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Eine Fundgrube nicht nur für Kästner-Fans: Der große Erich-Kästner-Briefband mit vielen bislang unveröffentlichten Briefen Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Astrid Lindgren, Max Frisch, Bertolt Brecht. Die Liste der berühmten Briefpartner Erich Kästners scheint endlos zu sein und macht deutlich, wie eng der Schriftsteller mit fast allen prominenten Literaten seiner Zeit in Kontakt stand. Die Briefe, die der Kästner-Experte Sven Hanuschek zusammengetragen und kommentiert hat, zeichnen ein lebhaftes und vielschichtiges Bild des privaten und öffentlichen Erich Kästners. Neben den…mehr

Produktbeschreibung
Eine Fundgrube nicht nur für Kästner-Fans: Der große Erich-Kästner-Briefband mit vielen bislang unveröffentlichten Briefen Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Astrid Lindgren, Max Frisch, Bertolt Brecht. Die Liste der berühmten Briefpartner Erich Kästners scheint endlos zu sein und macht deutlich, wie eng der Schriftsteller mit fast allen prominenten Literaten seiner Zeit in Kontakt stand. Die Briefe, die der Kästner-Experte Sven Hanuschek zusammengetragen und kommentiert hat, zeichnen ein lebhaftes und vielschichtiges Bild des privaten und öffentlichen Erich Kästners. Neben den literarischen Zeugnissen zum Beispiel aus der Zeit, in der Kästner Vorsitzender des PEN war, enthält die Sammlung eine Vielzahl privater Briefe, darunter auch zwei Kinderbriefe Erich Kästners. Über Erich Kästner
Autorenporträt
Erich Kästner, 1899 in Dresden geboren, begründete gleich mit zwei seiner ersten Bücher seinen Weltruhm: Herz auf Taille (1928) und Emil und die Detektive (1929). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden seine Bücher verbrannt, sein Werk erschien nunmehr in der Schweiz im Atrium Verlag. Erich Kästner erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, u.a. den Georg-Büchner-Preis. Er starb 1974 in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2004

Wie geht's? Wie stets?
In seinen ausgewählten Briefen zeigt sich ein neuer Erich Kästner

Kästner glaubte man zu kennen. Was die einen als graziösen Witz schätzten, galt den anderen als verdächtig glatte Oberflächeneleganz, die erkauft sei durch die Affinität zum Schnellfertigen und Trivialen. Seit dem hundertsten Geburtstag 1999 sind die Risse, die sich im Image des Volksaufklärers und Kinderonkels schon länger abgezeichnet hatten, unübersehbar geworden - nicht zum Nachteil des Werkes. Die kommentierte Werkausgabe und neue Biographien machten hinter den literarischen Verklärungsanstrengungen private wie politische Verwerfungen sichtbar und zeigten das Bild eines Mannes, der, mit Hermann Kurzkes Formulierung, lebenslang ein Spieler gewesen ist. Vor allem Sven Hanuscheks Biographie präsentierte im Jubiläumsjahr mit der Schonungslosigkeit des genauen Hinsehens einen Kästner voller Widersprüche und Spannungen; nichts hätte belebender wirken können für eine neue Auseinandersetzung mit Autor und Werk.

Nichts? Doch: Die umfangreiche Briefauswahl, die Hanuschek nun vorlegt, zeigt einen Schriftsteller, den wir so noch nicht kannten. Es ist eine aufregende Lektüre. Gewiß, schon die von Liselotte Enderle edierten Briefe ans "Muttchen" zeigten 1981 einen fremden, auch befremdlichen Kästner, ähnlich schon ein 1977 von Friedel Siebert herausgegebenes Bändchen mit "Briefen aus dem Tessin". Beide Bände aber litten daran, daß sie in zweckmäßiger Auswahl veröffentlichten, was für den Kampf der Herausgeberinnen um den Schreiber instrumentalisiert werden konnte. Wirklich entdecken läßt sich der Briefschreiber Kästner erst mit diesem Band.

