbarischer als andere bewaffnete Organisationen der jüngsten Vergangenheit.“ Ihr bizarrer Beleg dafür: Auch in Kosovo hätten die Kämpfer mit den abgehackten Köpfen von Gegnern Fußball gespielt.
Im Herrschaftsgebiet von Daesch entdecken ihre Gewährsleute Suppenküchen, Straßenfeste, ein soziales Gesicht des Regimes und „sogar Spuren der Humanität“. Das bringt Loretta Napoleoni zu der überraschenden Frage, ob es nicht besser wäre, „einen solchen Staat in die internationale Gemeinschaft zu holen und dadurch zur Respektierung des Völkerrechts zu zwingen“. Der Kalif wird das nicht wollen.
  Sowohl sie als auch Schirra sprechen den Westen von aller Verantwortung frei. Seine Sünden hätten allenfalls als Katalysator gewirkt. Die arabische Zivilisation, so Schirra, habe sich ihre Wunden selbst geschlagen. Die „Unschuld des George W. Bush“ wird ironisierend erwähnt, so als hätten die Hunderttausenden Opfer des Krieges, den er mit erfundenen Gründen gegen den Irak vom Zaun brach, keine rachsüchtigen Erben hinterlassen sollen. Ein fataler Fehler der westlichen Mächte war für beide Autoren nur, dass sie nicht rechtzeitig und massiv den syrischen Aufstand gegen Baschar al-Assad unterstützten. Hätten sie dieses Rezept befolgt, das in Libyen so katastrophale Folgen hatte, es würde heute in Damaskus ein Vertreter von al-Qaida oder Daesch regieren.
  Zu diesem entschiedenen Urteil kommt Michael Lüders. Sein Buch ist eine Anklage gegen die leichtfertige Politik der USA und ihrer europäischen Jünger. Sie begriffen nichts, nicht einmal ihre eigenen Interessen in der Region und schon gar nicht die Gefühle der islamischen Völker. In sieben Ländern haben die USA seit dem Jahr 2001 mit Truppen oder Drohnen interveniert, in Afghanistan, im Irak, in Somalia, Jemen, Pakistan, Libyen, Syrien. „In welchem dieser Staaten haben sich anschließend die Lebensbedingungen der Bewohner verbessert, zeichnen sich Stabilität und Sicherheit ab?“, fragt Lüders. Jede militärische Intervention des Westens habe im Gegenteil Chaos, Diktatur, neue Gewalt zur Folge gehabt.
  Die Verkündung der Ausbreitung von Demokratie und Menschenrechten wird in der Region als Heuchelei empfunden, denn in Wahrheit – so sehen es die Völker – geht es um Macht und Profite. Ohne den von den USA herbeigeführten Sturz Saddam Husseins und die anschließende Verheerung des irakischen Staates durch ignorante und auf Konfessionalismus abgerichtete Besatzungspolitik, schreibt Lüders, „würde es heute den Islamischen Staat nicht geben“.
  Er weist darauf hin, dass noch nie in der Geschichte eine reguläre Armee eine Guerillabewegung besiegt hat. „Die Armee verliert, solange sie nicht gewinnt, die Guerilla gewinnt, solange sie nicht verliert“ (so bereits Henry Kissinger im Hinblick auf Vietnam). Konsequenterweise sieht der Autor Daesch weniger als militärische denn als ideologische Gefahr und rechnet mit einem langen Konflikt. Und was selten jemand so deutlich sagt wie er: Ein konsolidierter IS wäre „die Wiedergeburt Saudi-Arabiens unter anderem Vorzeichen“.
  Ohnehin wird der Krieg nicht sehr energisch geführt. Lüders weist darauf hin, dass die USA pro Tag 60 bis 70 Luftangriffe fliegen (in Vietnam waren es bis zu 2000). Dabei bräuchte man in dem für Flieger, Drohnen, Satelliten völlig übersichtlichen Mesopotamien keine Dschungel zu entlauben wie in Indochina. Saudi-Arabiens langjähriger Geheimdienstchef, Prinz Turki Bin Feisal, bewertete die Luftoffensive als „Nadelstiche, die nichts bewirken“.
  Dass man absolute Luftherrschaft ganz anders nutzen könnte, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Nach der alliierten Landung in der Normandie konnten die Deutschen tagsüber keine Truppen mehr verschieben. Arsenal und Fuhrpark von Daesch müssten bei nachhaltiger Bekämpfung aus der Luft längst Schrott sein.
  Auf dem Boden kämpfen gegen die mörderischen Islamisten ernsthaft nur die kurdischen Peschmerga, tapfer aber schlecht bewaffnet, sowie Relikte der irakischen Armee (unter amerikanischen Beratern) und schiitische Milizen unter Führung iranischer Elitetruppen. Ohne letztere wäre Samara längst gefallen, und Daesch stünde wahrscheinlich im Inneren Bagdads.
  Was immer Schirra und Napoleoni selber erlebt oder aus guter Quelle erfahren haben, macht die Bücher äußerst lesens-wert. Ihre Analyse ist bisweilen anfechtbar. So sehen beide die Taliban als Vorläufer von Daesch, obwohl diese niemals Ambitionen für ein islamisches Weltreich hatten, sondern nur die Lebensformen des paschtunischen Dorfes durch Zwang für ganz Afghanistan verbindlich machen wollten.
