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Ed Sanders, Mitglied der legendären Fugs der sechziger Jahre, Dichter und Barde, erzählt aus der Distanz der seither vergangenen Jahrzehnte. Daß seine locker zusammenhängenden Geschichten nicht nur als kulturhistorisches Dokument höchst aufschlußreich, sondern auch als eigenständige Erzählungen überaus gelungen und amüsant sind, zeigt schon der Beginn dieser Sammlung, in welchem er die abenteuerlichen Wege von Bob Dylans alter Gitarre beschreibt. Die Lower East Side und die neue Szene der psychedelischen Drogen und Musik sind Schauplatz lebendig geschilderter Einblicke in die Lebensweisen…mehr

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Produktbeschreibung
Ed Sanders, Mitglied der legendären Fugs der sechziger Jahre, Dichter und Barde, erzählt aus der Distanz der seither vergangenen Jahrzehnte. Daß seine locker zusammenhängenden Geschichten nicht nur als kulturhistorisches Dokument höchst aufschlußreich, sondern auch als eigenständige Erzählungen überaus gelungen und amüsant sind, zeigt schon der Beginn dieser Sammlung, in welchem er die abenteuerlichen Wege von Bob Dylans alter Gitarre beschreibt. Die Lower East Side und die neue Szene der psychedelischen Drogen und Musik sind Schauplatz lebendig geschilderter Einblicke in die Lebensweisen einer Generation, die im "Sommer der Liebe" des Jahres '67 mehr als nur ein Zeichen für den Aufbruch zu neuen, friedlichen, lustbetonten und schöpferischen Formen des Zusammenlebens sah.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.1999

Die Füße der Beatniks
Ed Sanders beschreibt den großen Duft einer kleinen Welt

Jack Kerouacs Roman "On the Road" erschien 1957, sechs Jahre nachdem der Schriftsteller den Bericht über wilde Streifzüge kreuz und quer durch Amerika verfaßt hatte. Zusammen mit dem Gedicht "Howl" von Allen Ginsberg und William Burroughs' "Naked Lunch" wurde die atemlose Prosa Kerouacs zu einem der Evangelien für die nachfolgende Generation. "Beatniks" nannten sich die Jünger der getriebenen Poeten, ein Name, den Kerouac zuvor für sich und die lose Gruppe seiner Freunde geprägt hatte. Er stand für ein sorgloses Leben am Rande der Gesellschaft, ungewaschen, mittellos und inspiriert von der Freiheit, sich keinem Terminkalender beugen zu müssen. Doch für die jungen Adepten der großen Dichter waren ausgedehnte Abenteuerfahrten durch die Vereinigten Staaten eher die Ausnahme. Aus den Vorstadtidyllen ihrer Eltern flüchteten sich die Kinder des Mittelstands in die bunten Viertel San Franciscos und New Yorks. Ihre Zelte schlugen sie mit Vorliebe im heimeligen East Village auf.

Ed Sanders, amerikanischer Schriftsteller und gelegentlicher Dozent an der "Schule für Dichtung" in Wien, kam nach Abschluß der High School gegen Ende der fünfziger Jahre aus Missouri nach New York, um Dichter zu werden - und nicht Anwalt, wie seine Eltern sich wünschten. Gut zehn Jahre blieb er in dem Biotop alternativer Kultur hängen. In zwei Bänden, deren erster 1975 erschien, erzählt Sanders aus jener Zeit "Geschichten vom Ruhm und Glanz der Beatniks", wie die wörtliche Übersetzung des Titels lautet. Jetzt sind die halb erfundenen, halb selbsterlebten Episoden erstmals auf deutsch erschienen.

Stets auf Anekdoten erpicht, berichtet Sanders im schnoddrigen Tonfall vom komischen, bisweilen traurig-tristen Treiben jugendlicher Lebenskünstler. Da tauchen hoffnungsvolle Schriftsteller auf, selbstberufene Maler, Tänzer und eine Schar von Tagträumern, für die das East Village eine Insel der Seligen sein muß. Sie hausen in schäbigen Wohnungen, in denen Kakerlaken auf Wasserrohren balancieren, hängen in konspirativen Kneipen herum und in Parks, in denen sich protestieren und bisweilen auch kopulieren läßt. In ihrem täglichen Leben, so will es zumindest Sanders, gehen Schöpfungsakte, Drogenkonsum und "Fummelorgien" nahtlos ineinander über. Es gleicht einer großen Expeditionstour zu jenen Gestaden, auf die keine puritanische Seele je einen Fuß setzen würde.

