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Die Rolle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Metallforschung und anderer KW-Institute bei der Entwicklung von innovativen Waffensystemen und der Metallversorgung der Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg.Seit dem Ersten Weltkrieg intensivierten die Kaiser-Wilhelm-Institute ihre Rüstungsforschung. Neue, industrienahe Institute der KWG wurden gegründet, darunter das KWI für Metallforschung. Die Strategie der Reichswehr, kriegswirtschaftliche und waffentechnologische Unterlegenheit mit Hilfe technowissenschaftlicher Forschung zu kompensieren, setzte dafür auch nach 1933 die Maßstäbe.Das Beispiel…mehr

Produktbeschreibung
Die Rolle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Metallforschung und anderer KW-Institute bei der Entwicklung von innovativen Waffensystemen und der Metallversorgung der Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg.Seit dem Ersten Weltkrieg intensivierten die Kaiser-Wilhelm-Institute ihre Rüstungsforschung. Neue, industrienahe Institute der KWG wurden gegründet, darunter das KWI für Metallforschung. Die Strategie der Reichswehr, kriegswirtschaftliche und waffentechnologische Unterlegenheit mit Hilfe technowissenschaftlicher Forschung zu kompensieren, setzte dafür auch nach 1933 die Maßstäbe.Das Beispiel der Metallforschung zeigt, dass der polykratische Charakter des NS-Herrschaftssystems die Produktivität der Rüstungsforschung nicht behinderte. Deren Organisation knüpfte an die bewährten Formen technisch-wissenschaftlicher Gemeinschaftsforschung an: Zusätzliche interinstitutionelle Lenkungsgremien beschleunigten den Problem- und Wissenstransfer zwischen Militär, Industrie und Forschung. Der »Erfolg« der NS-Rüstungsforschung gründete sich auf das Selbstverantwortungsprinzip der Wissenschaft, das abseits der Machtzentren von den führenden Exponenten der Fachdisziplinen, der sogenannten Mittelinstanz, umgesetzt wurde. Das Engagement der Forscher und die Tatsache, daß ihre Produkte später in der Rüstungstechnologie des Kalten Krieges Verwendung fanden, unterstreichen, daß die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft einen elementaren Bestandteil des NS-Kriegs- und Vernichtungsapparates bildete.
Autorenporträt
Helmut Maier, geb. 1957, ist Professor für Technik- und Umweltgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum, zwischen 1999 und 2004 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des MPG-Forschungsprogramms »Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2008

Die Vergangenheitsversenker
Deutsche Rüstungsforscher stellten ihr Können in den Dienst der Endsiegfanatiker

Im ersten Nachkriegs-Brockhaus findet sich kein Hinweis auf Rüstungsforschung. Sie war und ist in Deutschland eine tabuisierte Wissenschaft, nicht nur aus Gründen der Geheimhaltung. An der Rüstungsforschung haftet mit geschichtlicher Langzeitwirkung das Odium, mitverantwortlich für den erstmaligen Einsatz von Massenvernichtungswaffen im Ersten Weltkrieg und Handlanger der Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg gewesen zu sein und mit der Atombombe (Hiroshima, Nagasaki) die Möglichkeit zur Tötung von Millionen in Sekundenschnelle geschaffen zu haben. Der Flugzeugkonstrukteur Alexander M. Lippisch bezeichnet Rüstungsforschung als die Wissenschaft "von der Herstellung von Mordwerkzeugen". Die Disziplin nimmt am öffentlichen Wissenschaftsdiskurs nicht teil, steht immer noch unter politischem und gesellschaftlichem Vorbehalt, leidet unter professioneller Verunsicherung. Das erklärt ihr Bemühen, Grundgesetzkonformität nachzuweisen. Ein Göttinger Seminar über "Rüstungsforschung und Ingenieurethik" stand unter moralischem Fragezeichen. Weil dem so ist, sah sich die 1948 auf Druck der Amerikaner als Nachfolgeorganisation der 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) etablierte Max-Planck-Gesellschaft bemüßigt, die Geschichte der Rüstungsforschung ihrer Vorgängerinstitution, in die diese tief verstrickt war, aufarbeiten zu lassen.

