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Hausten die Wandalen wirklich wie die Wandalen? War Karl der Kahle wirklich kahl? Ein Historiker räumt auf mit den größten Irrtümer aus Geschichte, Politik und Kultur.Adolf Hitler - gewählt von den verzweifelten Arbeitslosen. Die Türken - traditionell ein Volk von Teetrinkern. Der österreichische Thronfolger - 1914 von Serben ermordet. Der Doge - unumschränkter Herrscher Venedigs. Wilhelm Tell - zum Apfelschuß gezwungen. Otto von Bismarck - der "eiserne Kanzler".Alles wahr? Alles falsch! Die Nazis gewannen die Wahlen Anfang der 30er, weil die bisherigen Nichtwähler für sie stimmten; die Türken…mehr

Produktbeschreibung
Hausten die Wandalen wirklich wie die Wandalen? War Karl der Kahle wirklich kahl? Ein Historiker räumt auf mit den größten Irrtümer aus Geschichte, Politik und Kultur.Adolf Hitler - gewählt von den verzweifelten Arbeitslosen. Die Türken - traditionell ein Volk von Teetrinkern. Der österreichische Thronfolger - 1914 von Serben ermordet. Der Doge - unumschränkter Herrscher Venedigs. Wilhelm Tell - zum Apfelschuß gezwungen. Otto von Bismarck - der "eiserne Kanzler".Alles wahr? Alles falsch! Die Nazis gewannen die Wahlen Anfang der 30er, weil die bisherigen Nichtwähler für sie stimmten; die Türken wurden erst nach 1920 - wegen Kaffeemangels - von Atatürk zu Teetrinkern umerzogen; der Attentäter von Sarajevo war Kroate; der Doge war ein machtloser Repräsentant; das Motiv des Apfelschusses stammt aus Skandinavien und wurde dem Schweize Nationalhelden erst nachträglich angedichtet; Bismarck war ein nervöses Wrack, dazu von kindischem Aberglauben geprägt.Das Lexikon der Geschichtsirrtümer räu mt auf unterhaltsame und fesselnde Weise mit liebgewordenen Überzeugungen und Legenden auf. Ein Muss für alle Geschichtsinteressierten!

Autorenporträt
Jörg Meidenbauer, Jahrgang 1959, ist promovierter Historiker, arbeitete lange Zeit als Lektor für renommierte Verlage und lebt heute als Autor, Herausgeber und Verleger in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2004

Ein Schelm vorm Schlieffenplan
Jörg Meidenbauer im Dickicht der historischen Irrtümer

Im Jahr 1692 erschien in Amsterdam eine Broschüre mit dem bescheidenen Titel "Projet et fragments d'un dictionnaire critique". Verfasser war der Exilhugenotte Pierre Bayle, der hier sein Vorhaben ankündigte, ein "Wörterbuch der wichtigsten Irrtümer" in den großen Personallexika seiner Zeit zu liefern. Erst fünf Jahre später folgte der erste Band, der das Konzept des Irrtums mit dem der Geschichte verband: Irrtümer sollten nicht nur angezeigt, sondern in ihrer Entstehung aufgezeigt werden. Bayles am Ende vierbändiges "Dictionnaire historique et critique" wurde ein Sensationserfolg und die Bibel der radikalen Aufklärer. Seither gibt es eine ununterbrochene Tradition in der Bekämpfung historischer Irrtümer. Deren Qualität steht oder fällt damit, daß die Skepsis gegenüber der historischen Aussage nur auf der Bühne großer Gelehrsamkeit und in Begleitung ihres Souffleurs, Selbstzweifel genannt, auftreten sollte.

Unsere Gegenwart, die sich zwar als Wissensgesellschaft gefällt, Gelehrsamkeit aber als elitär von sich weist, schätzt den decouvrierenden Gestus. Dieser Gestus gilt als populär und als sichere Brücke, über den der Uninteressierte und Unwissende zur Aufklärung gelangen kann. Der Traditionsstrom schleppt sich, das ist jedem augenfällig, "verschmutzt" dahin, kann aber mit einfachen Methoden gereinigt werden. Jörg Meidenbauers "Lexikon der Geschichtsirrtümer" beteiligt sich an dieser Umfüllaktion, das aber so, daß weniger das Ergebnis als der Stil des gewählten Verfahrens rezensionswürdig erscheint.

Was wird geboten? Belehrung über etwa zweihundert "historische Irrtümer" aus dem Bereich der gesamten Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte in alphabetischer Ordnung. Viele Fragen werden beantwortet, auf die man nicht so ohne weiteres gekommen wäre. Zwingende Fragen, die sich daraus ergeben, bleiben jedoch unbeantwortet, zum Beispiel die, was ein historischer Irrtum ist, wie man ihn definiert, wie man ihm begegnet und wie man ihn kunstgerecht beseitigt. Auf diese Weise ergibt sich zwar kein Wissen darüber, warum die Überlieferung irrt, wohl aber darüber, wie Meidenbauer sie verstanden haben will. So sage die Legende, daß der Konquistador Ponce de Leon 1513 nach dem Jungbrunnen suchte und dabei Florida fand. Was eine Legende ist und was ihr Verhältnis zur Wahrheit ausmacht, danach wird nicht gefragt. Die Päpstin Johanna, läßt der Autor vermuten, könnte es gegeben haben. Wie, fragt man sich verwundert, ist diese konfessionelle Streitfrage, über die man sich vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert und nicht nur im neunzehnten Jahrhundert heftig gestritten hat, immer noch unentschieden? Irrten die, die den quellenkritischen Beweis der Interpolation führten? Das wäre eine Sensation, hier würden alle Mediävisten die Zeugnisse sehen wollen. Aber ach, Frau Croß hat 1996 die Frage erneut aufgeworfen. Statt uns vom Irrtum durch Verweis auf die Wissenschaftsgeschichte zu befreien, setzt uns Meidenbauer abgestandene Zweifel vor.

