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Wegweisende Essays von Norbert Miller zu seinem 75. Geburtstag am 14. Mai 2012.Norbert Miller hat in den letzten 50 Jahren wichtige Impulse für die Literatur- und Kunstgeschichte gegeben. Schon seine Dissertation »Der empfindsame Erzähler« über die Romananfänge des 18. Jahrhunderts hat Generationen von Studenten begleitet.Dieser Band enthält acht Essays zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert - von Daniel Defoe und dem Paradox des Romanciers, der keine Romane schreiben wollte, bis zum Lyriker W. H. Auden als großem Opernlibrettisten. Daneben stehen…mehr

Produktbeschreibung
Wegweisende Essays von Norbert Miller zu seinem 75. Geburtstag am 14. Mai 2012.Norbert Miller hat in den letzten 50 Jahren wichtige Impulse für die Literatur- und Kunstgeschichte gegeben. Schon seine Dissertation »Der empfindsame Erzähler« über die Romananfänge des 18. Jahrhunderts hat Generationen von Studenten begleitet.Dieser Band enthält acht Essays zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert - von Daniel Defoe und dem Paradox des Romanciers, der keine Romane schreiben wollte, bis zum Lyriker W. H. Auden als großem Opernlibrettisten. Daneben stehen Studien zu Grundfragen der Kulturgeschichte: zum Griechenstreit, der den europäischen Klassizismus revolutionierte, zu Garten und Landschaft um 1800 (erschrieben von Jean Paul), zur unheimlichen Verlebendigung der Sphinx in ihrem Schauen und zur erfundenen Wirklichkeit in der Literatur und ihrer Rückstrahlung ins Leben. Essays über Dr. Jekyll und Mr. Hyde sowie über die Vertauschung von Innen- und Außenraum beschließen den Band. Ergänzt wird er durch eine Bibliographie der Schriften des Verfassers.
Autorenporträt
Norbert Miller, geb. 1937, war 1973-2006 Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft in Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Piranesis römische Anfänge und seine Rezeption in England (2021); Marblemania. Kavaliersreisen und der römische Antikenhandel (2018); Paradox und Wunderschachtel (2012); Die ungeheure Gewalt der Musik. Goethe und seine Komponisten (2009).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lehrreich findet der Rezensent sie sowieso, die Essays des großen Komparatisten Norbert Miller. Dass sie auch imstande sind, die Neugier zu wecken, auf W. H. Auden, Daniel Defoe oder die Schicksale literarischer Einbildungskraft, das weiß er spätestens seit der Lektüre der hier erstmals bibliografierten acht Essays aus dem riesigen Gesamtwerk des Autors. Besonders schätzt Jens Bisky Miller für seine Gerechtigkeit im Urteil, das, wie er bewundernd feststellt, nie ohne Vergewisserung der Motive und Eigenarten des jeweiligen Autors gefällt würde.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2012

Siebenkäs aus Bayreuth
Die Welt ist doch genug: Essays von Norbert Miller

Norbert Miller ist ein Grenzgänger. Seine Arbeiten zur bildenden Kunst und zur Musik stehen gleichrangig neben seinen literarischen Erkundungen. Erwähnt seien beispielhaft nur sein Buch zu Piranesi oder seine mit Carl Dahlhaus unternommene Vermessung der europäischen Romantik in der Musik. Dabei ist es aber keineswegs so, dass der Germanist Miller sein Handwerk nicht von der Pike auf gelernt hätte. Seine bis heute maßgebliche Jean-Paul-Ausgabe steht hierfür ebenso ein wie seine Beiträge zur Münchner Goethe-Ausgabe und hier vor allem die umfassende Erschließung von Goethes Italienischer Reise.

Gleichwohl überrascht die Weite des Blickwinkels auch in komparatistischer Hinsicht, wenn man den Essayband zur Hand nimmt, den Millers Schüler herausgegeben haben. Daniel Defoe oder Robert Louis Stevenson, W. H. Auden oder Jules Verne treten hier gleichberechtigt neben Goethe und Jean Paul, von Winckelmann und Caylus ganz zu schweigen. Es sind Arbeiten aus vier Jahrzehnten, die eine breite Belesenheit und eine umfassende Neugierde ebenso verraten wie Distanz zu modischen Theorien oder sperrigem Fachjargon. Der Untertitel "Essays" scheint zunächst gewagt, doch zeigt sich beim näheren Hinsehen sehr wohl, dass es sich nur selten um akademische Aufsätze im engeren Sinne handelt, sondern vielmehr um selbständige Erkundungen von Themenkomplexen und Ideen.

