Marktplatzangebote
20 Angebote ab € 1,50 €
  • Gebundenes Buch

6 Kundenbewertungen

Paprika sieht gut aus, hat Erfolg und ist ziemlich neurotisch. Mensch und Tier sind ihr ein Gräuel. Im Kampf um Parkplätze und gegen die grassierende Broilerisierung Berlins helfen nur Valium und eine geladene Knarre. Im Kampf gegen das Unglücklichsein hilft nur tabuloser Sex mit einem geheimnisvollen, gefährlichen Liebhaber.

Produktbeschreibung
Paprika sieht gut aus, hat Erfolg und ist ziemlich neurotisch. Mensch und Tier sind ihr ein Gräuel. Im Kampf um Parkplätze und gegen die grassierende Broilerisierung Berlins helfen nur Valium und eine geladene Knarre. Im Kampf gegen das Unglücklichsein hilft nur tabuloser Sex mit einem geheimnisvollen, gefährlichen Liebhaber.
Autorenporträt
Else Buschheuer hat als Reporterin, TV-Moderatorin und Kolumnistin gearbeitet. Studium der Bibliothekswissenschaft in der DDR. In New York war sie von Juli bis Oktober 2001, um ein Praktikum bei der deutsch-jüdischen Zeitung "Aufbau" zu machen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2000

Zur Kritik der namenlosen Hose
Else Buschheuer läßt eine Werbedame von der Leine

So kennen wir sie, die Menschen aus den großen Werbeagenturen: kommunikativ und kreativ bis in die Haarspitzen, stets unter Strom und Streß. Dabei sind die Arbeitsnächte lang, länger als die von Stalin. Und das will was heißen, weil bei ihm das Licht immer brannte.

Aber das muß nicht so sein, es geht auch ganz anders. Zumindest bei Paprika Kramer. Die ist nicht irgendwer in der Branche, sondern Chefin der erfolgreichsten deutschen Werbeagentur "The Wild Bunch" in Berlin. Diese betreut nicht zuletzt die Kopf-Kampagne dieser Zeitung und residiert standesgemäß in der unteren Hälfte der Kuppel des Fernsehturms am Alexanderplatz. Dort ist jedoch von der Chefin nicht viel zu sehen, denn Frau Kramer, nach ihrer Einschätzung "eine stinknormale Großstädterin", schläft gern bis in die Puppen und teilt dann oft nach dem Erwachen ihrem Assistenten Fred kurz per Handy mit, er solle alle ihre Termine absagen, für diesen und bisweilen auch die Folgetage. Die so generierte freie Zeit verbringt sie entweder vor ihrem großen Fernseher, mit Ich- und Körperpflege - denn "ich kenne niemand, der meine Aufmerksamkeit mehr verdient hätte als ich" -, oder auch mit Robert Krawollke und Dietrich von Müller. Robert ist Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern, Dietrich bedient die Theke einer "sterilen Touri-Bar", promoviert aber nebenher über de Sade.

Die beiden sind die einzigen Menschen, mit denen sie das pflegt, was man im weiteren Sinne als geselligen Umgang bezeichnet. Der Rest der Menschheit ist ihr, soweit man das aus ihren Mitteilungen erkennen kann - und mit einer signifikanten Ausnahme -, ein Greuel. "Diese träge, übelriechende Menschensuppe am Ku'damm" zum Beispiel kann das Herz der Werbedame nicht erfreuen, kein Wunder bei den Adjektiven, und wird deshalb der verdienten Behandlung zugeführt: "Ich verteile wahllos Kopfnüsse und Nasenstüber, treffe srak (so steht's da, der Rez.) behaarte Polinnen." Die können noch froh sein über diese vergleichsweise milde Strafe, denn Frau Kramer hat sie ja nicht mit ihrer stets griffbereiten Walther umgepustet wie später ihren Fernseher und schließlich Maik, Wohnungsnachbar in der Daimler-City (Monatsmiete 4000 Euro), Mitinhaber des Pärchenclubs Bumsschuppen in Berlin-Hellersdorf und "Broiler", als solcher für Paprika per se des Todes würdig.