Und überhaupt - werden hier lösbare Fragen formuliert oder nicht eher Scheinprobleme attackiert? Die Renaissance ließ Europa in die Neuzeit aufbrechen: Irrtum! Es war das geraubte Gold der Neuen Welt. Aha, der Irrtum lag im Überbau und die Wahrheit im Unterbau. Ein einfaches Vom-Kopf-auf-die-Füße-Stellen löst das Problem, ein vielfach erprobtes Verfahren.

Die Ausblendung jeder wissenstheoretischen Reflexion läßt den Autor oft Fragen so stellen, daß sie unbeantwortbar werden. Teilweise wird damit erst der Grund für neue Zweifel gelegt. Einen Irrtum stelle die Auffassung dar, "der Schlieffenplan habe Deutschland im Ersten Weltkrieg das Genick gebrochen". Richtig sei, daß die "Erschöpfung der wirtschaftlichen Reserven der Mittelmächte von 1917/18 an" kriegsentscheidend gewesen sei. Nur ein Schelm verfiele da auf die Antwort: Fein! Post hoc propter hoc! Der Schlieffenplan ging nun einmal vom Modell schneller Überwältigung aus, weil er die Unterlegenheit der deutschen Reserven voraussetzte. Wenn man bedenkt, daß Schlieffens Plan für die Art und Weise des deutschen Kriegseintritts eine große Rolle spielte, dann ist klar, daß er die Niederlage verursachte, und zwar sowohl durch seine Anwendung als auch durch sein Scheitern.

Das Beste, was der kritische Leser, will er kein Schelm sein, aus solchen Erörterungen gewinnen kann, ist die Einsicht: Historische Kausalität und Argumentation rettet man nicht dadurch, daß man sich eine These aus ihrem Geflecht heraussucht, um nur ihr Erklärungskraft zu verleihen.

Meidenbauer verzichtet bei seinem Kampf gegen den historischen Irrtum auf zeitnahe Quellen. Er verweist auf eine knappe Anzahl heute käuflicher Überblickswerke, die ihrerseits in den Artikeln nicht zitiert werden. Wie soll man das werten? Genügt historische Allgemeinbildung, um so knifflige Fragen zu lösen? Kann man, was man dem Verfasser unterstellen darf, aufklärend wirken, wenn man den wissenstheoretischen Status des historischen Irrtums nicht kennt und bei den Verfahren zu seiner Behebung beharrlich sich ausschweigt? Die akribisch gelehrte Aufhebung der Irrtümer, so könnte der Autor entgegnen, ist nicht nach dem heutigen Publikumsgeschmack und schon gar nicht die unvermeidliche Erkenntnis, daß man den Zweifel dabei nicht beseitigt, sondern nur verfeinert.

Heißt Aufklärung heute notwendig, so respektlos mit dem Irrtum umgehen zu dürfen? Wenn ja, dann sei hier auf die These des Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraß verwiesen, daß "der Umgang mit dem Irrtum die menschliche Weise des Umgangs mit der Wahrheit" sei.

Fazit: Jörg Meidenbauer nimmt es mit der historischen Wahrheit nicht so genau, wie man das heute mit nur wenig größerer Anstrengung tun kann. Was folgt daraus für den Leser? Er mache sich klar, daß der Irrtum, weil er ein ethisches Fürwahrhalten einschließt, einen das Wissen mit dem Handeln verbindenden Charakter hat. Welches Handeln steht noch aus? Die Suche nach einem Platz im Regal für dieses Lexikon. Plazieren wir es unter die "Acta semieruditorum", einer Kategorie, welche die gleichnamige Zeitschrift, die ab 1709 in Leipzig erschienen ist, hart, aber nicht unfair umschreibt: "Nachricht und Urtheile von unnützen, schädlichen und grobe Fehler und Irrthümer mit sich führenden Büchern, übelgerathnen Dissertationibus, unbedachtsamen Übersetzungen, nichtswürdigen Chartequen." Dafür sei Platz auch in der kleinsten Bibliothek.

MARKUS VÖLKEL.

Jörg Meidenbauer: "Lexikon der Geschichtsirrtümer". Von Alpenüberquerung bis Zonengrenze. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2004. 360 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Keineswegs überzeugt zeigt sich Rezensent Markus Völkel von Jörg Meidenbauers "Lexikon der Geschichtsirrtümer", das über etwa zweihundert "historische Irrtümer" aus dem Bereich der gesamten Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte in alphabetischer Ordnung aufklären will. Völkel moniert zunächst, dass sich der Autor darüber ausschweige, was ein historischer Irrtum eigentlich sei, wie man ihn definiere, ihm begegne und ihn kunstgerecht beseitige. Vor allem aber kritisiert Völkel den Mangel an wissenschaftlicher Reflexion und den Verzicht auf zeitnahe Quellen. Meidenbauer verweise lediglich auf eine knappe Anzahl heute käuflicher Überblickswerke, die ihrerseits in den Artikeln nicht zitiert werden. Statt vom Irrtum durch Verweis auf die Wissenschaftsgeschichte zu befreien, setze Meidenbauer dem Leser "abgestandene Zweifel" vor. Abschließend hält Völkel dem Autor vor, es mit der historischen Wahrheit nicht so genau zu nehmen, "wie man das heute mit nur wenig größerer Anstrengung tun kann".

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