Ein grundlegendes "Paradox", so der erste Teil des Buchtitels, zeigt Miller anlässlich der Autorpersönlichkeit Daniel Defoes auf. Wie kann es sein, dass jemand, "der nach seinen Anlagen und durch seine Erziehung als Dissenter von Kindesbeinen an aller nicht-geistlichen Poesie kritisch und feindlich gegenüberstand", mit seinem Erfolgsbuch "Robinson Crusoe" zum Schöpfer des realistischen Romans wurde? Miller weist hier auf biographische Weichenstellungen, die Abkehr Defoes von tagespolitischen Stellungnahmen und seine zunehmende politische Resignation, ebenso hin wie auf Defoes Rückkehr zu Träumen von fernen Kauffahrten in seiner Jugendzeit. In seinen eigenen Augen verfasste er zudem keine Romane, sondern "mögliche, denkbare Reiseberichte, wahrscheinliche Lebensläufe von Emanationen seiner selbst". So absurd es erscheint, dass ein Romanautor sich in seinen Einlassungen gegen das Romanhafte ausspricht - bei Defoe ist dies tatsächlich ernst gemeint und nicht nur ein literarisches Spiel gewesen wie etwa später in den Romanen Wielands.

Der zweite Bestandteil des Buchtitels, "Wunderschachtel", ist in seiner schillernden Vieldeutigkeit schwerer zuzuordnen. Er steht vielleicht allgemein für Kunst und Literatur, charakterisiert aber auf jeden Fall die inkommensurablen Romane Jean Pauls zutreffend. Norbert Miller erkundet in seiner souveränen Kenntnis des Gesamtwerks dessen Gärten und Landschaften und zeigt auf, in welch inszenierter Naturkulisse Jean Paul seine großen Szenen spielen lässt. Geht es in der "Unsichtbaren Loge", im "Hesperus" und im "Titan" um rein imaginierte, ferne Landschaften, die der wenig gereiste Jean Paul nie mit eigenen Augen gesehen hat, so bilden die zahlreichen berühmten Bayreuther Gärten den Hintergrund für die Welt des Romans "Siebenkäs".

Entscheidend ist aber keine Abbildhaftigkeit oder ein Wetteifern mit Reisebeschreibungen, sondern entscheidend ist die subjektive Zeichnung und die poetische Inszenierung. Die eigene Anschauung, und dies mutet abermals paradox an, wird als eher hinderlich angesehen, im Zentrum steht die Beschreibung aus der Phantasie heraus. Nicht als Paradox, sondern als wahre Wunderschachtel entpuppt sich schließlich das akribische Publikationsverzeichnis am Ende des Buches, das auf über fünfzig Seiten Norbert Millers immense Produktivität dokumentiert.

THOMAS MEISSNER

Norbert Miller: "Paradox und Wunderschachtel". Essays.

Hrsg. von Markus Bernauer u. a. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 309 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2012