Eine "handverlesene, konzentrierte Auswahl" kündigt Hanuschek an, und das ist nicht zuviel versprochen. Es dürfte schwerfallen, sich auch nur auf einer einzigen dieser fünfhundert Seiten zu langweilen. Kästner ist ein unterhaltsamer und geschmeidiger Briefschreiber - witzig, warmherzig und mit einer bemerkenswerten Begabung, auf Adressaten einzugehen, ohne sich zu verleugnen. Keck und pointiert, scharf in Kritik und Selbstkritik, melancholisch und verbittert: die Skala der Stillagen ist ebenso bemerkenswert wie die konstante Stilsicherheit. Was der Schreiber selbst einmal "Bekenntnisse einer unschönen Seele" nennt, verschmäht kalauernde Albernheiten keineswegs ("Wie geht's? Wie stets?"). Aber das ist nur ein Ton unter vielen.

Hanuschek sammelt Briefe aus mehr als fünfzig Jahren, gerichtet an Verleger und Leser, an Kollegen und Freunde und Geliebte. Eröffnet wird der Band mit zwei Briefen des Zehnjährigen an seine Eltern; im Geschwindschritt verfolgt er dann die rasante Karriere in den Roaring Twenties, in denen der Abenteurer das professionelle Marketing seiner selbst erlernt, und dokumentiert die Überlebenskünste des "verbrannten" Autors im Dritten Reich. Manches, was Kästner in jüngster Zeit als nachträgliche Beschönigung vorgehalten worden ist, zeigt sich hier als ziemlich getreue Reflexion zumindest seiner Selbstwahrnehmung schon ab 1933. Daß er im Ausland weiter publiziere, solange die Texte unanstößig blieben, daß der "Emil" auch nach 1933 noch im Reich verkauft wird, betont er selbst; es macht seine Klage über das Inlandsverbot nicht weniger glaubhaft. Auch die diskret eingefädelten Theater- und Ufa-Engagements dieses talentierten Filmemachers, dessen Karriere in der Weimarer Republik ja nicht zufällig in gemeinsamen Vorhaben mit Max Ophüls und Billy Wilder begonnen hatte, werden nur möglich durch ein riskantes Spiel mit Pseudonymen und Strohmännern und durch die Diskretion alter Weggefährten. Die Berechtigung seines brieflichen Seufzers, er habe seit 1933 in Deutschland doch "mehr oder weniger ohne Publikum" arbeiten müssen, wird hier anschaulich illustriert durch Briefe ans Finanzamt, das der bei Kriegsausbruch um seine Deviseneinkünfte fürchtende Schriftsteller um Steuerstundung anbettelt und dem er nach dem absoluten Berufsverbot mitteilt: "Hieraus ergibt sich, daß ich für das Jahr 1943 mit keinerlei weiteren Einkünften zu rechnen habe!" Daß er der Reichsschrifttumskammer 1936 den soeben beschlagnahmten "Emil" als "ausgesprochen deutsches Buch" empfiehlt, nützt ihm sowenig wie die Hoffnungen auf Arbeitserleichterungen nach der "Sondergenehmigung" für den Münchhausen-Film. Deren umgehende Rücknahme zeigt sich hier nicht mehr als Kurswechsel der Kulturpolitik, sondern als Quittung für einen Quertreiber. 1944 erinnert Kästner sich bitter daran, "was ich anstellte, bis die Leute erst einmal auf ,Münchh.' hereinfielen, und was die Leute dann anstellten, bis ein mittelmäßiger Film draus wurde, - das gäbe allein schon eine reizende Satire!" Im selben Jahr vermerkt er Dankbarkeit dafür, endlich wieder den eigenen Namen gedruckt lesen zu dürfen - in einer in Argentinien erschienenen Anthologie. Im Schreibtisch dagegen bleiben Zweizeiler wie dieser: "Gespornt, mit Peitsche und in Breeches - / lauter Nietzsches! Lauter Nietzsches!"

Um so mehr überrascht dann - wie der Herausgeber mit Recht bemerkt - der Ton von Kästners Nachkriegspatriotismus. Nichts zeigt die Differenzen zur Emigration deutlicher als das "Wir", das ihm beim Schreiben über Deutschland ungleich leichter aus der Feder geht als emigrierten Freunden wie Kesten oder Mehring. Gerade wegen ihrer Beiläufigkeit fällt von solchen Wendungen aus ein neues Licht auch auf die häßliche Polemik gegen Thomas Mann, die Kästners fast mustergültige Nachkriegskarriere zeitweise verdunkelte.

