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Die Neue Frankfurter Schule - bestehend aus F.W. Bernstein, Bernd Eilert, Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter - feiert ihren 40. Geburtstag. Anlaß genug, die "schärfsten Kritiker der Elche", die produktivste Humorinstitution des Landes, erstmals mit einer Gruppenbiographie zu würdigen. Gratulation!

Produktbeschreibung
Die Neue Frankfurter Schule - bestehend aus F.W. Bernstein, Bernd Eilert, Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter - feiert ihren 40. Geburtstag. Anlaß genug, die "schärfsten Kritiker der Elche", die produktivste Humorinstitution des Landes, erstmals mit einer Gruppenbiographie zu würdigen. Gratulation!
Autorenporträt
Oliver Maria Schmitt, Jahrgang 1966, ist Romancier und Journalist. Für seine Reportagen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Henri-Nannen-Preis 2009.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2002

Das Gift der Meßbubengesichter
Oliver Maria Schmitt porträtiert die neue Frankfurter Schule

Dieses Buch ist für zwei Sorten von Menschen unentbehrlich. Erstens für die, die auch heute noch nicht wissen, was die neue Frankfurter Schule ist. Sie, die sich bisher ehrenvoll nur um ernste Dinge gekümmert haben, erfahren auf amüsante Art, was ihnen bisher gefehlt hat: ein ironischer, ein distanzierter, ein heiterer Blick auf ihre Welt. Und zweitens brauchen alle diejenigen dieses Buch, die schon längst Freundschaft geschlossen haben mit diesen Hochkomikern. Denn sie erfahren hier endlich einmal etwas von dem Zusammenhang, in dem ihre Weisheitslehrer gearbeitet haben und noch weiter schreiben. Dieses Buch ist also für alle unentbehrlich, ein wahres Volksbuch, wenn man so noch sagen dürfte. Der Verfasser stammt zwar aus Heilbronn, aber er versteht trotzdem etwas von der Sache. Er war einige Jahre Chefredakteur der deutschen Satirezeitschrift Titanic, in der es von Dichterfürsten und Klasse-Malern nur so wimmelt. Und schreiben kann er außerdem. Er hat uns ein Buch auf den Tisch gelegt, das so vergnüglich wie belehrend ist. Man kommt von dem Ding kaum los.

Zunächst bleibt der künftige Leser an den Bildern hängen. Sie sind eine wahre Freude, ohne daß daraus ein Pracht-Bildband entstanden wäre, wie reiche Menschen ihn zu Weihnachten bekommen. Nein, das ist ein schlankes, leichtes Panoptikum unserer heiteren Poeten und Denker. Jetzt sehen wir endlich einmal, wie Eckhard Henscheid als pummeliges Baby aussah und was Robert Gernhardt 1947 noch für ein liebes Kerlchen war. Ach, allerliebst waren sie, harmlos und zutraulich. Das Gift, das diese Meßbubengesichter später manchmal abgesondert haben, es kann nicht von ihnen stammen.

"Wir gerieten da so rein", schreibt Gernhardt, der eigentlich Lehrer werden wollte und zum Kunsterzieher der Nation aufstieg. Es ist ihnen angetan worden, ihnen wie uns allen. Sie haben es nur umgesetzt in Wort und Bild. So wurden sie die ruchlosen Gesellen, die Helmut Kohl zum ersten Mal als "Birne" zeichneten und benannten und nicht einmal vor Gerhard Schröder und Joschka Fischer Respekt zeigen. Der Mief und Muff der Adenauerzeit hat sie zur Rebellion getrieben. Denn so alt sind sie schon, und das Buch von Oliver Maria Schmitt begeht als Jubiläumsband den vierzigsten Jahrestag der Bande.

Die erste Frankfurter Schule ist längst in den Orkus der Geschichte hinabgefahren; jetzt folgt ihr die zweite, keineswegs klanglos. Ihre Historisierung und Musealisierung ist im vollen Gange. Oliver Maria Schmitt legt sie soeben in seinen zierlichen Glassarg. Mit Geschmack und Witz blickt er zurück, mit ein wenig Philologie und mit der Wiedergabe von vielen Zeichnungen. Apropos Zeichnungen: Schmitt zeigt uns eine Adenauer-Karikatur von Friedrich Karl Waechter aus dem Jahr 1961, mit leichten Strichen eine ungeheure, eine unheimlich wahre Deformation. Der reale Adenauer wollte so sein wie dieses Bild, erreichte es nur nicht ganz. Kohl wurde ja auch erst später so richtig zu der "Birne", deren hoffnungsfrohes Anfangsstadium die neuen Frankfurter früh ausgeprägt hatten. Von F. W. Bernstein gibt es ein kleines tierisches Monster zu sehen, einen Hundekopf mit Schweinsrüssel. Zwischen breitgespreizten Löwenpranken steht zu lesen:

ICH BIN

EIN GANZ MISSLUNGENES TIER,

SOVIEL VON MIR.

