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Produktdetails
  • Verlag: Fest
  • 1. Auflage
  • Seitenzahl: 180
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm x 139mm
  • Gewicht: 355g
  • ISBN-13: 9783828600980
  • ISBN-10: 3828600980
  • Artikelnr.: 08493367
Autorenporträt
Francesco Piccolo, geboren 1964, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist. Für seine Arbeit wurde er mit den beiden Literaturpreisen "Premio Giuseppe Berto" und "Premio Chiara" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2000

Liebe,
Sport & Politik
Francesco Piccolos Erstlingsroman
über eine Jugend in Italien
Francesco Piccolo, 1964 in Caserta geboren, erzählt in seinem ersten Roman vom Jungsein in einer kleinen italienischen Stadt zur Zeit der Studentenbewegung. Die deutsche Übersetzung des Textes gibt Klang und Rhythmus des Originals gut wieder – der deutsche Titel aber, „Vorbei geliebt oder Wenn ich wirklich dabei war, hab ich geschlafen” ist unbeholfen. „E se c’ero, dormivo”, heißt es im Original. Das sitzt. Mit dieser in Italien üblichen Redensart gibt jemand augenzwinkernd zu, dass er sich vor der Wirklichkeit gedrückt hat. Sollte es im Deutschen keine treffende Entsprechung geben?
Reifezeit
„In Gedanken war ich anderswo gewesen”, kommentiert der Ich-Erzähler sein verträumtes Schweben zwischen äußerer und innerer Realität. Mal getrieben, mal zielstrebig japsend nach Gewissheiten, bastelt er am eigenen Leben herum. Und vor lauter Zappeln weiß er nicht, wie ihm geschieht. Jede Gegenwart zeigt nur das letzte Bild, verbirgt, wie ein fertiggestellter Film, die Schnittstellen. Nur wenn wir später einen Moment innehalten, die Zeit zurückspulen lassen,fügen sich die Bilder zu einer Geschichte. Erst die Erinnerung vermag die Zäsuren, die Sprünge offenzulegen, die gleich Marksteinen die Ereignisse abgrenzen.
Das Gedächtnis habe „all die Jahre und Erinnerungen und die Worte, die wir sagten, plattgedrückt und übereinander gestapelt”, bemerkt am Anfang des Romans unser junger Mann. Ein blaues Boxer-Moped, ein orangegelber Basketball setzen die Erinnerung in Gang. Erzählt wird in einem kunstvollen Parlando und zuweilen atemlos mitreißenden Tempo.
Um Liebe, Sport und Politik dreht sich alles, von der Kindheit in den späten sechziger bis zum Sprung ins Erwachsenenalter in den frühen achtziger Jahren, also bis zum Ende jener Entwicklung, die italienisch klangvoll adolescenza heißt. Die Schilderung der Kindheit hat Charme mit Lokalkolorit. Schlager, Fußballstars, Pop-Idole und Fernsehserien bevölkern diese Welt. Damals war der Sonntag noch der schönste Tag der Woche, mit den Familienausflügen im neuen Fiat 125 und dem morgendlichen Kuscheln in „einer Kuhle zwischen zwei Kissen”, derweil ein Glas Caffè, über die Köpfe der entzückten Kinder hinweg, zwischen Vater und Mutter hin und herwanderte. „Dann änderten sich unsere Gewohnheiten”, heißt es lakonisch, als der Tod des geliebten Großvaters die Familienidylle aufstört, als von der Straße her der Lärm politischer Schlachten hereinbricht.
„Schweiiinee!”
Mit dem Übertritt ins Gymnasium, jenem Schauplatz, wo eine keck aufbegehrende Schar junger Leute es so richtig krachen lässt, wähnt sich unser Erzähler im Zentrum der Welt angelangt. Dario und Beniamino, Anführer des Studenten-Kollektivs, „die beiden wichtigsten Personen des Gymnasiums und folglich der Welt”, bereiten den Aufstand vor. Dabeisein, lautet die Maxime, dazugehören, nicht abseits stehen.
Darum geht es. Als sich die Lage zuspitzt, weil ein Schüler verhaftet wurde, bricht die Revolte auf. Unter dem Schlachtruf „Schweiiinee!” wird die Schule besetzt. Ganz begreift der Ich-Erzähler den Ernst der Stunde nicht. Er ist in eigener Sache unterwegs. Mit der sich strategisch sträubenden Cristina, treibt er sich in den dunklen Korridoren der Schule herum, erschöpft sich in aufreibenden – und hinreißend komisch beschriebenen – Liebesspielen. Sein Ziel: Cristina zwischen die Beine greifen. Das Leben ist nun eine runde Sache. Schmusen, Mopedfahren, Basketballspielen und selbst Dichter Leopardi: die reine Lust.
Ach, könnte die Zeit stehen bleiben! Aber es geht weiter und es kommt anders. Der junge Mann muss mühsam lernen, wie kompliziert, wie absurd das Leben ist. Wie der Ochs vorm neuen Tor steht er da, wenn er sich zum ersten Mal verliebt. Claudia heißt sie, die Verbindungsfrau zum Kollektiv.
Liebeseifer
Aus der Höhe ihres politischen Sendungsbewusstseins schaut das Mädchen auf den mehr von Liebes- als von politischem Eifer bewegten jungen Mann herab. Immer wird sie ihn im Unklaren lassen, ob sie überhaupt ein Liebespaar sind. Sich ihrem Diktat fügen, oder der Stimme seines Herzens folgen, jahrelang wird er sich mit diesem Dilemma plagen, immer in der Hoffnung, Claudias Liebe zu gewinnen.
Gewiss: Gewalt, Getöse und Gebrüll, all die großen Worte seiner Kameraden, haben letzten Endes nichts bewirkt. Eine Wir-Generation zersplittert sich in einzelne Ich-Teile. Am Ende der Schule wie auch der Geschichte stellt sich der junge Mann ein letztes Mal Claudias „eindringlichem Blick”. Über ihren Ausspruch, „Intelligenz bedeute ihr mehr als Glücklichsein”, kann er endlich den Kopf schütteln. Doch ohne Schadenfreude oder Zynismus, vielmehr mit liebevoller Ironie und zärtlicher Zuneigung für seine Figuren, blickt unser Erzähler auf eine Zeit zurück, in der sich zahlreiche Leser wiederfinden werden.
LUCIA MANCIOPPI
FRANCESCO PICCOLO: Vorbei geliebt oder Wenn ich wirklich dabei war, hab ich geschlafen. Aus dem Italienischen von Anja Dasch. Alexander Fest Verlag, Berlin 2000. 178 Seiten, 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Frauke Meyer-Gosau hat sich in den Charme dieser 68er-Geschichte verliebt. Der Autor sei zwar viel zu junge, um die Revolten der italienischen Schüler und Studenten in dieser Zeit bewusst miterlebt zu haben (er ist 1964 geboren), aber trotzdem hat er für die Rezensentin die Atmosphäre der Zeit sehr genau getroffen. Sie beschreibt das Buch als eine Art Schelmenroman, der mit allen Protagonisten - den Lehrern wie den Schülern - liebevoll umgehe. Piccolo erzähle "schnell, elegant, genau und mit Witz". Die Abwesenheit von Sentimentalität, aber auch von Zynismus findet Meyer-Gosau wohltuend.

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