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Roberta Ostertag ist über vierzig, eigentlich schon eher Mitte Vierzig. Auf die Gründung einer Familie hat sie verzichtet zugunsten ihrer Arbeit als Journalistin. Außerdem fehlt ihr dazu der Mann. Roberta ist Redakteurin bei den Saarbrücker Neuesten Nachrichten, ihre Interviews mit der lokalen Politprominenz werden als Aufmacher gedruckt. Doch Robertas Leidenschaft liegt anderswo: Mit hundert Frauen hat sie über die Dinge gesprochen, die jede von ihnen normalerweise verschweigt. Diese Erkundungen weiblicher Tabuzonen sind gerade als Buch erschienen. Da äußert ein Boulevardblatt den bösen…mehr

Produktbeschreibung
Roberta Ostertag ist über vierzig, eigentlich schon eher Mitte Vierzig. Auf die Gründung einer Familie hat sie verzichtet zugunsten ihrer Arbeit als Journalistin. Außerdem fehlt ihr dazu der Mann. Roberta ist Redakteurin bei den Saarbrücker Neuesten Nachrichten, ihre Interviews mit der lokalen Politprominenz werden als Aufmacher gedruckt. Doch Robertas Leidenschaft liegt anderswo: Mit hundert Frauen hat sie über die Dinge gesprochen, die jede von ihnen normalerweise verschweigt. Diese Erkundungen weiblicher Tabuzonen sind gerade als Buch erschienen.
Da äußert ein Boulevardblatt den bösen Verdacht, hinter einer der Befragten verberge sich Roberta selbst und so wird ihr ein Verhältnis zu Adrian Schwartz angehängt, dem Staatssekretär im Bildungsministerium. Obwohl sie ihn kaum kennt, trifft sie Schwartz, um eine gemeinsame Strategie gegen die Unterstellung zu verabreden.
Autorenporträt
Martina Zöllner studierte Germanistik und Anglistik in Berlin und arbeitete als freie Journalistin. Seit 1993 ist sie Redakteurin beim Fernsehen. Buchveröffentlichung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2010

Die verlorene Ehre der Roberta O.

Tratsch schlägt Kultur, Boulevard das Feuilleton, Bauchgefühl den Geist der Vernunft: Martina Zöllner hat ihre Medienschelte "Hundert Frauen" als Liebesroman getarnt.

Ihr Debütroman "Bleibtreu" war vor sechs Jahren ein gefundenes Fressen für die Klatschspalten des deutschen Feuilletons. Martina Zöllner, Fernsehredakteurin beim SWR, hatte darin über eine heimliche Liebe zwischen einer Fernsehjournalistin und einem dreißig Jahre älteren Philosophen geschrieben, in der manche Kritiker eine autobiographische Affäre der Autorin mit Martin Walser zu erkennen glaubten. Der Roman wurde zum Schlüsselroman, zum spekulativen "Gesellschaftsspiel der Biller-Bohlen-Saison", wie die Debütantin in einem Interview bitter feststellte. Bei dem ganzen Gerede, ob, wie und wann Zöllner vielleicht wirklich etwas mit Walser angefangen haben könnte, ging die Diskussion darüber, wie ihr erster Roman geschrieben war, ziemlich unter.

Die Autorin war über die intime Hetzjagd verständlicherweise geschockt. Ihren neuen, zweiten Roman "Hundert Frauen" kann man nun durchaus als Antwort auf die Ereignisse von damals lesen. Denn auch hier spielt wohl nicht ganz zufällig ein literarischer "Sexskandal" die Hauptrolle, in den die Ich-Erzählerin Roberta Ostertag unfreiwillig gerät. Wie ihre Schöpferin und schon "Bleibtreu"-Vorgängerin Antonia Armbruster ist auch Roberta eine Journalistin mit Schreibambitionen, diesmal allerdings nicht aus dem Kulturressort des Fernsehens, sondern aus den provinziellen Niederungen der Lokalpolitik.