Der Doppelband konzentriert sich auf die Untersuchung des metallurgischen Rüstungskomplexes, beschränkt sich aber nicht auf eine Entwicklungsgeschichte rüstungsbezogener Metallforschung. Sie verdeutlicht vielmehr beispielhaft das institutionelle und personelle Beziehungsgeflecht zwischen Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft auf dem Rüstungssektor. Die KWG fungierte als Dachorganisation zahlreicher heterogener Stiftungen und Institute, unter anderem für Kriegstechnische Wissenschaft, Anthropologie und Biologie, Chemie, Eisen-, Hirn-, Züchtungs-, Strömungs- und auch Metallforschung. Repräsentiert wurde sie von einer elitären Creme aus Staatsadministration, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Präsidentenfolge von den Gelehrten Adolf von Harnack über Max Planck zu den Industriellen Carl Bosch (1937-1940) und Albert Vögler (1941-1945) personifiziert die Einbuße an wissenschaftlichem Ethos zugunsten rüstungsökonomischen Bezugs.

Der Autor führt vor Augen, dass Rüstungsforschung von Wilhelm II. zu Hitler immer unter dem Spannungsbogen des Anspruchs auf Freiheit der Wissenschaft einerseits und der Erwartung praktischer Nutzanwendung andererseits stand. Aus Sicht der Machthaber erwies sich die Entwicklung der Rüstungsforschung als eine "Erfolgsgeschichte". Dem Kaiserreich wäre, von den Weltmeeren und -märkten nahezu abgeschnitten, bereits 1915 wegen mangelnder Rohstoffzufuhren wirtschaftlich und damit militärisch die Luft ausgegangen, hätten da nicht die Rüstungsforscher schon damals durch Entwicklung von Kunst- und Ersatzstoffen eine - aussichtslose - Prolongierung des Krieges ermöglicht.

Rund 25 Jahre später gleichen sich die Bilder: Ungeachtet vorausgegangener Autarkiepolitik, an die deutsche Kette gelegter Rohstoff- und Agrarüberschussländer erwies sich die ökonomische Decke mit dem Scheitern des Blitzkriegs gegen die Sowjetunion für das Durchstehen eines langen militärischen Konfliktes als zu kurz. Wäre da nicht die Rüstungsforschung gewesen, die, propagandistisch überhöht, ihr Können in den Dienst der Endsiegfanatiker gestellt hätte. Natürlich lassen sich Tigerpanzer, Buna und Hydrierverfahren unter wissenschaftlich-technische Errungenschaften verbuchen. In schier aussichtsloser militärischer Position knüpften sich an die Raketentechnik der V1 und V2 verzweifelte Hoffnungen an noch wirksamere, die Kriegswende bewirkende Wunderwaffen. Durch die bakelitgefassten Volksempfänger propagiert, mit Kunsthonig versüßt, erschien die Lage womöglich doch nicht aussichtslos - oder?

Maier geht es zentral um das Selbstverständnis der Rüstungsforschung. Schon während des Ersten Weltkrieges bangten rüstungsinvolvierte Gelehrte um ihr wissenschaftliches Renommee. Doch der patriotische Ruf des Vaterlandes übertönte die leise Stimme des inneren Selbstzweifels. Die verbrecherische Dimension des Zweiten Weltkrieges musste das wissenschaftliche Selbstwertgefühl der institutionalisierten Rüstungsforscher besonders berühren. Sie litten, wie die Studie zeigt, unter der Zerreißprobe des Wunsches nach Publikation ihrer wissenschaftlich-technologischen Ergebnisse und dem Zwang zur militärisch begründeten Geheimhaltung. Noch 1942 bekundete ein Kriegsbericht der KWG dieses Dilemma, wenn er auf die Grundlagenforschung als Voraussetzung und Ziel der Arbeit abhebt, "abgesehen natürlich von dem konkreten Einsatz im Kriege". Maier versteht seine Studie als einen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte, wodurch sich relevante Fragen aufdrängen: nach dem Verhältnis der Wissenschaft zum nationalsozialistischen Regime, nach der Beweiskräftigkeit der These von dessen Wissenschaftsfeindlichkeit, hier zumindest im Bereich von Naturwissenschaft und Technologie.

