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Der Prinz und der Revolutionär - Asfa-Wossen Asserate stellt vor: Freiherr Adolph von Knigges Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in AbessynienVom Manierenpapst zum Radikalaufklärer1791, die Revolution in Frankreich tritt gerade in die heiße Phase, da erscheint ein Buch des damals nicht als Manierenpapst berühmten, sondern als Radikalaufklärer berüchtigten Adolph Freiherr von Knigge. Und dieses Buch hat es in sich - denn der Titelheld gelangt nach Abenteuern, die kein gutes Licht auf seine deutsche Heimat werfen, ins damals Abessynien genannte Äthiopien. Dort hat man dem König der…mehr

Produktbeschreibung
Der Prinz und der Revolutionär - Asfa-Wossen Asserate stellt vor: Freiherr Adolph von Knigges Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in AbessynienVom Manierenpapst zum Radikalaufklärer1791, die Revolution in Frankreich tritt gerade in die heiße Phase, da erscheint ein Buch des damals nicht als Manierenpapst berühmten, sondern als Radikalaufklärer berüchtigten Adolph Freiherr von Knigge. Und dieses Buch hat es in sich - denn der Titelheld gelangt nach Abenteuern, die kein gutes Licht auf seine deutsche Heimat werfen, ins damals Abessynien genannte Äthiopien. Dort hat man dem König der Könige, dem alten Negus, erzählt, welche Wunder die Aufklärung bereithält - und der hat beschlossen, sie mit Hilfe Noldmanns und dessen Neffen bei sich einzuführen. Ein Sohn des Fürsten reist mit Noldmann zurück nach Deutschland, um sich ausbilden zu lassen, und im Gegenzug werden weitere deutsche Entwicklungshelfer nach Afrika geschickt. Die philosophische Deutschlandreise scheitert an der wollüstigen Persönlichkeitsstruktur des verwöhnten Fürstensöhnchens, die Aufklärung in Abessynien an der falschen Lenkung der Reformen. Bis es am Ende, als der verdorbene Sohn das Land regiert, beinahe zum Aufstand kommt und damit zur Abschaffung der Monarchie - und eine Nationalversammlung eine ganz neue, ideale Staatsverfassung einsetzt.
Autorenporträt
Adolph Freiherr Knigge (1752-1796) war Romancier, Satiriker, Rezensent, Verfasser von moral-philosophischen Predigten und Reisebeschreibungen.

Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. An der Deutschen Schule bestander als einer der ersten Äthiopier das Abitur. Er studierte Geschichte und Jura in Tübingen und Cambridge und promovierte in Frankfurt am Main. Die Revolution in Äthiopien verhinderte die Rückkehr in seine Heimat. Er blieb in Deutschland und ist heute als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten tätig. Sein Buch »Manieren« wurde von der Kritik gefeiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2006

Segensreiche Erziehung
Manierlich: Adolph von Knigges Äthiopien-Roman

Bücher haben ihre Schicksale. Der längst nicht mehr gelesene Roman "Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien" (1791) des Freiherrn Knigge verdankt jetzt sein Wiedererscheinen einem schönen Zufall. Ein Lehrer an der Deutschen Schule in Addis Abeba empfahl die Rarität dem als Prinzen geborenen Asfa-Wossen Asserate, der die Deutschen jüngst mit heiterer Eleganz über "Manieren" (2003) unterrichtete. Als seine Familie 1975 nach dem Putsch des Diktators Mengistu für die nächsten fünfzehn Jahre in Haft geriet, war er längst im deutschen Exil. Hier fand er Knigges kuriose Geschichte von Aufklärungsversuchen in seiner äthiopischen Heimat erstmals in der Bibliothek. Später überreichte sie ihm Moritz Freiherr von Knigge mit folgender Widmung: "Als Geschenk an den Nachfahren des Negus von dem Nachfahren des Knigge." Versehen mit Vorwort und Erläuterungen, macht er dieses Geschenk jetzt öffentlich.

Das Buch, das der alte Knigge selbst eher seinen politischen als literarischen Schriften zurechnete, variiert und verkehrt das seit Fénelons "Télémaque" beliebte Modell der Fürstenerziehung im Staatsroman. Der durch abenteuerliche Zufälle nach Abessinien verschlagene Joseph Wurmbrand wird in diesem einzigen christlichen Land Afrikas zum ersten Minister des Negusa Negest, des Königs der Könige. Schon bald ruft er seinen Vetter Benjamin Noldmann an den Hof in Gondär, der dort nach weitschweifiger, zweijähriger Anreise zum Baalomaal, zum königlichen Kammerherrn, ernannt wird. Bei seiner Ankunft 1768 erscheint Äthiopien bereits als relativ aufgeklärter, die despotische Vergangenheit überwindender Staat, was der Illuminat Knigge für Polemiken gegen schädliche Bildungstendenzen und vor allem gegen die Jesuiten und "den heiligen Kerl in Rom" nutzt. Mit realen Entwicklungen in dem stets unabhängig gebliebenen Abessinien hat das wenig zu tun, auch wenn dort Missionierungsversuche der Jesuiten erfolgreich abgewiesen wurden.

