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Von Mr. Pringle, der seine Frau entsorgte, und der Katze, die nicht mehr aus dem Bett herauskam. Auch dem Mark Twain des 20. Jahrhunderts ging es anfangs nicht anders als anderen: "Das Interesse der leitenden Redakteure war - mit Ausnahme des New Yorker-Verlegers - eher journalistischer denn inhaltlicher Natur: Sie wollten wissen, ob ich bei Mondlicht zeichne oder unter Wasser - und wenn ich verneinte, verloren sie das Interesse, bis ihnen das Gerücht zu Ohren kam, dass ich die Zeichnungen in einer alten Truhe gefunden hätte oder dass ich nur die Textzeilen mache, während mein Neffe zeichnet."…mehr

Produktbeschreibung
Von Mr. Pringle, der seine Frau entsorgte, und der Katze, die nicht mehr aus dem Bett herauskam. Auch dem Mark Twain des 20. Jahrhunderts ging es anfangs nicht anders als anderen: "Das Interesse der leitenden Redakteure war - mit Ausnahme des New Yorker-Verlegers - eher journalistischer denn inhaltlicher Natur: Sie wollten wissen, ob ich bei Mondlicht zeichne oder unter Wasser - und wenn ich verneinte, verloren sie das Interesse, bis ihnen das Gerücht zu Ohren kam, dass ich die Zeichnungen in einer alten Truhe gefunden hätte oder dass ich nur die Textzeilen mache, während mein Neffe zeichnet." Seine meist im New Yorker erscheinenden Kurzgeschichten, Skizzen, Szenen, Parabeln, Fabeln und Sketche lösten eine Welle des Thurberism aus, man erzählte sich seine neuesten Einfälle beim Einkaufen weiter, er bekam waschkorbweise Leserpost, wurde zum Ehrendoktor ernannt und überhaupt weltberühmt. Bis heute ist sein scheinbar netter und doch ziemlich hinterhältiger Witz so zeitlos wie wirkungsvoll - die vorliegende, von Hans Magnus Enzensberger besorgte Auswahl stellt dies nachdrücklich unter Beweis.
Autorenporträt
Reinhard Kaiser, geb. 1950 in Viersen. 1968 Beginn des Studiums der Germanistik, Romanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie. Seit 1975 Übersetzer und Lektor für verschiedene Verlage. Seit 1989 Arbeit als freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u. a. Ernst Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis 1993, Deutscher Jugendliteraturpreis 1997, Geschwister-Scholl-Preis 2000. Der Autor lebt mit seiner Familie in Frankfurt/Main.

Hans Magnus Enzensberger, geboren 1929 in Kaufbeuren, lebt in München. 1963 erhielt Hans Magnus Enzensberger den Georg-Büchner-Preis, im Jahr 2015 wurde ihm der Frank-Schirrmacher-Preis verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.01.2006

Der Mensch, das nachweislich lachhaftere Tier
Ein Misanthrop, wie jeder gute Humorist: Cartoons und Texte von James Thurber in einer köstlichen Auswahl
Wie jeder gute Humorist ist James Thurber ein Misanthrop. Jemand, der im Zweifelsfalle eher zu niedrig als zu hoch vom Menschen denkt. Und der sich nicht dabei erwischen lässt, sich Illusionen hinzugeben. Der Gegenstand jedes Humoristen ist der alte Adam, und der ist nun mal - wie der ebenfalls sehr nüchterne Kant wusste - aus krummem Holz geschnitzt. Dieses krumme Holz hat James Thurber als Zeichner wie als Schriftsteller auf unvergleichliche Weise festgehalten. Berühmt sind seine Zeichnungen, die bis zu seinem Tod im Jahre 1961 im New Yorker erschienen sind. Hans Magnus Enzensberger hat jetzt in der Anderen Bibliothek eine köstliche Auswahl aus dem Werk Thurbers getroffen und unter dem Titel „Vom Mann, der die Luft anhielt und andere Geschichten” herausgegeben. Zu bewundern ist darin der sardonische Stilist Thurber, dessen scharfer Blick die Gesellschaft und ihre soziale Ordnung in ihrer ganzen Labilität und unwahrscheinlichen Balance erfasst.
