Produktdetails
  • Verlag: edition selene
  • ISBN-13: 9783852661025
  • ISBN-10: 3852661021
  • Artikelnr.: 25668009
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Literatur
Let’s go Festplatte
Ein kybernetischer Western:
„Hirntreiben” – in den Computern
Herrlich ist der Westen! Die Prärie der Cowboys. Die riesigen Herden. Rücken an Rücken käuen Tausende von Gehirnen Datengras. „Frühe Cro-Magnon-Hirne, große Einsteiner, schnittige Blitzmerker. Diskurshirne mit fetten Windungen, Krawaller, Rabatzer...” Der Auftrag ist klar: Treibt die Herde der Hirne nach Osten! Der Ort: ein entlegenes Gefilde in den Weiten der Computer, lange nach Menschheitsende. Die Helden: Kid, der Ich-Erzähler, und seine sieben Kumpels. Brainboys, Treiberprogramme, rauhe, herzliche Jungs. Auf Optimismus programmiert: Das System hat immer Recht. Anrührend enthusiastisch lebt Kid den Job, die Floskeln, die Durchhalteparolen. Ein Hemdsärmelaufkrempler. Doch die simulierte Normalität flackert. Unerklärliche Störungen, unsichtbare Barrieren, Bildausfälle des Himmels, apokalyptischer Zeichengestank – der Treck führt in die Verunsicherung, in die Angst vor Auflösung.
Matthias Schamps Roman-Debut Hirntreiben.EEG (Edition Selene, Wien 2000, 218 Seiten, 43 Mark) ist ein kurioser Science-Fiction-Western um die Rätsel sozialer, biologischer, technischer Steuerungen – ein kybernetischer Roman. Der Bochumer Schriftsteller und Künstler, Verursacher der Foto-Serie „Schlechte Verstecke” im Satire-Magazin Titanic, der Einbalsamierer der Arbeitsamt-Fassade Berlin-Neukölln, hat aus Bewusstseins- Trümmern und Klischees eine mit grandiosen Einfällen und Grotesken betankte Zeichenzerfallsmaschine gebaut, durch deren Risse Wittgenstein, Luhmann und Orwell lugen. Ein philosophisches Blindekuh-Spiel, genial leichthändig und extrem unterhaltsam, voll freundlicher Ironie und wild beseeltem Unernst. In den berührenden Figuren der ungleichen Freunde und einsamen Untergeher Kid und Fred aber gelingt eine wunderbare Liebeserklärung an die Qual und Kunst des Zweifelns. Was bleibt? Das Nichts. Und ein Triumph der Fantasie.
klauck
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In einer kurzen Rezension weiß der Rezensent mit dem Kürzel "klauck" nur Gutes über diesen "kybernetischen Roman" zu berichten. Er lobt den ungeheuren Unterhaltungswert des Buchs, das Fantastische, die Ironie, den Einfallsreichtum und das Leichthändige des Autors, der auch Wittgenstein, Luhmann und Orwell einmal blinzeln lasse. Kurz: Ein Wurf, eine "wunderbare Liebeserklärung an die Qual und an die Kunst des Zweifelns", oder auch: "ein kurioser Science-Fiction-Western um die Rätsel sozialer, biologischer, technischer Steuerungen".

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