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Mit einem exklusiven Essay von Elfriede Jelinek und einer Deutung des Romans von David Foster Wallace.
Die Künstlerin Kate hält sich für den letzten Menschen auf Erden. Doch gab es sie wirklich - jene Apokalypse, die nur sie allein verschont hat? Oder ist Kate wahnsinnig? Die Künstlerin Kate hält sich für den letzten Menschen auf Erden. Doch gab es sie wirklich - jene Apokalypse, die nur sie allein verschont hat? Oder ist Kate wahnsinnig? In einem Strandhaus an einer unbekannten Küste dokumentiert eine Frau ihre Suche nach den Überlebenden einer namenlosen Katastrophe, durchforstet ihre…mehr

Produktbeschreibung
Mit einem exklusiven Essay von Elfriede Jelinek und einer Deutung des Romans von David Foster Wallace.
Die Künstlerin Kate hält sich für den letzten Menschen auf Erden. Doch gab es sie wirklich - jene Apokalypse, die nur sie allein verschont hat? Oder ist Kate wahnsinnig?
Die Künstlerin Kate hält sich für den letzten Menschen auf Erden. Doch gab es sie wirklich - jene Apokalypse, die nur sie allein verschont hat? Oder ist Kate wahnsinnig? In einem Strandhaus an einer unbekannten Küste dokumentiert eine Frau ihre Suche nach den Überlebenden einer namenlosen Katastrophe, durchforstet ihre Erinnerung an Kunstwerke, Bücher und Artefakte einer untergegangenen Zivilisation. Und während Kate rastlos über den Globus reist, in den größten Museen der Welt übernachtet und an den verlassenen Monumenten unserer Kultur umherstreicht, entspinnt sich wie nebenbei eine irrwitzige Geschichte der westlichen Welt: von Homer, der womöglich eine Frau war, über Aristoteles' Lispeln bis zu Rembrandts rostbrauner Katze, von Guy de Maupassants Abneigung gegenüber dem Eiffelturm zu Brahms' Abneigung gegenüber Kindern. Doch dann und wann, tief verborgen zwischen den Zeilen, scheint eine Trauer auf, die vermuten lässt, dass Kates Geschichte womöglich eine ganz andere ist ...
Autorenporträt
David Markson wurde 1927 in Albany, New York, geboren und studierte an der Columbia University Literatur. Protegiert von Malcolm Lowry gehörte er seit den frühen 1950ern zur New Yorker Schriftstellerszene. David Markson verstarb 2010 in New York City.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nie hat Morten Freidel das Alleinsein eines Menschen nach einer nicht näher definierten Apokalypse derart komplex und konsequent verhandelt gefunden wie in diesem Roman aus dem Jahr 1988, jetzt neu aufgelegt. Und nie hat er die erzählerische Beschäftigung mit Wittgensteins Hauptwerk, mit dem Thema Wirklichkeitsverlust durch Sprachverlust so überzeugend gefunden. Dass der Text von David Markson nicht gerade leichte Kost ist, räumt Freidel freimütig ein. Allerdings findet er diesen Umstand einer Sprache der Einsamkeit, und um die geht es in diesem Buch, nur allzu angemessen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2013

Die Hölle auf Erden, das ist ein menschenleerer Strand

Gedankenschleifen in absoluter Einsamkeit: David Marksons Roman "Wittgensteins Mätresse" zeigt, dass die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt sind.

Zitate, die einem Roman vorangestellt werden, erfüllen häufig nicht allein die Funktion, seinen Kerngehalt anzudeuten. Oft umkreisen sie ihn auch nur, erweitern oder ironisieren ihn vielleicht und sind damit eine Art leitmotivisches Angebot, das der Autor seinem Text vorausschickt, die Brille, die er seinem Leser zur Wahrnehmung des Geschriebenen aufsetzen möchte. Bei "Wittgensteins Mätresse" ist das anders. Denn eines der Zitate trifft direkt ins Mark dieses Romans. Es stammt vom Philosophen Wittgenstein selbst, der wie ein unsichtbarer Geist über die Seiten wandelt, und es lautet schlicht: "Ich kann gut verstehen, warum Kinder Sand lieben."