Seine sehr personenbezogene Darstellung beteiligt sich am modernen Geschichtsdiskurs über gesellschaftliche und politische Verantwortung des Wissenschaftlers vor allem im "Dritten Reich", dem die Historiographie rund 50 Jahre ausgewichen ist und von dem die Öffentlichkeit nicht behelligt werden wollte. Dem distanzierten, von subjektiver Betroffenheitsmentalität bestimmten deutschen Nachkriegsumgang mit der NS-Vergangenheit verdankte ein Gutteil der Rüstungsforscher sein berufliches Überleben. Der argumentative Rückzug auf lediglich getätigte Grundlagenforschung diente erfolgreich zur "Vergangenheitsversenkung". In diesem Konnex endet das Buch mit einem besonders spannenden Kapitel über den Prozess persönlicher Selbstentschuldung, über die Doppelmoral, in unserem Falle der französischen und amerikanischen Besatzungsmächte, die im militärischen Interesse ihren speziellen Frieden mit deutschen Rüstungsforschern schlossen.

Doch während französischen Werbern bei demonstrativ bekundeter Vergangenheitsvergesslichkeit, gepaart mit Druck, als deutschem "Erbfeind" wenig oder gar keine Gegenliebe beschieden war, stand den Amerikanern ihr eigenes formaljuristisches Kriterium für eine Kooperation, zu ihrem Bedauern, hinderlich im Wege: nämlich der positive Verlauf des Entnazifizierungsverfahrens. Doch da hatte man die Findigkeit der Erfinder bei der politischen Selbstentschuldung gehörig unterschätzt, denen es in der Regel gelang, insbesondere parteipolitisches Engagement und entsprechende Überzeugung zu verwischen, während der wissenschaftliche Einsatz für das Vaterland im Krieg nicht als politische Sünde kategorisiert wurde.

Maier demonstriert auch den Umgang mit belastenden Fotos: Als 1935 Max Planck als Präsidenten anlässlich der feierlichen Übergabe des Neubaus des KW-Instituts der Ehrenbecher überreicht wurde, hatte sich der langjährige Spitzenrepräsentant der KWG, Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, in Uniform eines SA-Gruppenführers ins Bild geschoben, das bis 1960 bei der Max-Planck-Gesellschaft in retuschierter Form ohne braune Befleckung publizistische Verwendung fand. Maier hat in diesem Zusammenhang ein wichtiges Ergebnis seiner Arbeit selbst formuliert. Das Zitat spricht für sich: Dass gerade "Nicht-Nazis durch ihre Rüstungsforschung den Krieg verlängerten, ist die eigentliche bedrückende Erkenntnis der historischen Analyse". Die Arbeit trägt wesentlich zu Wissen und Verständnis um das Verhältnis von NS-Staat zu Wissenschaft und Technologie bei.

HANS-ERICH VOLKMANN

Helmut Maier: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900-1945/48. Zwei Bände. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 1235 S., 75,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erhellend scheint Rezensent Hans-Erich Volkmann dieses zweibändige Werk über die Geschichte der deutschen Rüstungsforschung von 1900 bis 1945, das Helmut Maier vorgelegt hat. Er bescheinigt dem Autor nicht nur das Beziehungsgeflecht zwischen Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft auf dem Rüstungssektor herauszuarbeiten, sondern auch das Selbstverständnis der Rüstungsforscher zu verdeutlichen. Zudem zeigt Maier seines Erachtens überzeugend die Spannung zwischen Anspruch der Forscher auf Freiheit der Wissenschaften einerseits und die Erwartung praktischer Anwendungen andererseits. Volkmann hebt hervor, dass der Autor auch die gesellschaftliche und politische Verantwortung des Wissenschaftlers vor allem im "Dritten Reich" thematisiert. Insgesamt schätzt er Maiers Studie als eine Arbeit, die viel zum besseren Verständnis des Verhältnisses von NS-Staat und Wissenschaften beiträgt.

© Perlentaucher Medien GmbH