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  • Buch

Produktdetails
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • ISBN-13: 9783832171711
  • ISBN-10: 3832171711
  • Artikelnr.: 10485478
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Erinnerungen von Emil Nolde sind nun zum sechsten Mal bei Dumont aufgelegt worden und nur durch einige Farbtafeln ergänzt worden, weiß Rezensent Hansjakob Meier. Für die Neuauflage hat er nur eine kritische Anmerkung: Sie habe zwar schöne Schutzumschläge, auf den Buchdeckeln und Buchrücken seien jedoch weder Titel noch Bandzahl vermerkt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2003

Tausend Schwäne, tückischer Witz
Die Lebenserinnerungen von Emil Nolde in neuer Ausgabe
Tausend Schwäne schwimmen im kleinen Teich,
Ein Maler sitzt so still, so stumm und bleich,
Er malt die tausend Schwänelein,
In ein kleines Bild hinein,
Sind das nicht gar zu viele!
Solche aphoristischen Vierzeiler lagen Emil Nolde mehr als alle Theorie. Seine Erinnerungen geben den Eindruck, der Maler sei nicht nur ein in sich gekehrter, sondern auch schalkhafter Bauernschädel von urwüchsiger Durchhaltekraft gewesen. Nolde schreibt oft so vertrackt wie es wohl die verschlungenen Renaissanceornamente gewesen sein mögen, die er als Tischlerlehrling an langen Sonntagnachmittagen am Hochaltar der Flensburger Marienkirche abgezeichnet hat. Mit tückischem Witz baut er verquere Sätze: wie Kobolde verschwinden Worte plötzlich, um dort wieder aufzutauchen, wo man sie nicht vermutet. Menschen, Geschichte und Gesichter, Eindrücke von elenden Beginn der Jungvermählten Emil und Ada Nolde im armseligen Berliner Atelier zeichnet er dagegen in mitunter zu Manierismen neigender Schlichtheit; diese mag an Kinderreime gemahnen, streift allerdings manchmal das Sektiererische.
Eine oft stärker, oft schwächer, nie aber bitter empfundene Fremdheit den Orten seiner Wanderschaft gegenüber durchzieht seine Lebensschilderung: einsam, unerwartet enttäuschend und eigentümlich grau wurden die neun Monate in Paris und der Académie Julien in Montmartre (1899–1900). Auch seine sechs Jahre als Lehrer am Industrie- und Gewerbemuseum im schweizerischen St. Gallen (1892–1898) durchweht große Einsamkeit. Selbst in der innig geschilderten Kindheit und Jugend im Bauerndorf Nolde, zur Zeit des deutsch-dänischen Krieges, finden sich Äußerungen über die „Wüste der Selbstbesinnung” und der „menschlich kaum zu ertragenden Vereinsamung”.
Als nachgeborener und ungewöhnlich burlesker Romantiker entpuppt er sich in seiner tollkühnen Besteigung des Matterhorns und als Postkartenmaler von Bergbildern („Das Matterhorn lächelt”; „der Ortler träumt”). Einhunderttausend dieser Postkarten wurden in kürzester Zeit verkauft; am Münchner Karlstor wurden sie in einem Schaukasten ausgestellt. Nolde, der als Tischlergesell der Sauermannschen Möbelfabrik in Flensburg „tiefsinnige Eulen” für den Schreibtisch von Theodor Storm zu schnitzen hatte, muss viel geschwiegen haben in seinen Wanderjahren. Das Sprechen fremder Sprachen war ihm eine Pein. Nur als ihn ein Zeichenschüler in Paris tête de veau – Kalbskopf – schimpfte, verstand er das. Diese Köstlichkeit kannte Nolde von der Speisekarte.
Zum sechsten Mal, nur durch einige Farbtafeln bereichert, hat der DuMont Verlag nun die Erinnerungen von Emil Nolde aufgelegt. Einziger Schönheitsfehler der vierbändigen Ausgabe im Schuber: Der Verlag entwarf zwar schöne Schutzumschläge, versäumte es allerdings, auch Buchdeckel oder zumindest die Buchrücken dieser neuen Ausgabe mit Titeln und Bandangabe zu versehen.
HANS JAKOB MEIER
EMIL NOLDE: Erinnerungen, 4Bde. (Das eigene Leben 1867–1902; Jahre der Kämpfe 1902–1914; Welt und Heimat 1913–1918; Reisen, Ächtung, Befreiung 1919–1946). DuMont Verlag, Köln, 6. Auflage 2002, 75 Euro.
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