"Wittgensteins Mätresse", im Jahr 1988 von David Markson veröffentlicht, aber erst jetzt ins Deutsche übertragen, handelt von Kate, der letzten Überlebenden einer nicht näher benannten Apokalypse. Wir wissen nicht, ob sich der Weltuntergang nur in ihrem Kopf abspielt (was wahrscheinlich ist) oder auf der Erde und in ihrem Kopf gleichermaßen (was sie behauptet). Wir wissen aber, dass sie einsam ist. Nachdem sie jahrelang "schaute", ob irgendwo noch andere Menschen oder Tiere übrig seien, in den Vereinigten Staaten, Russland oder den Ausgrabungsstätten von Troja, hat Kate ihre Suche aufgegeben. Sie hat ihre exklusiven Wohnquartiere im Metropolitan oder der Londoner Tate Gallery verlassen und lebt nun, nackt und ohne zivilisatorische Überbleibsel, in einem Haus am Strand. Dort schreibt sie ihre Geschichte auf der Schreibmaschine nieder.

Kates Text hat keinen Adressaten außer ihr selbst, ihre Niederschrift folgt keiner klar umrissenen Motivation. Es handelt sich um den diffusen Versuch, Sinn inmitten der Langeweile zu finden und das Ausfransen des Daseins zu begrenzen. Weil jede Notwendigkeit zur Disziplin entfällt, erzählt Kate nicht linear, sondern zirkulär. Immer wieder kommt sie auf Erlebtes zurück, etwa einen Nachmittag in Athen, an dem sie glaubte, eine Katze entdeckt zu haben, und deswegen Hunderte Dosen Katzenfutter aufstellte, die anschließend der Regen auswusch. Markson setzt seinem Leser in "Wittgensteins Mätresse" schwer Verdauliches vor: Einsamkeitsgedankenschleifen, die seine Protagonistin Kate aus ihrem Schädel lässt, um nicht wahnsinnig zu werden, die sie auf Papier zu bannen sucht, dort aber erst wirklich zum Leben erweckt.

Wer zwanzig Seiten von dieser erdrückenden Sprache gelesen hat, der versteht einen Teil des vorangestellten Wittgenstein-Zitats: Kate zerrinnt alles wie Sand unter den Fingern, die Wahrnehmung der Zeit und überhaupt alle Gewissheiten. "Heute", schreibt Kate einmal "später, werde ich möglicherweise masturbieren. Ich meine nicht heute, da es schon morgen ist. Nun ja, es ist insofern schon morgen, als ich einen Sonnenuntergang betrachtete und eine Nacht geschlafen habe, seitdem ich angefangen habe, diese Seiten zu tippen. Womit ich gestern anfing."

Kate lässt diese Auflösung der Wirklichkeit allerdings nicht passiv über sich ergehen. Vielmehr treibt sie sie aktiv voran. Und damit erschließt sich ein weiterer Aspekt des Wittgenstein-Zitats: Kate spielt mit dem Sand unter ihren Fingern. Sie spielt mit der Zeitwahrnehmung, mit ihrer Umgebung, und sie spielt vor allem mit der Sprache. "Wittgensteins Mätresse" ist eine geniale und in ihrer Komplexität kaum zu entschlüsselnde Hommage an den titelgebenden Philosophen und sein erstes Hauptwerk "Tractatus logico-philosophicus".

