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Analytische Philosophie, Dekonstruktion, Strukturalismus, Iconic turn, System-, Diskurs- und Simulationstheorie... Ja, wer heute die Tempel oder die Rostlauben der früher so genannten Geisteswissenschaften betritt, der hat es nicht leicht.
Ein verwirrendes Angebot von Ansätzen, Methoden, Theorie-Designs, Trends und Moden stellt ihm die Freiheit, aber auch die Qual der Wahl in Aussicht.
Theorien sind dazu da, die Wahrheit zu sagen. Aber nicht allein im Deutschen ist "Wahrheit" ein Wort, das sich nur widerstrebend in den Plural setzen läßt.
Theorien gibt es hingegen nicht im Singular.
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Produktbeschreibung
Analytische Philosophie, Dekonstruktion, Strukturalismus, Iconic turn, System-, Diskurs- und Simulationstheorie... Ja, wer heute die Tempel oder die Rostlauben der früher so genannten Geisteswissenschaften betritt, der hat es nicht leicht.

Ein verwirrendes Angebot von Ansätzen, Methoden, Theorie-Designs, Trends und Moden stellt ihm die Freiheit, aber auch die Qual der Wahl in Aussicht.

Theorien sind dazu da, die Wahrheit zu sagen. Aber nicht allein im Deutschen ist "Wahrheit" ein Wort, das sich nur widerstrebend in den Plural setzen läßt.

Theorien gibt es hingegen nicht im Singular. Das macht ihren Vertretern schwer zu schaffen, schon weil sie dazu neigen, ihre Theorien allzu ernst zu nehmen.

Jochen Hörisch geht von der Erkenntnis aus, daß an die Stelle der großen konkurrierenden Erzählungen viele kleinere getreten sind. Er stellt in diesem konzisen Buch die Grundbausteine der einflußreichsten Theorien vor, rekonstruiert ihre Baupläne und testet sie auf ihre Brauchbarkeit hin. Auf welche Probleme sprechen sie an? Mit welchen Risiken, Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Verfallsdaten muß rechnen, wer sich ihnen anvertraut?

Einer solchen Handreichung liegt ein apothekarischer Wahrheitsbegriff zugrunde.

Wahr sind ihm zufolge Theoreme, die uns mit neuen Kräften versehen, uns helfen und erfrischen, und Theorien, die es eher auf Heilung als auf das Heil der Letztbegründung abgesehen haben.

Ein Thema, das wegen seinem Abstraktionsgrad und seiner vermeintlichen Dürre verschrieen ist, erweist sich, wenn ein Autor wie Hörischs es sich zu eigen macht, als überraschend aufregend, um nicht zu sagen: als amüsant. Ob die akademische Welt ihm das verzeihen wird - darauf darf man gespannt sein.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.01.2005