Broiler, die Bewohner des verschwundenen deutschen Staates, sind ihr nämlich noch widerwärtiger als Rouladenduft, No-name-Jeans und öffentlicher Personentransport, der ja auch schon nicht ohne sei, denn "wer jemals Bus gefahren ist, der weiß, daß der Kampf um einen Sitzplatz dem Kampf ums Überleben gleichkommt". Bei all diesem flächendeckenden Furor gegen Menschen und Dingwelt gibt es einen, der ihr willkommen ist: "Im Geilheitsfuror sehe ich Elfen auf Mondwiesen tanzen." Für die Herstellung von Sensationen dieser Art ist ein Herr zuständig, der bei der Telefonauskunft arbeitet und darauf besteht, daß sie unter den bildungsduftigen Künstlernamen Eugénie und Valmont verkehren und der verkehrsmäßig weitere drastisch beschriebene Verschrobenheiten diktiert. Das macht aber weiter nichts, auch ihr nicht, solange er nur macht, denn "Sex interessiert mich nur als Grenzerfahrung"; obendrein, das weiß man in Werbekreisen: sex sells.

In der grenzerfahrungsfreien Zeit, und die überwiegend bei weitem, wird nun frei flottierend gehaßt oder eben mit - "Was sind wir nur für ein Trio!" - Robert und Dietrich auf dem Niveau zurückgebliebener Teenager gekalbert. Man stelle sich die Teletubbies in der Pubertät vor, mit einem Spritzer ruchloser Gangsta-Rapper-Ruppigkeit. Oder lieber nicht. Es bleibt die Frage, wie dieser literarische Sondermüll, bei dem auf Plausibilität und Logik und fast alles andere grundsätzlich über die Schmerzgrenze hinaus gepfiffen ist, zwischen zwei Buchdeckel kommen konnte. Wollen Else Buschheuer und der Verlag mit Paprika Kramers trüber Ego-Feier die Belastbarkeit von Publikum und Feuilleton testen? Hat ihr Arbeitgeber den Verlag bestochen, auf daß die Autorin großäugig mit dem Buch über die Talkshows tingeln und darauf aufmerksam machen kann, daß sie selbst - oho! - Broiler ist und "zur Zeit bei ProSieben für das Wetter verantwortlich", wie der Klappentext verrät?

Bleibt noch das Mysterium um die achtzehn Herrschaften von Henryk M. Broder bis Hanns Zischler, denen die Autorin am Schluß dankt. Da wüßte man gern, wofür? Für Hilfe bei der Aufzucht einer der dicksten und dümmsten Stinkmorcheln im frohwüchsigen Urwald der "neuen deutschen Literatur"?

BURKHARD SCHERER

Else Buschheuer: "Ruf! Mich! An!" Roman. Diana Verlag, München und Zürich 2000, 223 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein böser Verriss von Burkhard Scherer! "Eine der dicksten und dümmsten Stinkmorcheln im frohwüchsigsten Urwald der `neuen deutschen Literatur`" lautet nur einer der empörten Aufschreie des Rezensenten. Die Protagonisten habe sich der Leser als "Teletubbies in der Pubertät" vorzustellen - oder: lieber nicht vorzustellen. "Literarischer Sondermüll", dem quasi alles fehlt, was in seinen Augen einen guten Roman ausmacht. Scherer sieht in dem Band eine reine Provokation, einen Anschlag auf die Geduld der Leser und Rezensenten. Die misanthropische Heldin des Romans bringt ihn mit ihrem Ekel vor Mitmenschen und vor Dingen aller Art, mit ihren Bösartigkeiten und Hasstiraden schlicht auf die Palme.

© Perlentaucher Medien GmbH