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Eine eindringlich geschriebene Geschichte über eine ungewöhnliche Beziehung, die einmal Liebe gewesen ist, aber von den Schatten der Vergangenheit eingeholt wird.
Der Molekularbiologe Hannes, in den sechziger Jahren nach Amerika ausgewandert, bemüht sich seit über dreißig Jahren des Zusammenlebens mit der Psychologin Sharon, so amerikanisch wie möglich zu leben und zu fühlen. Die schöne, kultivierte Sharon dagegen hält Hannes immer wieder sein Schicksal vor, als Deutscher geboren zu sein. Als "Dichterdesperado" laufe er sein ganzes Leben vor der Verantwortung für die eigene Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Eine eindringlich geschriebene Geschichte über eine ungewöhnliche Beziehung, die einmal Liebe gewesen ist, aber von den Schatten der Vergangenheit eingeholt wird.

Der Molekularbiologe Hannes, in den sechziger Jahren nach Amerika ausgewandert, bemüht sich seit über dreißig Jahren des Zusammenlebens mit der Psychologin Sharon, so amerikanisch wie möglich zu leben und zu fühlen. Die schöne, kultivierte Sharon dagegen hält Hannes immer wieder sein Schicksal vor, als Deutscher geboren zu sein. Als "Dichterdesperado" laufe er sein ganzes Leben vor der Verantwortung für die eigene Geschichte davon. Geistreich und lakonisch beschreibt und beobachtet Susanne Riedel die Spannungen, die sich zwischen den beiden innerhalb kürzester Zeit aufbauen. Durch erhitzte Diskussionen mit drei von Sharon zum universitären "Kulturaustausch" eingeladenen Deutschen über die Geschichte und die Stellung Deutschlands erreicht die Beziehungsproblematik letztlich ihren Höhepunkt. Hannes, der stets die Rolle des Nachgebenden übernimmt, glaubt zu wissen, wer und wie Sharon ist - und muss schließlich erkennen, dass er ihr ganzes gemeinsames Leben nicht viel von ihr wusste. Schließlich wird klar, "was sich lange angekündigt hatte. Das Leben brach entzwei." Sein reines, perfektes Bild von Sharon fällt in sich zusammen, als ihn am Ende die schreckliche Wahrheit einholt. Von einer auf die andere Sekunde ist nichts mehr so, wie es war.

Die lebendige und gleichzeitig verstörende Sprache dieses intelligenten, ungemein komischen und dennoch erschütternden Romans übt eine Sogwirkung aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Worte und Bilder verschmelzen zu einem sorgfältig komponierten literarischen Meisterwerk.
Autorenporträt
Susanne Riedel, geboren 1959 in Unna, arbeitete lange als freie Journalistin für verschiedene ARD-Rundfunkanstalten. Heute lebt sie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2003

Moralkeule, gut durchgebraten
Susanne Riedel läßt die deutsch-amerikanische Beziehung scheitern

Der deutsch-amerikanische Dialog ist ins Stocken geraten, das Klima vergiftet. Einst waren beide Länder in Respekt und Liebe oder doch wenigstens in einer Vernunftehe verbunden. Jetzt hat man sich auseinandergelebt, von Tisch und Bett gemeinsamer Werte und Herkunft getrennt. Im transatlantischen Kulturaustausch kommt es immer öfter zu Mißverständnissen und galligen Seitenhieben, Provokationen und peinlichen Eklats. Wo Gespräche noch stattfinden, redet man aneinander vorbei, gräbt alte Vorurteile und Schuldzuweisungen aus, die man seinem Gegenüber als Charakterschwäche an den Kopf wirft.

Was sich wie eine Beschreibung der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach dem Irak-Krieg anhört, ist der Plot eines Romans, den Susanne Riedel lange vorher geschrieben hat. Sharon, die "hauptberufliche Amerikanerin", und ihr deutscher Freund haben dreißig Jahre lang in einer spannungsreich-produktiven Beziehung gelebt. Jetzt ist das Vertrauenskapital aufgezehrt. Hannes, der Molekularbiologe und alteuropäische "Gefühlsdeserteur", hat lange geduldig ertragen, daß die gelernte Psychologin Geschichte und Eigensinn immer gleich persönlich nahm.

Sie hat ihn und seine Nationalneurosen auf die Couch gelegt und an seinem Herzen herumgedoktert; sie hat ihn aufs Kreuz gelegt und ans Kreuz deutscher Scham- und Schuldkultur genagelt und, wenn er sich matt zu wehren versuchte, eines verstockten Sündenstolzes, moralischer Feigheit und emotionaler Trägheit bezichtigt. Gegen ihre rabiate, vitale Energie hatte der nie ganz assimilierte Wahlamerikaner keine Chance. Ihrer aggressiven Ironie, ihrem bitteren Hohn und ihrer überlegenen analytischen Intelligenz hatte er nur Selbstmitleid, stillen Groll und die Erinnerung an bessere Zeiten entgegenzusetzen. Die Frau nervt. Sie ist unbarmherzig, ungerecht, hysterisch, vielleicht sogar paranoid. Aber Amerika hat es nun mal besser; deshalb emigrierte Hannes ja auch ins Land der Freien und Stolzen.

