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In seinen Erzählungen kehrt der große Maler und Essayist Giuseppe Zigaina zurück zu den Landschaften seiner Erinnerung: zu den Flussauen um Cervignano und Aquileia, zur Lagune von Grado, zum Internat im heute slowenischen Tolmin.Mit der Detailfreude des Zeichners und Malers evoziert der Autor die Düfte der Felder Friauls, die bange Erwartung und Freude der Wallfahrer flussabwärts Richtung Grado beim Anblick des Doms im Licht der aufgehenden Sonne, die Weichheit der mütterlichen Haut, die bedrohliche Ungewissheit bei der Zugfahrt zu einem Gerichtsprozess, die Neugier bei nächtlichen Ausflügen…mehr

Produktbeschreibung
In seinen Erzählungen kehrt der große Maler und Essayist Giuseppe Zigaina zurück zu den Landschaften seiner Erinnerung: zu den Flussauen um Cervignano und Aquileia, zur Lagune von Grado, zum Internat im heute slowenischen Tolmin.Mit der Detailfreude des Zeichners und Malers evoziert der Autor die Düfte der Felder Friauls, die bange Erwartung und Freude der Wallfahrer flussabwärts Richtung Grado beim Anblick des Doms im Licht der aufgehenden Sonne, die Weichheit der mütterlichen Haut, die bedrohliche Ungewissheit bei der Zugfahrt zu einem Gerichtsprozess, die Neugier bei nächtlichen Ausflügen mit dem Fahrrad.Meisterhaft erzählt Zigaina von Menschen auf dem Land und in der Lagune, von einer vergangenen Welt, die noch beseelt war von Geheimnissen und Menschenvertrauen, und nicht zuletzt von seiner langjährigen Freundschaft mit Pier Paolo Pasolini und der unvergesslichen la divina , Maria Callas, sowie von der Liebe und dem Missverständnis zwischen diesen beiden.
Autorenporträt
Karin Fleischanderl, geboren 1960 in Steyr/Oberösterreich, studierte Übersetzen am Dolmetschinstitut Wien. Seit 1983 kommt sie der Tätigkeit als freiberufliche Übersetzerin und Publizistin nach. Außerdem ist sie Mitbegründerin der Leondinger Akademie für Literatur. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2007