Knigge bedient sich zwar ausführlich der deutschen Ausgabe von James Bruces "Reisen zur Entdeckung der Quellen des Nils", um seiner Geschichte entsprechendes Lokalkolorit zu verleihen. Doch ein historischer Roman ist nicht sein Ziel. Vielmehr entspricht er dem utopischen Genre durch die Suche nach einer exotischen Projektionsfläche für politische und geistige Kritik an der eigenen Gesellschaft. Auf Äthiopien, dessen mythische Geschichte bis zu König Salomon und die schöne Königin von Saba zurückgeht, richteten sich seit Ende der Kreuzzüge besondere Hoffnungen als christlicher Brückenkopf in der islamischen Welt. Dort vermutete man auch den Priesterkönig Johannes, den Knigge im erweiterten Buchtitel mit dem regierenden "großen Negus" gleichsetzt.

Wenn es im Mittelteil des Romans um die Erziehung des abessinischen Thronfolgers geht, wird das Modell aufgeklärter Fürstenerziehung ins Gegenteil verkehrt: Während sonst - wie etwa bei Wieland - europäische Königssöhne von Philosophen in idyllischen Schutzzonen, meist der persischen Bergwelt, herangebildet werden, reist Knigges Titelheld Noldmann mit dem Kronprinzen sechs Jahre lang durch Deutschland. Hier, auf vertrautem Terrain, spart der Verfasser nicht mit beißender Satire auf unvollkommene Zustände. Alle wichtigen Bereiche der Aufklärung, für die Noldmann Fachleute für Abessinien gewinnen soll, werden dabei gemustert: Von der Kunst und Wissenschaft geht es über die Religion und Philosophie bis zur Pädagogik und zum Rechtswesen.

Noldmanns Zögling ist unterdes von wüsten Ausschweifungen nicht abzuhalten, bei ihm machen nur die Schattenseiten des aufgeklärten Absolutismus Eindruck. Nach seiner Rückkehr und Krönung spielt er den Despoten und verbreitet so ein übles Zerrbild der in Deutschland erfahrenen Aufklärung. Volksaufstände im benachbarten Nubien - eine deutliche Parabel auf die Französische Revolution - führen endlich zum Ende dieser Willkürherrschaft. Erst der jüngere Bruder des Königs, der keine modische Erziehung im fernen Ausland genossen hat, setzt dann als Interimsregent die wahre Aufklärung in Abessinien durch. Seinen umfangreichen "Entwurf der neuen Staats-Verfassung", der als Knigges politisches Manifest zu lesen ist, will Noldmann jedenfalls sogleich in Europa publik machen.

Die Pointe, daß gerade der von europäischen Einflüssen unverdorbene jüngere Prinz eine nahezu ideale Verfassung aus der eigenen Kultur entwickelt, ist eine weitsichtige Warnung an falsch verstandene Entwicklungshilfe bis in die Gegenwart. Im Roman führt sie zur äußerst populären Verfügung des neuen Wahlkönigs, "keine Ausländer unter uns zu dulden". Noldmann und sein Vetter müssen mit ihren Hilfstruppen abziehen. Knigge erschien diese Konsequenz keineswegs verfänglich. In einem Brief an den Pädagogen Johann Heinrich Campe meinte er, daß sein "armer Kopf nie etwas Besseres geliefert" habe, und mit seinem freiheitlichen "System einer neu zu gründenden Staats-Verfassung" zeigte er sich denn auch mehr als zufrieden.

ALEXANDER KOSENINA

Adolph Freiherr von Knigge: "Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien". Vorgestellt und mit einem äthiopisch-deutschen Brückenschlag versehen von Asfa-Wossen Asserate. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006. 372 S., geb., 28,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexander Kosenina scheint sich gut amüsiert zu haben. Über die der Neuerscheinung des Bands vom blaublütigen Asfa-Wossen Asserate beigefügte Einleitung und seine Erläuterungen hat er zwar nichts zu berichten, die von Adolph Freiherr von Knigge auf den Kopf gestellte Geschichte einer Fürstenerziehung aber hat ihn um so mehr erfreut. Kosenina warnt den Leser, das Buch als historischen Roman zu lesen, und erklärt uns seine utopische Dimension: Politische und geistige Kritik und "beißende" Satire an den heimatlichen Verhältnissen, an der deutschen Aufklärung in allen Bereichen von Kunst und Kultur. Einen Gegenwartsbezug entdeckt Kosenina auch: Die vom Autor in den Text eingewobene Warnung vor fehlinterpretierter Entwicklungshilfe sei bis heute gültig.

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