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Manfred Peter Hein zum 75. Geburtstag: Drei Zyklen mit insgesamt 100 neue Gedichten aus den letzten fünf Jahren.Manfred Peter Heins Gedichte sind hochkonzentrierte Poesie, wie gehärtet für eine endgültige Form, die alles Ornamentale hinter sich gelassen hat. Der Autor, der seit langem abseits des Betriebsamen im Nordosten Europas lebt, schreibt Naturgedichte von einer Intensität wie kaum jemand sonst heute in deutscher Sprache. Er ist auch ein großer Reisender, der fremde Landschaften und Verhältnisse in sich aufnimmt und in sein Gedicht gültig einwebt, in Ramallah, Jerusalem und am Hindukusch…mehr

Produktbeschreibung
Manfred Peter Hein zum 75. Geburtstag: Drei Zyklen mit insgesamt 100 neue Gedichten aus den letzten fünf Jahren.Manfred Peter Heins Gedichte sind hochkonzentrierte Poesie, wie gehärtet für eine endgültige Form, die alles Ornamentale hinter sich gelassen hat. Der Autor, der seit langem abseits des Betriebsamen im Nordosten Europas lebt, schreibt Naturgedichte von einer Intensität wie kaum jemand sonst heute in deutscher Sprache. Er ist auch ein großer Reisender, der fremde Landschaften und Verhältnisse in sich aufnimmt und in sein Gedicht gültig einwebt, in Ramallah, Jerusalem und am Hindukusch die »Botschaft des Irrwegs« zu entziffern sucht. Jenseits der Ideologien bringt er die Chiffren Srebrenica, Lidice, Katyn, Birkenau in einem Vers zusammen als Orte, auf die sich sein Erinnern und sein lyrisches Sprechen bezieht, immer wieder beziehen muß. DANN SIND NAMEN GEFALLENwie der Ahorn rotgelb BlätterHände fallen läßt wahllosSrebrenica Lidice Katyn BirkenauNamen Blätter Hände wehrlosAbklatsch auf Asphaltaufzufangen wievor Ort wo ich geh -in Sprache Sprachedie uns trennt trennthier zum Endewelcher Zeit -
Autorenporträt
Manfred Peter Hein wurde 1931 in Darkehmen/Ostpreußen geboren, studierte Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Finnougristik in Marburg, München, Helsinki und Göttingen und lebt seit den fünfziger Jahren in Finnland. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände, Prosa und Essays. Außerdem ist er als Übersetzer und Herausgeber tätig. Für seine Gedichte und Übersetzungen wurde er mit renommierten deutschen und internationalen Literaturpreisen geehrt, zuletzt 2006 mit dem Rainer-Malkowski-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2006

Genauer als die Tagesschau
Magier des Nordens: Manfred Peter Hein zieht lyrische Bilanz

Dichter sind Schamanen, und ein deutscher Dichter, der in Finnland lebt, ist erst recht einer, denn Finnland ist das letzte Land Europas, in dem es noch leibhaftige Schamanen gibt: Nachfahren jener Jäger und Sammler, die am Ende der letzten Eiszeit, den Tierherden folgend, Eurasien durchstreiften und vom Amur bis zur Dordogne Höhlenbilder hinterließen, aus denen längst ausgestorbene Wollnashörner und Mammuts den Betrachter anblicken, lebensechter als jede Fotografie: "Am Eingang zur Höhle Dunkelkammer / die hinterm Augenlid / sich schließt / vor dem Bärengewände der Ahnengruft" lautet eine charakteristische, Bilanz ziehende Verszeile von Manfred Peter Hein.

Das Wort "Exil" wäre zu hoch gegriffen für die Übersiedlung nach Helsinki, wo Hein sich vor fast fünfzig Jahren niederließ. Eher handelte es sich um eine Rückkehr zu den Ursprüngen, denn Manfred Peter Hein stammt aus Ostpreußen, und ähnlich wie bei Johannes Bobrowski hat die wechselvolle Geschichte der Region untilgbare Spuren hinterlassen in seinem Werk - von der mythischen Urzeit bis zu den Judenpogromen der Nationalsozialisten. "Ich kam zu spät", heißt es in einem Gedicht mit dem programmatischen Titel "KAUNAS 1941", "stöbre am Weg nach Namen von Schatten / die Kazys Binkis / der Dichter der vier Winde / im Ahornblätterfall des Kauener Schreckens / Herbsts der Gelben Sterne / schwinden sah / Neunzehnhunderteinundvierzig während mein Vater Quartier bezieht / im judenfreien Haus." Nicht nur Bobrowski ist als Mentor präsent, auch der im schwedischen Exil verstorbenen Dichterin Nelly Sachs fühlt der Autor sich wahlverwandt und erweist ihr Respekt mit einem knappen, aber vielsagenden Epitaph: "IN MEMORIAM NELLY SACHS // So spät kehrt Trauer ein in dein / Wort vom Stein mit der gehenden / Farbe von Hand zu Hand AMETHYST / Aufbewahrt dir zu Ehren / in Stockholms Kungliga Bibliothek."