  Dass die Welt des falschen Kalifen und seiner Führungsriege intellektuell weniger dürftig ist als die der Vorgänger, sollte man bei uns durchaus zur Kenntnis nehmen. Der IS hat Techniker, Informatiker, Studierte von der Art, die Solschenizyn für die Sowjetunion einst „ausgebildet“ nannte, im Unterschied zu „kultiviert“. Das ändert freilich nichts daran, dass das Gros der höchstens 50 000 Krieger von ihrer früheren Bedeutungslosigkeit motiviert wird, gescheiterte Existenzen, Versager: Ihnen, die Niemande waren, ist zu Kopf gestiegen, dass sie Herren über Leben und Tod sind.
  Ob Daesch oder IS – die Organisation ist gefährlich, schon weil sie in einem Maße zur Basis terroristischer Unternehmen im Westen werden kann, wie al-Qaida dies niemals war. Aber sie ist keine den Weltfrieden bedrohende Großmacht wie einst das Dritte Reich oder das imperiale Japan. Daesch hat keinen industriell-militärischen Komplex und verfügt nur über geringes Of-fensiv-Potenzial. Das Territorium des IS – auf der Landkarte so groß wie Deutsch-land – besteht am Boden überwiegend aus Sand und darüber aus heißer Wüstenluft.
  Für die betroffenen Syrer und Iraker ist Daesch eine lebensgefährliche Krankheit. Für die Nachbarstaaten droht Ansteckungsrisiko. Die Weltmächte aber behandeln den Islamischen Staat, jenseits aller Rhetorik, reapolitisch nicht als akute Gefahr. Ihre Kriegsmaschine läuft im kleinen Gang, nicht auf Hochtouren wie in den Golf-Konflikten oder Afghanistan. Exemplarisch ist das Verhalten der Türkei, deren Generäle privat immer versichern, ihre Armee könnte in drei Stunden in Damaskus sein und dem Spuk ein Ende bereiten. Sie tut nichts. Tatsächlich sieht Ankara, das sich mit den irakischen Kurden glänzend arrangiert hat, offenbar in einem Islamischen Staat jenseits seiner Südgrenze das kleinere Übel - verglichen mit einem autonomen syrischen PKK-Gebiet. Wie lange die Freude der etwa sechs Millionen Untertanen des Kalifen anhält, dass sie nicht mehr von den verhassten Schiiten in Bagdad, sondern von einem sunnitischen Tyrannen regiert werden, der ihnen sogar die Zigaretten verbietet, muss sich zeigen.
  Militärisch wurde daraus ein Krieg der Unbegreiflichkeiten. Von den Quellen in ihrem Gebiet exportieren die Islamisten Öl für zwei Millionen Dollar pro Tag. Wenig ist so zerbrechlich wie Förderanlagen oder Raffinerien – die Bombardierung der Ölquellen hat in der vergangenen Woche begonnen. Aber auf den Straßen in die Türkei und nach Jordanien rollen nach wie vor Kolonnen von Tanklastwagen. Ein Embargo gegen den IS wurde nie verhängt. Das wäre, so heißt es, dem Volk und den wirtschaftlich Interessierten nicht zuzumuten.
  An den Grenzübergängen kassieren die Daesch-Wächter von jedem Gütertransport: Maut, Zoll oder Bakschisch? Niemand will es genau wissen.
Michael Lüders: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Osten anrichtet. C.H. Beck, München 2015. 175 Seiten, 15,40 Euro.
Bruno Schirra: Isis. Der globale Dschihad. Econ, Berlin 2015. 336 Seiten, 18,50 Euro.
Loretta Napoleoni: Die Rückkehr des Kalifats. Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens. A. d. Engl. von Peter Stäuber. Rotpunktverlag, Zürich 2015. 180 Seiten, 17,90 Euro.
Die arabische Zivilisation,
so Bruno Schirra, habe sich ihre
Wunden selbst geschlagen
Die Politik der USA und ihrer
europäischen Freunde hält
Michael Lüders für leichtfertig
illustration: stefan dimitrov
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rudolph Chimelli empfiehlt das Buch von Loretta Napoleoni als originellen Beitrag zum Verständnis des IS und seiner Ideologie. Dass die Autorin um Verständnis wirbt und sogar die Integration des islamischen Terrorsyndikats in Betracht zieht, irritiert den Rezensenten zwar durchaus, zumal die Autorin bizarre Belege für die "Normalität" und die intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit des IS und seiner Praktiken liefert, der Umstand, dass die Autorin eigenes Erleben und "gute" Quellen für ihre Thesen heranzieht, machen das Buch für Chimelli jedenfalls lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
Rudolph Chimelli empfiehlt das Buch von Loretta Napoleoni als originellen Beitrag zum Verständnis des IS und seiner Ideologie. Dass die Autorin um Verständnis wirbt und sogar die Integration des islamischen Terrorsyndikats in Betracht zieht, irritiert den Rezensenten zwar durchaus, zumal die Autorin bizarre Belege für die "Normalität" und die intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit des IS und seiner Praktiken liefert, der Umstand, dass die Autorin eigenes Erleben und "gute" Quellen für ihre Thesen heranzieht, machen das Buch für Chimelli jedenfalls lesenswert.

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