Die Nachkriegsbriefe bilden den umfangreichsten Teil der Sammlung. Sie zeigen in Nahaufnahme, wie ausdauernd der PEN-Präsident Kästner sich um die Integration der west- und der ostdeutschen Schriftsteller bemüht, wie leidenschaftlich er als Redakteur der "Neuen Zeitung", als Kabarettist und Kinderbuchautor an einer kulturellen Westbindung arbeitet, wie er sich um Neuausgaben von Werken der Emigranten bemüht, von Döblin bis zu Leonhard Frank, wie er den außer Landes Gejagten neue Publikationsmöglichkeiten eröffnen und womöglich den Weg zu einer Rückkehr ebnen will. Mit Zuckmayer und Hans Sahl korrespondiert er, mit Walter Mehring und Helene Weigel (die ihn ihrerseits mit Care-Paketen versorgt); daß 1949 der im Westen verketzerte Bertolt Brecht ins neue Pen-Zentrum berufen wird, verdankt sich wesentlich Kästners Einsatz. Nebenbei zeigt sich seine oft gerühmte Großzügigkeit in diesen Briefen als geradezu stupende Begabung, Freunde und notleidende Kollegen so taktvoll wie diskret zur Annahme von Geldgeschenken zu bewegen.

Es klingt durchaus nicht larmoyant, wenn Kästner 1954 feststellt, sein "Bestreben, der deutschen Öffentlichkeit fördernd zu dienen", habe ihn an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Die Erschöpfung hat freilich auch andere Gründe. Zeitweise unterhält der Briefschreiber mit vier Geliebten in verschiedenen Städten leidenschaftliche Beziehungen - und Korrespondenzen, von denen eine hübscher und frivoler ist als die andere (und bei deren Lektüre man sich dennoch fragt, ob man solche Intimitäten eigentlich postum veröffentlichen sollte, zumal bei einem derart um Diskretion bemühten Schreiber). Das Spiel endet in der Lebenstragödie des alternden Kästner, die Hanuschek in seiner Biographie genau nacherzählt hat. Seine Briefausgabe zeigt nun die traurige Innenansicht.

Zerrieben zwischen den Beziehungen zu den beiden Frauen, von denen die eine mit ihm die Wohnung teilt und die andere die Mutter seines Sohnes ist, führt Kästner das, was er ein "Leben auf dem Pulverfaß" nennt. Im letzten Jahrzehnt verdunkelt sich mit der Ausweglosigkeit der privaten Verhältnisse, mit der Zunahme von Krankheiten und dem wachsenden Whiskykonsum ("meine Privatmedizin") auch der Ton der Briefe. Er wird hart, manchmal schroff; die Mühen der Selbstdisziplinierung werden hörbar. Auch politisch ist der Pazifist, der sich lange zum Optimismus gezwungen hat, enttäuscht in alle Richtungen; die Wiederbewaffnung Deutschlands verfolgt er mit Entsetzen, und der SPD vermag er auf Bitten um Solidaritätsbekundungen nicht mehr anzubieten als die Bereitschaft zum öffentlichen Schweigen. Selbst "dieses Naja!", die humoristische Allzweckformel vieler Jahre, versagt nun den Dienst. Immerhin die Aussicht, "im Zirkus Krone den Wahlredner Günther Grass" zu hören, weckt im Sommer 1965 noch einmal Kästners Neugier; und wenn er 1972 als Präsidenten des Internationalen Pen Heinrich Böll vorschlägt (mit Erfolg), dann kehrt für einen Moment auch der Elan wieder.

Gewiß, für seinen Sohn schreibt er in diesen Jahren die beiden schönen Romane vom "Kleinen Mann", daneben entstehen Filmarbeiten, von denen er selbst nicht viel hält, und Anthologien. "Solange ich nicht arbeite, bin ich dicht am Verzweifeln", notiert er 1963. Tatsächlich nimmt die Arbeit fortwährend ab. Mit der Hoffnung aber kommt dem Spieler die Spielfreude abhanden; am Ende weicht das erzwungene Weitermachen einem kalten Warten auf den Tod. Der letzte Lichtblick ist ein rascher und graziöser Briefwechsel mit Astrid Lindgren, in dem beide einander versichern, wie gern sie noch einmal miteinander Walzer tanzen würden. Ende 1972 ist das, anderthalb Jahre vor Kästners Tod.

