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"Geschäfts- oder Vergnügungsreise?", fragte die Angestellte der US-Einwanderungsbehörde. "Weder noch, ich bin hier, um die Leiche meines Vaters abzuholen." "Schlechte Neuigkeiten" ist der zweite Bericht aus dem Leben des Patrick Melrose. Der mittlerweile 21-Jährige fliegt mit sehr gemischten Gefühlen nach New York, um die Asche seines Vaters zu überführen. Als er schließlich dessen sterbliche Überreste in einer braunen Papiertüte die Madison Avenue entlang trägt, fällt ihm auf, dass dies die angenehmsten zehn Minuten sind, die er je in Gesellschaft seines Vaters verbracht hat. Aber wie…mehr

Produktbeschreibung
"Geschäfts- oder Vergnügungsreise?", fragte die Angestellte der US-Einwanderungsbehörde. "Weder noch, ich bin hier, um die Leiche meines Vaters abzuholen."
"Schlechte Neuigkeiten" ist der zweite Bericht aus dem Leben des Patrick Melrose. Der mittlerweile 21-Jährige fliegt mit sehr gemischten Gefühlen nach New York, um die Asche seines Vaters zu überführen. Als er schließlich dessen sterbliche Überreste in einer braunen Papiertüte die Madison Avenue entlang trägt, fällt ihm auf, dass dies die angenehmsten zehn Minuten sind, die er je in Gesellschaft seines Vaters verbracht hat. Aber wie triumphiert man über einen Toten? Und dann ist da noch das Versorgungsproblem: Eigentlich wollte Junkie Patrick das Ableben seines Vaters damit begehen, dass er den Selbstmord auf Raten aussetzt und clean wird. Aber so leicht wird man liebgewordene schlechte Angewohnheiten nicht los, und Patricks Tage in New York geraten zu einem wahren Höllentrip.
Autorenporträt
Edward St Aubyn, geb. 1960, wuchs in England und Südfrankreich auf und studierte in Oxford.Frank Wegner, geboren 1971, Studium der Literatur und Philosophie in Freiburg, Paris und Cambridge, Verlagslektor und Fotograf
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2008

Monster zeugen Monster

Wenn ich das überlebt habe, kann ich alles überstehen - für eine Erziehung ist das nicht die richtige Devise. Edward St. Aubyns Roman zeigt, wohin sie führt.

Britische Schriftsteller und ihre Leser lieben den smarten, aber wild zur Selbstzerstörung entschlossenen Snob. Denn wer ist schon irritierender und zugleich anrührender als jemand, der quasi im Schlenkergestus alle besten Chancen vergibt? Der Charme des schlampigen Genies umweht auch Patrick Melrose, den autobiographisch angelegten Haupthelden aus Edward St. Aubyns Roman "Schlechte Neuigkeiten". Allerdings ist es bei Patrick weniger nihilistische Pose als der Fluch einer traumatischen Kindheit, der ihn zielstrebig auf sein eigenes Desaster zusteuern lässt. Wuchs der zweiundzwanzigjährige Sprössling einer altenglischen Adelsfamilie doch, wie man aus St. Aubyns Vorgängerroman "Schöne Verhältnisse" (im Original "Never mind") weiß, mit zwei Monstern statt mit zwei Eltern auf. Während seine Mutter Eleanor ihre Eheprobleme mit Tabletten und Alkohol betäubte, betätigte sich Patricks Vater David, ein Arzt und gescheiterter Pianist, am liebsten als Sadist, der nicht nur seine Frau und Freunde gern öffentlich demütigte, sondern auch nicht davor zurückschreckte, seinen fünfjährigen Sohn zu vergewaltigen. Schließlich vertrat David, der einst selbst vom eigenen Vater gebrochen wurde, die Devise: "Von seiner Erziehung sollte ein Kind später sagen können: Wenn ich das überlebt habe, kann ich alles überstehen."

Monster zeugen Monster. Und so ist das Leben des herangewachsenen Patrick auch im zweiten Band von St. Aubyns Familien-Saga immer noch vom grausamen Vater überschattet, obwohl dieser inzwischen gestorben ist, wie der Sohn gleich zu Anfang des neuen Romans am Telefon erfährt. Schon in dieser allerersten Szene deutet sich an, dass mit Davids Tod dessen Schreckensherrschaft noch lange nicht vorbei ist. Die "schlechten Nachrichten" der bevorstehenden Bestattung nimmt Patrick nämlich bereits mit einer Heroinspritze in der Hand entgegen. Was folgt, ist eine zweitägige Reise nach New York, wo der Sohn letzte Formalitäten regeln muss und zunehmend im Strudel seiner Sucht und seines Selbsthasses versinkt.