Beschäftigen wir uns doch gleich mal mit dem titelgebenden Mann, der die Luft anhielt. Das Luftanhalten ist an sich kein weltbewegender Vorgang. Er kann aber innerhalb der hochsensiblen Atmosphäre einer Ehe eine gespenstische Dynamik annehmen. Mr. Bidwell frönt seit kurzem dieser Marotte. Ob auf dem Sofa im heimischen Wohnzimmer oder auf Stehpartys der Gesellschaft, er hält gerne für eine längere Zeit die Luft an, um sie sodann, gar nicht einmal besonders geräuschvoll, zu entlassen. Für seine Mitwelt ist das kaum wahrnehmbar. Mrs. Bidwell allerdings hat ein hochempfindliches Wahrnehmungsorgan für diese Marotte ihres Mannes. Deren Unscheinbarkeit scheint für sie ihre Penetranz nur noch zu steigern. Mrs. Bidwell ist nicht bereit, das Luftanhalten ihres Mannes, das sie wie ein Stechen im Rücken spürt, selbst wenn sie sich gerade am anderen Ende des Hauses befindet, hinzunehmen: „George, ich lasse mir das nicht länger bieten. Wenn du nicht aufhörst, wie ein Nilpferd zu schnaufen, verlasse ich dich.”
Es beginnt der „Kampf um die Atemhoheit”. Die Harmlosigkeit des Vorgangs bestärkt Mr. Bidwell in seiner Haltung, sich von seiner Frau das Luftanhalten nicht verbieten zu lassen. Die Situation droht zu eskalieren, als Mr. Bidwell irgendwann die Lust am Luftanhalten verliert. Einen Monat später, die Wogen scheinen geglättet, auf einer Party erfasst Mrs. Bidwell wieder jenes Unbehagen. Sie sucht ihren Mann auf und stellt ihn zur Rede. „,Was machst du da?‘ fragte sie ihn. ,Hm?‘ sagte er mit geistesabwesender Miene. ,Was du da machst?‘ fragte sie noch einmal. Er warf ihr einen giftigen Blick zu, den sie erwiderte. ,Wenn du es unbedingt wissen willst‘, sagte er langsam und gleichmäßig, ,ich multipliziere Zahlen im Kopf.‘ Während der langen, gründlichen Prüfung, die sie einander schweigend und, bis auf die Augenmuskeln, reglos angedeihen ließen, gelangten beide zu der kristallklaren, eiskalten Gewissheit, dass das Ende ihrer Strapazen gekommen war. Das seltsame Band, das sie bis dahin verbunden hatte, zerriss.”
Die Grenze zwischen dem Alltäglichen und dem Pathologischen verschwimmt bei Thurber. Der Mensch richtet sich immer schon ein in seinem Wahn wie in einem gemütlichen Wohnzimmer. Das gilt auch für das intellektuelle Milieu. In „Etwas zu sagen” ist von Elliot Vereker die Rede - oder noch mehr von seinen Freunden, die ihn für ein Genie halten. Wie ein solches benimmt er sich auch. Vor ihm, dem rasenden Unkonventionellen, dem Exzentrischen und Zerstörungswütigen, ist nichts sicher. Voller Bewunderung erträgt die Mitwelt seine Unberechenbarkeiten. Zwar hat Vereker noch nicht eine Zeile zu Papier gebracht, aber das ist kein Einwand. Seine schneidenden Aburteilungen allein lassen seine Mitwelt erschauern. Er „wetterte voll blitzenden Hohns gegen seine Freunde und die anerkannten Meister der Literatur aller Epochen, deren Oberflächlichkeit er, wie mir schien, klarer durchschaute als irgend jemand sonst.” Es ist dieses „wie mir schien”, in dem die ganze Bodenlosigkeit und Aufgeblasenheit des Kunstgebrabbels aufklingt.