Was so eine Weile skurril unterhält, wirkt auf die lange Strecke der beiden Bände jedoch ermüdend. Denn Sanders legt aus der Distanz mehrerer Jahre nur eine exemplarische, von kabarettistischem Witz geprägte Chronik des Greenwich Village der sechziger Jahre vor. Wer jene Zeit miterlebt hat und sich in dem Kuriositätenkabinett wiedererkennen kann, der mag daran Gefallen finden. So hat der Jahrzehnte im East Village residierende Allen Ginsberg über Sanders' Erzählungen bemerkt, der Autor lasse eine "geglückte Kette typischer Personen" am Leser vorbeidefilieren. Wer diese Epoche jedoch nur aus zweiter Hand kennt, fühlt sich von den Geschichten nur in Maßen belustigt.

So läßt Sanders einen Dichter über sein Kellerdomizil schreiben: "Mein Bett ist eine Matratze aus Lumpen, in die ich abgewetzte alte Hemden gestopft habe; acht Stück insgesamt, sie erinnern mich an Vogelscheuchen." Solche Studien um ihre Existenz kämpfender Poeten sind über mehrere Seiten nicht besonders ergreifend, auch wenn die zahlreichen Klischees bisweilen ironisch reflektiert werden. Sanders stellt zum Beispiel in einer Geschichte Johnny the Foot vor, der im Washington Square Park Touristen gegen ein kleines Entgelt seine "Beatnik-Füße" zeigt. Sie sind seit Jahren nicht gewaschen. Solche Brechungen zeigen auch, daß Sanders' Aufenthalt im East Village in eine Übergangsphase fiel: fern der Wanderjahre Kerouacs, kurz vor dem Siegeszug der Blumenkinder. Deshalb kann auch bereits in der ersten Erzählung der Sammlung ein "Symposion zum Tod der Beat-Generation" stattfinden. Und in einer der letzten Geschichten, die im Jahre 1967 spielt, darf Sanders von der festlichen "Verwandlung der Beatniks in Hippies im Tompkins Park" berichten. Da findet rituell ein Lebensstil ein Ende, der sich längst schon überlebt hatte.

Auch die Erzählungen haben es nicht lebend in die späten Neunziger geschafft. Und hätte der Autor der Wahrheit tatsächlich Genüge tun wollen, so hätte er dem geplagten Leser zumindest einen kleinen Vorfall aus seinem eigenen Leben nicht verschwiegen. Denn im Jahre 1968 lernte Sanders Jack Kerouac hautnah kennen - auf dem Weg zu einer Talk-Show, in einen Aufzug gezwängt. Sanders, der damals mit seiner Band "The Fugs" eine Berühmtheit war, brannte darauf, sich mit seinem alten Idol auszutauschen. Doch der alkoholkranke Kerouac, der ein Jahr später an seiner Sucht zugrunde ging, war seine Jünger leid und sagte nur: "Laß mich gefälligst in Ruhe, Kleiner."

HUBERTUS BREUER

Ed Sanders: "Die Freaks von Greenwich Village". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Pociao.

Ed Sanders: "Der Sommer der Liebe". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Erwin Einzinger. Hannibal Verlag, Sankt Andrä-Wördern 1997 und 1998. Jeweils 251 S., br., 35,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Florian Vetsch freut sich über Ed Sanders Trilogie "Tales of Beatnik Glory" ("Sommer der Liebe", "Die Freaks von Greenwich Village", "East Side Blues"), die jetzt endlich auf Deutsch erschienen ist. Die 41 "Tales of Beatnik Glory" erzählen genau zehn Jahre (1957-67) aus dem Leben ihres Autors, berichtet unser Rezensent. Sanders beschreibe nicht nur detailreich die "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Lebensweise, ihm gelinge es vor allem, die politischen Auseinandersetzungen der Flower-Power-Generation mit dem Pentagon "repräsentativ" zu dokumentieren. Vetsch hat unter anderem viele konkrete Auskünfte zu den subkulturellen Strategien der New Yorker Linken gefunden, so zu Sanders' schwieriger Publikation des Magazins "Fuck you!". Deshalb schließt sich der Rezensent gern Allen Ginsbergs Lob der Trilogie als "Meilenstein historischer Archäologie" an. Begeistert ist Vetsch insgesamt von dem "satirischen Witz" und der "gehörigen Portion Selbstironie", mit der Sanders erzählt. Kein Wunder also, dass sich er sich auf den versprochenen vierten Band über die ereignisreichen Jahre 1968-69 freut.

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