Hannes beneidete Sharon insgeheim um ihr natürliches Form- und Selbstbewußtsein, ihren optimistischen Tatendrang, ihre professionelle Herzlichkeit und die Unbefangenheit, mit der sie Wörter wie "Volksseele" in den Mund nimmt. Miß Amerika ist mit sich und ihrer Nation im reinen: Sie hat keine Probleme mit patriotischen Ritualen, nicht einmal mit schmutzigen Kriegen. Er dagegen ist ein schreib- und gefühlsgehemmter "Dichterdesperado" und "politischer Rohrkrepierer", gefangen in Konventionen, Ängsten und Mythen, gejagt von den Furien der Geschichte, Zweifeln und den Schatten der Depression. Für Sharon ist das alles nur Blockade, larmoyante Nabelschau: Ihr "Hannes-guck-in-die-Luft" lebt für sie in einem "gemütlichen Minenfeld", in seinem Vorgärtchen steht die "Schuldfrage herum wie ein Gartenzwerg", und vor lauter Denkmälern und Mahnwachen versäumt er das Leben.

Auf bilateraler Ebene ließe sich die deutsch-amerikanische Beziehungskrise vielleicht noch beilegen. Aber dann kommen deutsche Gäste zum "Kulturaustausch" nach Philadelphia, und der Besuch reizt Sharons latentes Unbehagen zur Weißglut und entzündet in Hannes vertrocknetem Herzen ein Gefühlsbündel aus Scham, Eifersucht und Heimweh: Die Erfolgsautorin Ria reißt mit ihrer zickigen Koketterie und vulgären Dummheit alte Wunden auf; Jo-Hannes, der affektierte Essayist, steckt als geprügelter Musterknabe Sharons alle Schläge mit der Moralkeule dankbar ein, und Michael, der verklemmte Politologieprofessor, flirtet schüchtern mit ihr.

Man spielt mit nationalen Stereotypen, man neckt sich, plänkelt und hadert, bis der zunehmend aggressive Small talk beim Abschiedsessen eskaliert. Sharon läßt sich zu einer Hohn- und Haßtirade hinreißen, die es mit Hölderlins berühmter Absage an die Deutschen aufnehmen kann: "Sie stehen auf Ihren Stühlen, schwenken Ihre Profilneurosen und schreien: Wir waren mal wer! Kompensierter nationaler Narzißmus . . . " Die Gäste sind peinlich berührt; Hannes bricht alle Brücken ab und geht zurück nach Deutschland. Immerhin wird er im winterlich kalten, schaurig deprimierenden Berlin endlich seinen Roman zu Papier bringen. Seine Schuld war nicht, Deutscher, sondern kein Mensch zu sein. Er hat, wie Parzival, aus Gefühlskälte, Bequemlichkeit oder Blindheit zu fragen vergessen, woher Sharons Reiz- und Verletzbarkeit rührte. In Berlin wird er erfahren, daß die Fremde an seiner Seite als Jüdin im KZ war.

Die Auflösung entbehrt nicht der Logik; politisch und literarisch befriedigt sie wenig. Es ist nicht die einzige Schwäche dieses Buches. Riedels Streithähne sind eher Typen als Menschen, Statthalter von Positionen zu deutscher Selbstzerknirschung und amerikanischem Hochmut. Charaktere, Handlung und Dialoge, selbst die sentenziösen Bonmots und gewagten Metaphern: Alles ist auf schwere Themen wie Auschwitz, Wiedervereinigung oder den 11. September hin zentriert: Futter für Lesungen in den Goethe-Instituten der Neuen Welt.

Auch verhebt sich die eigenwillige Sprache, eine kühne Kreuzung aus lyrischen Im- und pathetischem Expressionismus, unerbittlichem Furor und federleichter Ironie mehr als einmal an großen Vorbildern wie Nabokov oder Musil. Das Buch ist selbst sehr deutsch in der Fixierung auf Vergangenheit, Schuld und Sühne, aber doch auch "amerikanisch" genug, um die alten nationalen Stereotypen effektsicher zu unterlaufen. Es gehört Mut und Feingefühl dazu, sich mit einem derart sperrigen Thema gegen den Mainstream zu stemmen. Wie Riedel aus abgestandenen Debatten nervös vibrierende Prosa, aus historischem Ernst aktuelle Komik, aus erkalteten politischen Abstraktionen fiebrigheiße Emotionen und eine traurige Liebesgeschichte, kurz: aus Vergangenheit Gegenwart macht, macht den Roman trotz aller Einwände lesenswert.

MARTIN HALTER

Susanne Riedel: "Eine Frau aus Amerika". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2003. 232 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einen Vorzug hat Susanne Riedels Roman für den Rezensenten Andreas Nentwich, nämlich "real existierende antideutsche Affekte nicht nur jüdischer Amerikaner in aller Schärfe vorzuführen". Aber das sei auch der Einzige. Riedels Geschichte um das Ende der Beziehung zwischen einem deutschen, in Amerika ansässigen Professor und dessen scheinbar amerikanischer Geliebten sei durch und durch von "freudianischen Plattitüden, ethno-psychologischen Zufallstreffern und Reizwortködern" getragen, ein "Schlachtfest der Aufklärung ins Nichts". Denn die Geliebte sei in Wirklichkeit eine deutsche Jüdin, die ihre amerikanisch-deutsche Umwelt manipuliere, indem sie sie in ihre eigenen "double-bind-Konstruktionen" verstricke. Und da Riedels Sprache sich in "kulturkritischen Spitzen" erschöpfe, werde ihr Roman gezwungenermaßen zu einem "Thesenroman", der die "Betroffenheitsschwelle" in "schwindelnde Höhen" treibe und "den eigenen Einsatz minimiere". Und so lautet Nentwichs gnadenloses Fazit: "Auch das ist eine Leistung, eine manipulative, keine aber der Literatur."

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