DOCH WER SEID IHR?

So knapp und so philosophisch war die erste Frankfurter Schule nicht immer. Schmitt läßt die Frage offen, wie die neue Frankfurter Schule mit der ersten zusammenhängt. Was er gibt, ist eine kunstvolle Koordination von acht Skizzen der Biographie der Haupttäter - Chlodwig Poth, Hans Traxler, F. K. Waechter, Robert Gernhardt und Eckhard Henscheid, Peter Knorr und Bernd Eilert - mit der Geschichte der beiden satirischen Zeitschriften Pardon und Titanic. Er will nicht gelehrt sein oder "gar germanistisch"; er gehört selbst zu den Elchen, aber unter der Hand entsteht ihm eine kurze Literatur- und Kulturgeschichte der Bundesrepublik von 1960 bis 2000. Dabei verfährt er nicht übertrieben objektiv. Besonders die Geschichte der beiden Zeitschriften werden andere Leute etwas anders erzählen. Aber informativ ist jeder Satz.

Wie konnte diese Gruppe einen solchen Erfolg haben? Nach den ersten stürmischen Anfangsmeriten von Pardon? Und noch einmal nach dem Scheitern von Pardon, an dem immerhin Leute wie Erich Kästner, Enzensberger, Loriot und Hanns Dieter Hüsch mitgeschrieben haben? Drei Gründe zeichnen sich ab. Erstens: So was hat uns gerade noch gefehlt. Wir waren so bierernst, so grundsätzlich und so verbiestert, da kamen diese Männer - es sind alles Männer, mit den Frauen haben sie es nicht so - und entdeckten das Zufällige, das Monströse und zeigten uns witzig, was alles nicht stimmt. Sie hatten das Herz auf dem linken Fleck, aber an die Weltrevolution glaubten sie bald nicht mehr. Sie gingen ins einzelne. Zweitens: Diesen Individualisten gelang etwas, was Künstlern und Dichtern allemal schwerfällt und was die Rilke-Typen unter ihnen für unmöglich halten: Teamwork. Das fast Unmögliche, sie haben es geschafft; sie blieben eine flexible und über Jahrzehnte zusammenhaltende Gruppe mit offenen Rändern. Drittens: Sie sind Multimedientalente. Sie schreiben Romane und Essays, sie zeichnen und reimen; sie inspirieren Kabaretts und Filme. Was sie hervorgebracht haben, sind "knapp 250 Bücher, dazu Theaterstücke, Filme, Lieder, Platten, Klo-Inschriften und sonstiges sprichwörtlich gewordenes Volksgut". Sie reiten auf allen Wellen. Wer's mit dem Erwerbsstreben nicht tierisch ernst nimmt, kann ihnen kaum entgehen.

Schmitt gibt uns jetzt über all das den Überblick, mit gutgespieltem Unernst. Es ist ein Vergnügen, in diesem Buch zu blättern, und erst recht, es zu lesen. Der Rezensent fragt sich, besorgt um sein Handwerk: Hat es denn gar keine Schwächen? Doch die hat es auch. Aber es handelt sich um läßliche Sünden: Da gibt es eine nützliche Zeittafel, aber gar keine Bibliographie. Offenbar ist da jemand erschrocken über die "knapp 250 Bücher". Wirklich ärgerlich ist nur die schlechte fotografische Wiedergabe einiger Manuskriptseiten. Sie sind viel zu kontrastarm. Sie zu entziffern, ist eine Qual. Die Texte jedenfalls haben es in sich. Und Schmitt hat sich um die vaterländische Kultur verdient gemacht, indem er das gezeigt hat. Mit Sachverstand und Geschmack wirbt er für die Leitkultur der Elche.

KURT FLASCH

Oliver Maria Schmitt: "Die schärfsten Kritiker der Elche". Die neue Frankfurter Schule in Wort und Strich und Bild. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001. 255 S., br., 14,90 .

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine "distanzlose Festrede" hat Oliver Maria Schmitt verfasst, rügt Rezensent Manfred Papst, und meint, dass die Autoren der Neuen Frankfurter Schule "etwas Besseres" verdient haben. Die Fülle an Material, die vielen "hervorragenden Illustrationen" und die "Selbstzeugnisse" der acht Protagonisten haben Papst zwar gefreut, ihm fehlt aber eine Bibliografie und ein Register. Was den Rezensenten wirklich stört, ist der "ranschmeißerische Schmunzelsound" von Schmitt und dessen Unfähigkeit zur Differenzierung: Alles "findet er gleichermaßen großartig", schimpft Papst.

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