Der Augenöffner
Zum 75. Geburtstag: Essays von Norbert Miller
Wer das Glück hatte, Vorlesungen und Seminare des Literaturwissenschaftlers Norbert Miller besuchen zu können, der erlebte eine besondere Form der Geselligkeit, von der man gern glauben möchte, dass sie zu Berlin gehört. Hier war sie vor gut zweihundert Jahren erprobt und auf theoretische Formeln gebracht worden, von 1973 bis 2006 hatte sie einen Mittelpunkt an der Technischen Universität, wo Norbert Miller Vergleichende Literaturwissenschaft lehrte. In den Veranstaltungen herrschte ein nie angezweifelter republikanischer Habitus, ein gelehrt-republikanischer Umgangston.
Nebenrücksichten, die das Universitätsleben oft bis zum Überdruss prägen, waren verbannt, Autorität erwuchs allein aus Formulierungen, Argumenten, Kenntnissen – Scheinerwerb und Profilierungsspielchen spielten kaum eine Rolle. Sie hätten die konzentrierten Übungen in erweiterter Zeitgenossenschaft nur gestört. Ob es nun um Winckelmann oder Goethe, die Humboldts oder die Schlegels ging, sie wurden behandelt als Teilnehmer in einem unabschließbaren Gespräch über alle Epochengrenzen hinweg. Mit ihren Augen zu sehen, konnte man hier lernen.
Wie in seinen Büchern erprobte Miller in den Seminaren gern neue Konstellationen und Traditionslinien, deren er sich in immer neuen Digressionen versicherte. Sprachgrenzen und die Parzellenwirtschaft der kulturwissenschaftlichen Disziplinen musste man dabei hinter sich lassen. Keine Kunst ließ sich verstehen, wenn man nicht gleichermaßen über die anderen Künste sprach. Dabei ging es weniger um große Programme einer „wechselseitigen Erhellung der Künste“ (Oskar Walzel), als darum, tatsächliche Zusammenhänge nicht zu verdunkeln.
Was dabei zu gewinnen ist, zeigen die großen kulturhistorischen Bücher Millers über Giovanni Battista Piranesi („Archäologie des Traums“, 1978), über „Horace Walpole und die Ästhetik der schönen Unregelmäßigkeit“ und die gemeinsam mit Carl Dahlhaus begonnenen Studien zur „Europäischen Romantik in der Musik“. Sie alle hingen auf vertrackte Weise mit einem Buchprojekt zusammen, über das in den neunziger Jahren in Berlin ebenso viele Legenden im Umlauf waren wie unter Romantikern über die Sommerresidenz Kublai Khans. Norbert Miller hieß es, arbeite an einem Buch über die „Künstlichen Paradiese“. Nicht weniger als eine Landkarte der europäischen Geisteswelt war davon zu erhoffen, eine Karte, auf der die Zauberwälder Ariosts ebenso verzeichnet wären wie die Spaziergänge Baudelaires, das exzentrische Landhaus Strawberry Hill und der totgesagte Park Stefan Georges, die Wunderwelt der Opern und Wielands Ritte ins „alte romantische Land“.
Das Buch über die „Künstlichen Paradiese“ ist bisher nicht erschienen, dafür nun aber – zum 75. Geburtstag, den Miller an diesem Montag feiert, – eine Auswahl aus seinen Essays, acht von Hunderten, die in diesem Band zum ersten Mal bibliographiert sind. Im Vorwort wagt Millers Verleger Michael Krüger auch die einleuchtende These, dass sein Autor „sein gewaltiges Werk zur Kulturgeschichte der vergangenen zweihundertfünfzig Jahre geschrieben“ habe, „um nicht in dem einen künstlichen Paradies anzukommen“. Sein Projekt sei mithin „die permanente Erweiterung unserer Paradiesvorstellungen“.
Acht Essays, das sind nicht viele, aber sie umspannen mehrere Welten, von Daniel Defoe, dem literaturfeindlichen Romanautor, bis hin zum Vorbehalt W. H. Audens, „des Musikers unter den englischen Lyrikern“, gegenüber der Musik. Beinahe in der Mitte steht zurecht der Essay „Utopie und Längeres Gedankenspiel. Erfundene Wirklichkeit in der Literatur“. Er ist 1986 in der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter erschienen und kreist um die Schicksale der literarischen Einbildungskraft. Ausgehend von einem Glücksfall der jüngsten deutschen Literatur, Wolfgang Hildesheimers fiktiver Biographie „Marbot“ (1981) spürt Miller dem Verhältnis von Freiheit und Ordnung nach, den Antrieben, Gefährdungen und Verheißungen literarischer Expeditionen in ungekannte Länder, den Reisen ins Unbewusste, in die Zukunft oder in die Vergangenheit, in imaginäre Reiche, zum Mittelpunkt der Erde, nach Orplid oder Mordor.
Den Essayisten Miller zeichnet ein besonderer Gerechtigkeitssinn aus, er fällt kein Urteil ohne vorherige Vergewisserung über Eigenart und Motive der Autoren. Dennoch ist ein deutlicher Vorbehalt gegenüber dem Erfinden und Ausstaffieren phantastischer Traumwelten nicht zu überhören, auch gegenüber politischen wie technischen Utopien in literarischer Kostümierung, selbst wenn Intelligenz und Geschick der Erfinder bestrickend sein mögen. Die Sympathie gehört dem „Längeren Gedankenspiel“ (Arno Schmidt), in ihm wolle „die einmal im Spiel wachgerufene Realität. . . ihren Schöpfer in sich ziehen“, zugleich aber fehle ihr der Anspruch, unabhängig vom Schöpfer Bestand zu haben. „Es sind private Gegenwelten, ganz und bewußt an das Ich gebunden, das sie hervorgebracht hat. Künstliche Paradiese, die sich der Dauer über die Macht der individuellen Phantasie hinaus sogar verweigern. Ihre Zukunft liegt in der Zukunft der Einbildungskraft, die an der Fata Morgana weiterwebt. Darüber hinaus haben sie keine Zukunft.“
Aber eben in dieser Bindung an das Ich vermutet der Leser den Grund dafür, dass diese Gedankenspiele so rasch nicht veralten, Anregung und Teil eines weiter gehenden Gesprächs werden können. Das Längere Gedankenspiel ist vielleicht nicht auf Verlängerung angelegt, aber es fordert sie heraus. Dafür sind die Essays von Norbert Miller – ihm weiten sich selbst kürzere Nachworte oder Stellenkommentare gern zu Essays – ein wunderbares Beispiel. Man lernt etwas, wenn man sie liest und man wird etwas: unendlich neugierig.
JENS BISKY
NORBERT MILLER: Paradox und Wunderschachtel. Essays. Mit einem Vorwort von Michael Krüger und einer Bibliographie von Timm Reimers. Hrsg. von Markus Bernauer, Constanze Baum, Gesa Horstmann, Cornelia Ortlieb und Petra Plättner. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 309 Seiten, 24 Euro.
Wer das Glück hatte, bei Miller
zu lernen, nahm teil am Gespräch
der Literatur über sich selbst
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