Die Anthropologie schätzt Definitionen dieser Art: „Der Mensch ist das denkende/weinende/lachende Tier.” Für Thurber ist der Mensch in direkter Gegenüberstellung mit dem Hund „nachweislich das lachhaftere Tier”. Und wer vor allem über den Menschen lacht, das ist der Hund, sein ständiger Begleiter, der gleichsam mit kopfschüttelnder Gutmütigkeit die Schwächen seines Herrn betrachtet. Der Hund ist deshalb ein zentrales Motiv im Werk von Thurber. Thurbers Bild von der Welt ist nicht anthropozentrisch. Wo Thurber einen Hund und einen Menschen in einer Zeichnung vereint, wird sofort klar, wie wahnhaft die Vorstellung ist, der Mensch könnte im Zentrum der Schöpfung als ihre Krone stehen.
In Sachen Tierwelt lässt sich Thurber ohnehin nur ungerne reinreden. Da verliert er schnell die Contenance. Fast schon mit Schaum vor dem Mund weist er Irrlehren zurück. Besonders scharf geht er mit Getrude Stein und ihrem Satz von den „pigeons on the grass, alas” (den Tauben im Gras, ach) ins Gericht. „Es ist weder korrekt noch treffend, das Wort ach in eine Verbindung mit Tauben zu bringen. Denn Tauben sind ganz bestimmt nicht ach.” Und dann wählt er einen interessanten, erstaunlichen Vergleich: „Was Gefühle angeht, ist ein Fisch, verglichen mit einer Taube, praktisch außer sich.”
Thurbers Interesse für die Tierwelt darf also nicht verwechselt werden mit einer universellen Affenliebe zum Tier. Das Tier dient ihm eher als Kontrastfolie, um das Klapprige am Menschen hervorzuheben, ohne deshalb das Tier zu verherrlichen. Deshalb auch die geradezu frostige Klarheit, mit der er Getrude Stein in die Schranken weist: „Leute, die von Tauben nichts verstehen - und Tauben versteht man nur, wenn man versteht, dass es an ihnen nichts zu verstehen gibt -, sollten nicht herumlaufen und Tauben oder die Wirkung von Tauben beschreiben. Die Taube kommt dem Nullpunkt absoluter Effektlosigkeit näher als jeder andere Vogel.”
In einem Brief schrieb Thurber einmal: „Nur wenn er stürzt, lässt sich ermessen, wie aufrecht der Mensch stehen kann.” In jedem aufrecht Stehenden sieht Thurber immer schon den Sturz.
IJOMA MANGOLD
JAMES THURBER: Vom Mann, der die Luft anhielt und andere Geschichten. Ausgewählt von Hans Magnus Enzensberger. Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006. 383 Seiten, 28,50 Euro.
Auch wo Tiere mit aufs Bild kommen, ist James Thurber der große Soziologe unter den Cartoonisten.
Abbildungen: Eichborn Verlag
Hier besorgt James Thurber das Ressort Haustiere. Er beantwortet sachkundig und einfühlsam, manchmal aber auch mit zurechtweisender Schärfe die Fragen der Leser, die ihre häusliche Situation auch gerne bildlich zur Anschauung bringen. Mrs. C. L. Footloose schreibt ihm: „Wir haben Katzen wie andere Leute Mäuse.” Thurber antwortet: „Das sehe ich. Ich kann Ihrer Mitteilung allerdings nicht entnehmen, ob Sie Rat suchen oder sich nur wichtig machen wollen.”
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ijoma Mangold hat an dieser "köstlichen Auswahl" aus Arbeiten des Cartoonisten und Autors James Thurber seine helle Freude. Thurber habe die Schwächen des Menschen auf "unvergleichliche Weise" fixiert. Der Rezensent preist den "scharfen" und wie zu erwarten "misanthropischen" Blick auf das menschliche Treiben und stellt fest, dass bei Thurbers Geschichten das "Alltägliche und das Pathologische" nicht immer klar von einander zu trennen sind. Alle Vorzüge und Eigenarten des Zeichners sind in der Titelgeschichte vereint, in der ein Mann seine Frau durch die Marotte des Luftanhaltens zur Weißglut bringt

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