War "Schöne Verhältnisse" noch vorrangig die Schilderung einer Ehehölle, so ist der Nachfolger (im Original "Some Hope") nun die Chronik einer wütenden Verelendung, bei der man als Leser Einblicke in die New Yorker Drogenszene der frühen achtziger Jahre erhält, bevor diese im Zuge von Giulianis Politik aus Manhattan verschwand. Bei seiner Ankunft im Hotel nimmt sich Patrick zwar noch vor, endlich mit dem Heroin Schluss zu machen: "Das Problem war, dass er den Stoff wollte, wie man aus einem Rollstuhl heraus will, wenn das Zimmer brennt." Entsprechend schnell ist klar, dass "Schlechte Neuigkeiten" ebenso wie sein Vorgänger ein Anti-Entwicklungsroman ist, samt einer Erziehung zur seelischen Abstumpfung, dank deren Patrick nicht nur immer riskantere Dosen an Heroin und Kokain zu sich nimmt, sondern auch immer weiter an den Wahnsinn heranrückt.

Es gibt viele Bonmots einer lakonischen Total-Entwertung in diesem Buch. Patrick betreibt, ganz Dandy bis zuletzt, seinen "irren Niedergang" mit Stil. Stets als Gentleman der Upper Class im Anzug gekleidet, trägt er in der Manteltasche Camus' "Mythos des Sisyphos" mit sich herum und ist nie um einen gelehrt fiesen Spruch verlegen, selbst wenn er röchelnd in einem abgewrackten Badezimmer liegt. Suizidale Verzweiflung mischt sich bei St. Aubyn mit britischem Standesdünkel. Und es ist weniger der rasante, aber auch relativ absehbare Handlungsverlauf dieser Junkie-Tour straight to hell, der seinen Roman faszinierend macht, als Patricks radikal defätistische Sicht.

Dabei vermag das Drogenwrack als gebildeter junger Mann aus besseren Kreisen vor allem Frauen durchaus zu beeindrucken, um sie danach jedoch umso genüsslicher zu beleidigen und zu schikanieren. Aus dem ehemaligen Opfer ist längst ein fast ebenso skrupelloses Scheusal wie sein Vater geworden. Das zeigt sich spätestens im Gegenschnitt mit anderen Erzählperspektiven, in denen ein paar von Patricks Frauenbekanntschaften zu Wort kommen, die kaum ein gutes Haar an ihm lassen. Sympathisch ist St. Aubyns vor sich hin räsonierender Zyniker also sicherlich nicht, der das Wort "Liebe" allenfalls in Bezug auf Heroin in den Mund nimmt.

Und doch liest man Patricks konsequente Absage an die Welt wie gebannt, weil sich sein Schöpfer hier einmal mehr als Ausnahme-Stilist und Meister der gehässigen Metapher erweist. Das sind dann Sätze wie: "So musste sich die Auster fühlen, wenn der Zitronensaft auf sie herabträufelt." Oder auch: "Essen war nur eine vorübergehende Lösung, aber waren nicht alle Lösungen vorübergehend, selbst der Tod?" Sarkastische Sätze, hinter deren treffend-bösem Witz oft bestürzend die nackte Verzweiflung anklingt, die Patrick eigentlich umtreibt.

Es bleibt nur zu hoffen, dass der britische Autor mit seinem zweiten auf Deutsch erschienenen Roman nun auch hierzulande endlich das Etikett der romantisch verkrachten Existenz abschütteln kann, die sich lediglich den Schmerz von der Seele schreibt. Denn, auch wenn St. Aubyns Melrose-Romane auf persönlichen Erlebnissen beruhen: Mit distanzlos-tränenseliger Bekenntnisliteratur haben sie nichts zu tun.

GISA FUNCK

Edward St. Aubyn: "Schlechte Neuigkeiten".

Roman. Aus dem Englischen übersetzt von

Frank Wegner. DuMont Verlag, Köln 2007. 223 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als Drogenbuch, das in "seiner unaufgeregten Präzision" durchaus kompatibel mit William S. Burroughs "Junkie" ist, beschreibt Rezensent Jens-Christian Rabe diesen Roman, Fortsetzung von Edward St. Aubyns autobiografisch gefärbtem Roman einer schrecklichen Kindheit im dysfunktionalen Milieu der britischen Hocharistokratie. Im Zentrum steht ein inzwischen zweiundzwanzigjähriger britischer Adelsspross, der sich mit Drogenexzessen vom Trauma zu befreien versucht, das ihm sein gewalttätiger wie zynischer Vater zugefügt hat. Die Geschichte liest sich Rabes Beschreibung zufolge süffig, besonders der kalte, distanzierte Stil, in dem die Exzesse beschrieben sind, machen einigen Eindruck auf ihn. Allerdings ist die Komposition des Buchs ihm manchmal ein wenig zu eindimensional und mit der schaurigen Komplexität des ersten Teils "Schöne Verhältnisse" nicht ganz zu vergleichen.

© Perlentaucher Medien GmbH