Roberta arbeitet als landespolitische Berichterstatterin bei der frei erfundenen Regionalzeitung "Saarbrücker Neueste Nachrichten". Ein prosaischer Job, bei dem sie über langatmige Sitzungen und meist unprominente Hinterbänkler berichten muss. Da die Singlefrau außerdem mit Mitte vierzig "auf ein eigenes Kind verzichtet hatte fürs unterbezahlte Rotieren als Betriebsamkeitsrädchen eines Provinzblattes", verspürt Roberta regelmäßig ein "wehmütiges Ziehen", welches sich auch nicht dadurch lindern lässt, dass sie sich als Aushilfs-Mama mit der alleinerziehenden Zeitungskollegin Luisa den kleinen Jonathan teilt. Roberta möchte mehr: "Wenn schon kein Kind, dann ein Buch." Und so veröffentlicht sie ein "Enthüllungsbuch", im doppelten Wortsinn.

Roberta bringt eine Interviewsammlung heraus, in der hundert Frauen anonym über Sex reden und dabei nicht wirklich überraschend enttarnen, dass es trotz Emanzipation mit der Befreiung des weiblichen Eros noch immer nicht weit her ist. "In jeder Nachmittagstalkshow wird über Intimstes geredet", fasst die Heldin die Botschaft ihrer Frauengespräche zusammen, "aber eine wirkliche Sprache für alles, was wir körperlich erleben, gibt es doch nicht." Ob das angesichts eines Comebacks traditioneller Rollenmodelle tatsächlich eine originelle Erkenntnis ist, sei einmal dahingestellt. Denn zum eigentlichen Skandal in Zöllners Roman wird die Tatsache, dass kaum ein Journalist mit Roberta über ihr Buch reden will. Stattdessen möchten selbst Reporter vom "Spiegel" und der eigenen Zeitung mit ihr nur über die angebliche Liebesaffäre mit dem verheirateten Bildungs-Staatssekretär Adrian Schwartz sprechen, die der Redakteurin schon bald angehängt wird.

Tratsch schlägt Kultur, Boulevard das Feuilleton und Bauchgefühl den Geist der Vernunft. Immerhin ist Robertas Verleger begeistert. Schließlich steigert nichts so sehr die Verkaufsquote wie Herzensdramen, Häme und Gerüchte. Oder, wie es eine interviewte Autorin in "Hundert Frauen" auf den Punkt bringt: "Die Art und Weise, wie wir alle die Bücher unter die Leute bringen wollen, macht die Bücher kaputt."

Wenn Medienmenschen über Medienmenschen schreiben, werden daraus schnell Abrechnungen mit der eigenen Branche. Das bezeugt die boomende Schandmaulliteratur, in der Journalisten und Fernsehstars oft bis zur peinlichen Selbstentblößung indiskret über Kollegen herziehen. Zöllners Medienschelte muss man da zugutehalten, dass es ihr nicht um persönliche Rachsucht geht, sondern um die Hinterfragung heutiger Kulturvermittlung an sich, die unter den Stichworten "Emotionalisierung" und "Boulevardisierung" Einzug in die Redaktionen gehalten hat. Leider aber krankt Robertas exemplarische Geschichte an Geschwätzigkeit bei gleichzeitig zu wenig struktureller Verdichtung. Das ist alles ein bisschen zu viel, zu viele Personen, zu viele merkwürdige Zufälle: Die Ehefrau von Staatssekretär Schwartz ist zufällig mit Robertas Jugendfreundin befreundet; die einzige Frau, die Roberta entlasten könnte, nimmt sich unmittelbar vor der entscheidenden Aussprache das Leben. Und nicht nur der Feuilletonkollege, sondern auch ihr Chefredakteur ist in den Skandal verstrickt. Vor allem aber häufen sich hier zu viele knallige Themen. Die arme Roberta steckt nämlich nicht nur wie schon Heinrich Bölls Katharina Blum im Dilemma, als öffentlich stigmatisiertes Luder nur noch falsch reagieren zu können. Sie schlägt sich auch mit einem Amoklauf, mit einer Selbstverbrennung, mit unverständigen Eltern aus dem Arbeitermilieu (samt saarländischem Kleine-Leute-Dialekt), mit dem Romanprojekt ihrer Freundin Luisa, mit einem vereinsamten Nachbarn und dem Wertewandel des Journalismus im Internetzeitalter herum. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich tatsächlich in den zunächst nur angedichteten Liebhaber Schwartz verliebt. Das mag der quirlige Alltag einer rasenden Reporterin sein. Doch so viele, lediglich angerissene Nebendramen lenken unnötig von der eigentlichen Identitätskrise der Journalistin ab, die erstmals beginnt, ernsthaft an dem zwar plappernden, aber offensichtlich nicht immer zur Kommunikation fähigen Kommunikationsbetrieb zu zweifeln.