Das Baltikum hat als geistiger und geographischer Raum Heins Werk bis in die Verästelungen hinein geprägt, und auch seine verdienstvolle Tätigkeit als Übersetzer und Herausgeber kreist um diese Region. Trotzdem ist Hein kein Heimatdichter - weder naiv-affirmativ noch dezidiert kritisch -, aber auch kein Kosmopolit wie Hans Magnus Enzensberger. Der von ideologischen Verheißungen und Verhängnissen verheerte Nordosten Europas ist der Archimedische Punkt, von dem aus er andere Weltgegenden in Augenschein nimmt, ohne deren Krisen und Konflikte vorschnell auf eine einzige Ursache zu reduzieren: "DANN SIND NAMEN GEFALLEN / wie der Ahorn rotgelb Blätter / Hände fallen läßt wahllos / Srebrenica Lidice Katyn Birkenau / Namen Blätter Hände wehrlos / Abklatsch auf Asphalt / aufzufangen wie / vor Ort wo ich geh - / in Sprache Sprache / die uns trennt trennt / hier zum Ende / welcher Zeit -".

Nicht die willkürliche Laune des Subjekts fügt disparate Erscheinungen zusammen; es geht um den objektiven Geschichtsprozeß - früher sagte man "Zeitläufte" -, der das Individuum mit Panzerketten überrollt und wie auf einer aufgeschlagenen Buchseite seinen Abdruck im Asphalt hinterläßt. Daß der distanzierte Blick auf die Gegenwart weder abstrakte Abgehobenheit noch Verzicht auf politische Aktualität bedeutet, zeigt das folgende Gedicht, das die kriegerische Zuspitzung des Nahost-Konflikts genauer nachvollzieht als das Heute-Journal oder die Tagesschau: "PALÄSTINA, MAI 2005 / Engel mein Flugbegleiter / unterm gespaltenen Wolkenaug / wo bringst du mich hin / von Checkpoint zu Checkpoint / Betonzäunen längs / wie soll zu Mut mir sein / vor MPiläufen Zeigefingern / auf Sandsäcken im Anschlag / sich dran zu verbeißen / hier am Aufriß des Lichts in Obhut / von Schmauchspurdetektoren wie / komm ich dir vor."

Mit Tiefenschärfe und sprachlicher Präzision stellt Hein manch hochgelobte Lyriker in den Schatten, deren Werk, bei Licht betrachtet, keine Dichtung, sondern Kabarett ist - was man von diesem an der Peripherie des deutschen Literaturbetriebs, in der Stille wirkenden Autor ganz gewiß nicht sagen kann.

HANS CHRISTOPH BUCH

Manfred Peter Hein: "Aufriß des Lichts". Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 134 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Manfred Peter Hein habe eine eigene Sprache entwickelt, um so etwas wie die "andere Seite" der Welt zu erfassen, von der wir nur eine "dunkle Ahnung" hätten. Rezensent Nico Bleutge verweist auf harte Wortfügungen wie "Schrindzone" oder "Steinhaufengrab", aber auch auf eine Vieldeutigkeit bis in die Silben. Als ob Manfred Peter Hein geradezu "silbisch" denke. So führe etwa der Blick durch "Trümmerfelder" in den Slums von Ankara, dann durch Afghanistan, um schließlich nach innen gewendet das Gedächtnis solcher Bilder zu befragen, auch mit Hilfe von mythologischen Verknüpfungen. Die Schroffheit und Unbedingtheit von Manfred Peter Heins Lyrik lässt den Rezensenten an dessen Wohnort in Finnland denken, und eine Natur, die vielleicht Voraussetzung einer solchen Lyrik sei. Aber auch das "Pathos" des Dichters habe heutzutage Seltenheitswert, obwohl der "Stil" dieser Gedichte auf eine gut bekannte Traditionslinie von Johannes Bobrowski über Peter Huchel bis zu Nelly Sachs rekurriere. Ein ganz eigener Vergleich des Rezensenten markiert schließlich seine Bewunderung dieser Lyrik, wie die "Katze Erinnerung" bei Uwe Johnson, so seien Manfred Peter Heins Gedichte "hellsichtig" und "dunkel", "hart" und "geschmeidig".

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