Aus der Landschaft ins Gehirn
Giuseppe Zigainas Erzählungen „In die Lagune”
Als Pasolini „Medea” drehte, wurde Maria Callas täglich per Boot zum Set gefahren, zwölf Seemeilen durch die Lagunenlandschaft zwischen Venedig und Triest, von Cervignano del Friuli bis zur Mündung der Aussa. Es war Juli, 1969, die Sonne brannte, doch Maria Callas unternahm die Reise jeweils in vollem Ornat: mit Schleier, geschminkt, behängt mit schweren Ketten. Sie wolle, meinte sie damals, in ihrem Kostüm „leben”, bevor sie zu spielen beginne. Das Boot, mit dem sie den Drehort schließlich erreichte, konnte schon wegen der Kanäle, durch die die Fahrt ging, nichts Großartiges sein. Es war eine neun Meter lange, alte Schaluppe, angetrieben von einem schnell heißlaufenden Motor.
Beschrieben wird die Szene mit der so erhaben wie komisch auf dem Holzkahn thronenden Medea vom Fahrer der „Istanbul”. Er ist heute dreiundachtzig Jahre alt und in Deutschland allenfalls als Freund und Biograph Pasolinis ein Begriff. Ein paar Leute mehr wissen, dass er in Italien ein bekannter Zeichner und Maler ist, aber dass Giuseppe Zigaina auch Erzählungen geschrieben hat, lässt sich auf Deutsch erst jetzt nachvollziehen. Dabei ist „Verso la Laguna” 1995 erschienen, eine Sammlung von Geschichten, die alle in der Landschaft spielen, in welcher der 1924 in Cervignano geborene Zigaina heute noch lebt.
Dass „In die Lagune” ein überlegt komponierter Zyklus ist, wird gleich in der ersten Geschichte klar, die noch in der bildenden Kunst verankert bleibt, den Übergang in die Literatur aber schon praktiziert. Sie zeigt das „Ich” bei der Arbeit an einer Radierung: „Die teerige Schicht, die von der Nadel ausgehoben wird, liegt in feinen Klümpchen an den Rändern und wirkt wie ein Reflex: wie der leuchtende Widerschein von Wasser. Dann erwärmt sich der Zink langsam, seine Temperatur und die der Hand gleichen sich an, vermischen sich, und das Material ändert seine Beschaffenheit.” Es „gärt, wird nächtlicher Himmel, Erde, Lagune oder Schiefertafel der Erinnerung.” Eine Radierung, sagt Zigaina, ist die Entdeckung dessen, was in der Wachs-Platte aufgehoben ist und von der Nadel aufgespürt wird. Eine Art, an mindestens zwei Orten zugleich zu sein. In „Landschaft als Anatomie”, so der Titel der Erzählung, versucht der Radierer, ein Gehirn zu fassen und geht in der Landschaft verloren.
Viel dreht sich in diesem Erzählband um Erinnerung. In der zweiten Geschichte beschreibt Zigaina sein Elternhaus, Anfang- und Endpunkt der Lagunen-Abenteuer, die er in der Folge schildert. „Es war sehr einfach: drei Fenster und ein Tor, wie auf einer Kinderzeichnung.” Das Haus lag direkt am Fluss. Dort beginnt die Ur-Erkundungsfahrt auf dem Wasser, die Zigaina als kleiner Junge mitmacht: die „Wallfahrt nach Barbana” bei Grado, von dem die nur wenige Kilometer entfernten Landbewohner damals in heißen Sommernächten wie von einer nie erreichbaren Traumstadt sprachen. Mit einer schönen Mischung aus Detailreichtum und Zurückhaltung beschreibt Zigaina die Leute, mit denen er fährt, und erst recht die sich verändernde Natur auf dem Weg: die seltener werdenden Holunderbüsche, die ersten Akazien, die Tamarisken-Wäldchen in der Nähe der Mündung. Die ganze Erzählung ist bestimmt von einer Poetik der Sanftheit, der alles Aufgesetzte fehlt. Die immer neuen Abschweifungen, die sich aus Assoziationen ergeben, wirken wie Entsprechungen der langsamen, gleitenden Bewegung der Boote auf den Kanälen.
Kanonenschüsse Österreichs
So behutsam sich Zigainas Erzählungen entwickeln, so sicher stellen sie die erzählte Landschaft und ihre Menschen in den geschichtlichen Raum. Eine alte Frau, die Zigaina mit seiner Kinderspielgefährtin immer wieder besucht, wohnt in einem düsteren Haus. Ihr Geheimnis ist unklar, bis sie einmal erzählt, was die gezeichneten Mädchen an den Wänden bedeuten, alles Selbstporträts der Tochter, die an der Spanischen Grippe starb. „Damals war Krieg”, sagt die Frau, „vielleicht hat sie sich erkältet, als wir vor den Kanonenschüssen der Österreicher davon liefen.” In einer anderen Erzählung ist von einem Freund die Rede, der im Zweiten Weltkrieg die lokale Partisanengruppe angeführt hat, von Spanienkämpfern aus der Gegend.
Doch Gefahr erwächst bei Zigaina nicht nur aus der großen Geschichte. Manchmal braucht es nur einen Motordefekt bei einbrechender Dunkelheit, um die Idylle des einsamen Schiffers aus dem Lot zu bringen. Ein Sturm kommt auf, und alles ist anders. Als Maria Callas einmal gerade das Boot verlassen hat, spuckt der Motor Flammen. Ein Freund ist in der Nähe und kann das Feuer löschen. Beinahe wäre Medea verbrannt worden. Bei einem anderen Unwetter können sich die Passagiere des Boots gerade noch zu einem gekenterten Fischerboot retten, an dem sich gut ankern lässt. Am nächsten Morgen ist alles vorbei, und einer der Männer entdeckt im uralten Logbuch des Boots Gedichte im Dialekt des Friaul. Eines beginnt: „Durch die Tümpel ging ich/ auf der Suche nach Sternen.” Die Gedichte sind einer Edith Rittmeier gewidmet, „Wien, 2. April 1848”. Der letzte Eintrag im Logbuch stammt vom 25. Juli 1945. Er beschreibt das Herannahen eines jugoslawischen Kriegsschiffs. HANS-PETER KUNISCH
GIUSEPPE ZIGAINA: In die Lagune. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio Verlag, Wien 2006. 175 Seiten, 19,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als wohl komponierte Einheit will Rezensent Hans-Peter Kunisch die Erzählungen verstanden wissen, die alle in der Heimatlandschaft des Autors spielten. In Italien sei Giuseppe Zigaina auch als bildender Künstler bekannt, und die erste Erzählung vergleiche die Arbeit bei einer Radierung mit dem Projekt der Erzählungen, in denen es immer wieder um Erinnerungen gehe: an das Haus der Eltern als Ausgangspunkt der Kindheitsabenteuer, das in "Wallfahrt nach Barbarno" beschrieben werde, einer Erzählung, die dem Rezensenten das Gütesiegel "Poetik der Sanftheit" entlockt ob der Bewegungsähnlichkeiten von Booten in den Kanälen und den Abschweifungen des Textes. Erinnerungen aber auch an geschichtliche Ereignisse, die beispielsweise mit einem Freund und früheren Partisan oder auch an Spanienkämpfer, die der Autor in der Gegend kenne, verbunden seien. Und dann sei da noch die Geschichte mit Maria Callas, die für den Film "Medea" täglich von Giuseppe Zigaina mit seinem kleinen Boot zum Drehort gefahren wurde, in vollem Kostüm - und nur knapp sei sie einem Motorbrand entronnen.

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