Allein der Umstand, dass der deutschen Ausgabe ein Essay des inzwischen verstorbenen David Foster Wallace beigefügt ist, in dem sich Foster Wallace an einer Deutung dieser Bezüge versucht, spricht für die neue Ausgabe. Stark vereinfacht geht es Kate wie auch Wittgenstein um Sprachkritik, um die Frage, in welchem Verhältnis Sprache zur Wirklichkeit steht. Und wie ihr Vorbild treibt Kate diese Kritik manchmal so weit, dass sich die Sprache aufzulösen beginnt und an ihren Rändern zu neuer Schärfe findet. Einmal stellt sich Kate vor, der Maler Vincent van Gogh hätte ein Feuer gemalt, das sie an einem Müllplatz in der Nähe ihres Hauses anzufachen gedenkt. Das Feuer, schreibt sie, existiere nur in ihrem Kopf. "Außerdem, was wirklich in meinem Kopf ist, ist auch nicht das Feuer, sondern van Goghs Gemälde vom Feuer . . . Obwohl, was jetzt tatsächlich plötzlich passiert ist, ist, dass ich in Wirklichkeit nicht das Gemälde selbst sehe, sondern eine Reproduktion des Gemäldes . . . Obwohl, was ich gänzlich ausgelassen habe, ist, dass das Gemälde auch nicht in Wirklichkeit das Feuer ist, sondern eine Spiegelung des Feuers. Also, in anderen Worten, was ich letztendlich sehe, ist nicht nur ein Gemälde, das kein echtes Gemälde ist, sondern nur eine Reproduktion, die zudem ein Gemälde eines Feuers ist, das kein echtes Feuer ist, sondern nur eine Spiegelung."

Noch obsessiver wird Kates Gedankenstrom, weil sie sich nicht allein an der Sprache entlanghangelt wie an einem Koordinatensystem, sondern auch an zahlreichen Namen der Kulturgeschichte. Kate, im früheren Leben selbst Malerin, nennt von Raffael über Michelangelo und Rembrandt alles, was sie an Namen, Lebensdaten und Anekdoten erinnern kann. Sie denkt sich durch das Werk der gesamten antiken Dramatiker und aller weiteren Schriftsteller, die ihr noch einfallen. Ihr Text stellt auch den verzweifelten Versuch dar, Fakten, die nur noch von ihr verifiziert werden können, im Sprachfluss zu konservieren. Denn Kate ist die letzte verbliebene Historikerin: Die Geschichtswerke des ersten, Herodot, liest sie, um sie anschließend Seite für Seite zu verbrennen. Die Grenzen ihrer Sprache bedeuten die Grenzen ihrer Welt.

Vergleicht man "Wittgensteins Mätresse" mit anderen solipsistischen Romanen des zwanzigsten Jahrhunderts, in denen ein Mensch scheinbar einsam die Erde bevölkert, dann fällt auf, wie konsequent Marksons Werk ist. Von Mathesons "Ich bin Legende" über Arno Schmidts "Schwarze Spiegel" bis hin zu den kürzlich erschienenen Werken "Die Arbeit der Nacht" von Thomas Glavinic oder Cormac McCarthys "The Road": In keinem anderen Buch lauert direkt hinter den Sätzen eine solche Schwärze. Niemand hat die Sprache der Einsamkeit bisher so brutal ehrlich und bis hin zur Unlesbarkeit abgebildet.

Arno Schmidts Protagonist trifft schließlich doch auf einen Menschen, hat aber verlernt, in der Gemeinschaft zu leben, Robert Neville, der Held aus "Ich bin Legende", lebt inmitten von Mutanten, und Jonas begegnet im Roman von Glavinic seiner Schizophrenie - immer aber geht es um die Konfrontation mit Dingen, die außerhalb der Ich-Wahrnehmung existieren - oder imaginiert werden. "Wittgensteins Mätresse" besteht dagegen nur aus der Konfrontation des Individuums mit sich selbst.

Eigentlich hat Kate alle Hoffnung auf menschlichen Kontakt begraben. Zum Schluss aber schreibt sie doch in den Sand: "Jemand lebt an diesem Strand". Vielleicht liegt darin die letzte Bedeutung des vorangestellten Zitats von Wittgenstein, "Ich kann verstehen, warum Kinder Sand lieben". Kinder mögen die in ihm enthaltene Aufforderung zum ewigen Spiel vielleicht als paradiesischen Zustand begreifen. Für einen Erwachsenen ohne Alternative aber ist sie die Hölle auf Erden.

MORTEN FREIDEL

David Markson: "Wittgensteins Mätresse". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Sissi Tax. Berlin Verlag, Berlin 2013. 336 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein Roman mit großer Wucht. Lesen!", GQ, Josip Radovic, 01.05.2013
"Ein literarisches Schwergewicht, so gewichtig, dass nach jedem Satz ein Absatz steht.", Interview, Laura Ewert, 01.05.2013