Es soll schon schmecken
Jochen Hörisch lädt in die „Theorie-Apotheke”
Wer wie der Mannheimer Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch eine „Theorie-Apotheke” aufmacht, die als „Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen” deklariert ist, steht von Anfang an in der Gefahr, eine Überdosis pharmazeutischer Metaphorik zu verabreichen.
Dieser Gefahr ist Hörisch, dies ist erst einmal beruhigend zu vermelden, nicht übermäßig erlegen. Zwar finden sich im Vorwort des Buches - das „Grundzüge, Grundgesten und Grundbegriffe” der zuletzt virulenten Theorien „vorstellen und prüfen” will - nicht wenige Proben des ausschöpfbaren Bilderpotenzials. Etwa diese: „Auch Arzneien sollte man ab und an wechseln - und auf ihr Verfallsdatum achten.” Womit im übrigen gleich die Sympathie des Autors für die „apothekarische Abkühlung aufgeheizter und fieberhafter Großkonzepte” beschrieben ist - eine Haltung, die ihn veranlasst, seine „pointierte, produktive Vereinfachungen nicht scheuende Darstellung von haltbaren Grundgedanken” in der demokratischen, enzyklopäischen Ordnung des Alphabets anzubieten: „Analytische Philosophie” bis „Zivilisationstheorie”. So kann der Apotheker Synthese-Reaktionen vermeiden, die sich durch zu viel chronologische oder systematische Bezüge ergeben hätten.
Doch trotz Vorwort und Titel (der stammt laut Hörisch von Hans Magnus Enzensberger, dem Noch-Herausgeber der „Anderen Bibliothek”, in der dieser Band erschienen ist) bleiben die apothekarischen Metaphern, wie gelobt, dosiert. Denn was hätte man nicht alles noch trefflich aus dem Schränkchen herausholen können an theoretischen Wechselwirkungen, Zuzahlungen, Beipackzetteln, Kassenrezepten und Darreichungsformen!
Viel Arznei, viel Honig
Nein, das Pharmakon, wie es laut Platon jede schriftliche Belehrung, auch diese undogmatisch daherkommende ist, dieses Heilmittel gegen das Vergessen ist nicht durchweg sichtbar, darf es auch nicht sein, wenn die Kultur- und Gesellschaftstheorien der Nachkriegsepoche nicht wie bittere Pillen schmecken sollen. Und das sollen sie eben nicht. Denn obschon außerhalb des akademischen Betriebs über diese Theorien nicht mehr so energisch debattiert werde, so Hörischs Zeitdiagnose, stehe ihnen angesichts der „anachronistischen Probleme”, der Kulturkonflikte unserer Tage ein „fragiles Comeback” bevor. Und so sei die Vertrautheit mit ihnen „Pflicht und Forderung des Tages”.
Um dies zu erreichen, dass wir auf den genießbaren Geschmack der Denkmodelle und Interpretationsweisen kommen, folgt Hörisch einem Rezept, das der philosophische Dichter Lukrez aufgestellt hat: Es ist das vom Becher der ernsten Lehre, dessen Rand mit dem „süßen Honig der Musen” bestrichen wird. Und so hält Hörisch in den 32 Einträgen dieses Buches seine Lust auf saftiges, individuelles, metaphernfreudiges, aktualitätsbeflissenes, Esprit statt Handbuchstaub atmendes Schreiben von der Sphäre des Medizinischen fern - und tobt diese Lust überall anders um so beherzter aus.
Das Verfahren hat gute und schlechte Folgen. Die guten sind Abschnitte, in denen tatsächlich auf wenigen Seiten die wichtigsten Gedanken eines theoretischen Ansatzes so angerissen werden, dass die nötigen Stichworte zum Weiterlesen und Weiterreden nachklingen. Dies gelingt etwa bei Lemmata wie „Medientheorie(n)” oder „Systemtheorie”, wenn man sie als Einstiegstexte nimmt, zumindest nach dem Geschmack des Rezensenten ganz gut.
Die schlechten Folgen sind Formulierungen wie diese: „Die gesamte Philosophie? Nein, ein kleiner Haufen unbeugsamer und teutonischer Denker blieb dem Paradigma der Selbstbewusstseinstheorie treu.” - „Pariser Intellektuelle haben Heideggers Hinterwelt-kritisches Seinsdenken auf Metropolenniveau gebracht - was Hinterwäldler naturgemäß nicht goutieren.” - „Kritische Rationalisten erkennt man auch daran, dass sie lieber Aussagen anderer falsifizieren, als selbst falsifizierbare Aussagen zu produzieren.” - „Und wie sieht ein emanzipiertes und aufgeklärtes Leben aus, das ohne den Satz auskommen muss: ,Ich liebe dich‘?” (Das steht im Kapitel „Feminismus”.) - „Analytische Philosophie ist dehalb unwiderstehlich für Köpfe, die Hegels, Heideggers oder Benjamins Schriften nicht verstehen und a priori fest davon überzeugt sind, dass das nur an diesen Schriften liegen könnte.”
Ein solcher Stil schränkt die Nutzung als Orienterungsbuch erheblich ein, als das eine alphabetische „Handreichung” auch dann dienen sollte, wenn sie sich die Individualität der Gewichtung noch so sehr ausbedingt. Lästig ist auch, dass Hörisch Darstellung und Wertung besonders dort, wo er einzelne Theorien nicht mag, nicht trennt, obwohl es jeweils immer einen eigenen Abschnitt „Wirkungen, Risiken und Nebenwirkungen” gibt.
Die Metapher lässt sich leider nicht vermeiden (vgl. „Metaphorologie”): Diese Apotheke ist vornehmlich für die Privatpatienten von Jochen Hörisch geeignet.
JOHAN SCHLOEMANN
JOCHEN HÖRISCH: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2004. 318 S., 28,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Johan Schloemann ist nicht sonderlich begeistert von dem neuen Buch des Medienwissenschaftlers Jochen Hörisch. Zwar sei es lobenswert, dass Hörisch bei seinem Versuch, "haltbare Grundgedanken" wie "Analytische Philosophie" oder "Zivilistationstheorie" in alphabetischer Reihenfolge als eine "Theorie-Apotheke" zu präsentieren, der Versuchung widerstanden hat, seine Notizen durch pharmakologische Metaphern aufzupeppen. Auch macht die Grundidee der schlichten Auflistung nüchterner Texte für den Rezensenten durchaus Sinn. So werden störende Querbezüge eliminiert, die eine chronologische oder systematische Ordnung mit sich brächten. Die Grundzüge einer Theorie können klar und deutlich hervortreten. Leider verfolgt Hörisch die Strategie, seine lobenswert klaren Definitionen durch metaphernreiche, "aktualitätsbeflissene" Ausführungen aufzubrezeln, die mit lästiger Sprachakrobatik protzen. Und die Theorien, die Hörisch nicht mag, werden nur verkürzt dargestellt. Nur für die "Privatpatienten" des Autors geeignet, resümiert Schloemann enttäuscht.

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