Das ist schade, denn es gibt durchaus treffend beschriebene Szenen aus dem Kulturbetrieb. Etwa, wenn Roberta einmal die Lesung einer anderen "Skandalautorin" besucht, die mit einer drastischen Sex-Beichte einen Bestseller geschrieben hat, und eine Zuhörerin hinterher fragt, ob das Vorgetragene denn "selbst erlebt" sei. Die Moderatorin wiegelt zunächst mit Gadamers hermeneutischer Grundregel ab, wonach der küchenpsychologische Rückschluss auf die Verfasserbiographie nie der Vielschichtigkeit eines Textes gerecht werden kann. Die Autorin aber fällt der Moderatorin ins Wort und bekennt: "Die Medien sind süchtig nach Personalisierung. Und wir, die Autoren, bedienen diese Sucht ... Es ist falsch, dass ich hier sitze. Ich sitze hier, weil ich schwach bin." Mehr Sätze sind nicht nötig, um die benannte, aber verdrängte Problematik aufzuzeigen, warum es in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie so schwierig ist, ernsthaft öffentlich über Literatur zu sprechen.

GISA FUNCK

Martina Zöllner: "Hundert Frauen". Roman. DuMont Verlag, Köln 2009. 367 S., geb., 19,95 [Euro].

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"Die Autorin verfügt über eine bemerkenswerte Fähigkeit, Alltagssituationen lebendig werde zu lassen. (...) Geschrieben mit einer Elegenz, die gewöhnlich nur in angelsächsischen Romanen zu finden ist." -- SPIEGEL

"´Hundert Frauen´ streift Midlife-Crisis und (unerfüllten) Kinderwunsch, Liebesdrama und Emazipation - viel drin, gut aufpassen. MAIN ECHO Ein raffiniert konstruiertes Vexierspiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Ein kluger und witziger Roman über die Irrungen der Liebe und die Hinterhältigkeiten des Medienbetriebs." -- MYSELF

"Klug, pointiert und selbstironisch." -- Wetzlarer Neue Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ganz überzeugt ist Rezensent Rainer Moritz nicht von diesem Roman, in dem Martina Zöllner seinem Urteil zufolge in die Falle läuft, die sie selbst gebaut hat. Sie erzählt von einer saarländischen Fernsehjournalistin, die ein Buch über Frauen herausgibt und der unterstellt wird, selbst eine der porträtierten Frauen zu sein, nämlich jene, die ein Verhältnis mit einem Staatssekretär hat. Das sorgt in der Provinz offenbar für großen Wirbel, weswegen sich die Journalistin mit dem Staatssekretär zusammentut - und eine Affäre mit ihm eingeht. Moritz sieht hier vor allem Zöllner Erfahrungen verarbeitet, der nach ihrem Debütroman ebenfalls nachgesagt wurde, ein Verhältnis mit einem Prominenten - allerdings aus dem Literaturbetrieb - zu haben. Allerdings beißt sich für Moritz die Katze in den Schwanz, wenn Zöllner nach all der - nicht sehr tiefgehenden - Medienkritik auch noch jugendliche Amokläufe ins Spiel bringt - und damit dem gleichen Aktualitätsdruck nachgebe, den sie Zeitungen vorwerfe.

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