Der Kommentar dieser verdienstvollen Ausgabe weiß vieles, aber er schweigt sich leider auch über vieles aus. Was hat Ossietzky 1930 "über Jünger, Schauwecker & tc" geschrieben? Welche ",Notkundgebung' des Films" hat 1951 in München stattgefunden? Und worauf bezieht sich Kästners Bemerkung, daß er Wolfgang Harich "aus der Hitler-Zeit gut kenne"? Man wüßte es gern, aber man erfährt es nicht.

Wie diese Sammlung auf eine Fortsetzung neugierig macht, so läßt auch die notgedrungen knappe Auswahl exemplarischer Gegenbriefe ahnen, was sich in den Schreiben an diesen umtriebigen Agenten des Literaturbetriebs noch alles finden ließe. Da bekennt Stefan Zweig seine Angewohnheit, sich zum Trost Kästner-Gedichte aufzusagen, Heinrich Mann gratuliert kollegial zum "Fabian", und 1946 will Max Frisch "Ihre tapfere Arbeit" unterstützen, indem er auf das Honorar für einen Artikel verzichtet. 1957 grüßt Thornton Wilder das "liebe Ericherl"; und vier Jahre später will eine "konkret"-Redakteurin namens Ulrike Meinhof das Manuskript von Kästners Rede "Ostermarsch 1961" abdrucken. Da der Text schon vergeben ist, steuert der Befragte wenigstens seine Unterschrift zu einem Protest gegen die Atombewaffnung bei. Daß dies alles ein Lesevergnügen ergibt, das weit über die biographische Neugier hinausgeht, verdankt sich solchen Entdeckungen - und so hübschen Anekdoten wie dieser von der zweiundachtzigjährigen und notorisch unsentimentalen Annette Kolb, "die immer alles verliert u sucht. Vorgestern mußte das ganze Hotel ihre Brille suchen. Die Kolb saß drauf! Ob sie nichts gespürt hat? ,Nein', sagte sie, ,es ist beides hart.'"

HEINRICH DETERING

Erich Kästner: "Dieses Naja!, wenn man das nicht hätte!" Ausgewählte Briefe von 1909 bis 1972. Herausgegeben von Sven Hanuschek. Atrium-Verlag, Zürich 2003. 544 S., geb., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Großartig findet Heinrich Detering diesen Briefband, der einen Erich Kästner zeigt, "den wir so noch nicht kannten". Erstmals habe Kästner mit Sven Hanuschek einen Herausgeber gefunden, der den Schriftsteller nicht zur Beweisführung seiner biografischen Thesen instrumentalisiere, wirft sich Detering für das Buch in die Bresche. Es sei wohl kaum möglich, sich auf diesen 500 Seiten zu langweilen, schwärmt er weiter. Kästner erweise sich durchgängig als witziger, warmherziger und vor allem stilsicherer Briefeschreiber, wobei Herausgeber Hanuschek eine konzentrierte Auswahl aus Kästners gesamtem Briefwechsel getroffen hat. Der Band beginnt mit einem Brief des 10-jährigen Kästners an seine Eltern, gefolgt von Briefen aus den 20er Jahren, in denen Kästners Karriere seinen Beginn nimmt, und aus den 30er Jahren, die Kästners Überlebensbemühungen und -künste dokumentieren; die meisten Briefe - an Freunde, Verleger, Geliebte - aber stammen aus der Nachkriegszeit und belegen auf eindrucksvolle Weise, so Detering, wie sehr sich Kästner um die Reintegration der Emigranten bemüht hat. Auffällig sei aber auch, wie viel unbeschwerter Kästner das "Wir" über die Lippen ging als den aus dem Exil Heimgekehrten. Der Briefband endet mit einem düsteren und bitteren Kästner-Ton, der einen zwischen zwei Frauen zerriebenen und vom Alkohol mürbe gewordenen Mann zeigt, der sich politisch enttäuscht sah, resümiert Detering. So verdienstvoll die Ausgabe sei, kritisiert dieser, so verschweige der Kommentar leider so manches interessante Detail, das ein aufmerksamer Leser wie unser Rezensent gerne wüsste.

© Perlentaucher Medien GmbH
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