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Peter Cameron erzählt die Geschichte des 18-jährigen James, der sich den Spielregeln seiner erfolgreichen Eltern vehement verweigert. James sucht seinen Platz nicht in der dekadenten Welt der New Yorker Upper Class, sondern im "echten" Leben fern aller Heuchelei und Verlogenheit. Ein "Fänger im Roggen" des 21. Jahrhunderts - provokant, klug und zornig.
Es ist ein heißer Sommer in New York City, aber James leidet nicht nur unter der Hitze, sondern auch unter der Forderung seiner Eltern, endlich vernünftig und erwachsen zu werden. Im Herbst soll er auf die Universität gehen, die Eltern haben
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Produktbeschreibung
Peter Cameron erzählt die Geschichte des 18-jährigen James, der sich den Spielregeln seiner erfolgreichen Eltern vehement verweigert. James sucht seinen Platz nicht in der dekadenten Welt der New Yorker Upper Class, sondern im "echten" Leben fern aller Heuchelei und Verlogenheit. Ein "Fänger im Roggen" des 21. Jahrhunderts - provokant, klug und zornig.

Es ist ein heißer Sommer in New York City, aber James leidet nicht nur unter der Hitze, sondern auch unter der Forderung seiner Eltern, endlich vernünftig und erwachsen zu werden. Im Herbst soll er auf die Universität gehen, die Eltern haben seine Zukunft haargenau geplant, alles ist entschieden. Doch für James ist die Vorstellung, genau so zu enden wie seine Eltern, ein Gräuel. Seine Mutter hat gerade ihre dritte Ehe in den Sand gesetzt, sein Vater hat nichts anderes im Kopf, als den besten Schönheitschirurgen für seine Tränensäcke zu finden. Auf gar keinen Fall will James so werden wie seine Eltern. Für eine Welt, in der man mitHunden mehr spricht als mit Menschen, in der man sich ständig belügt und die eigene Angst und Hilflosigkeit hinter Floskeln verbirgt, hat er nichts übrig. Er will ein sinnvolles Leben führen. Mit der naiven Arroganz eines 18-jährigen fordert er die Erwachsenen heraus. Dabei gerät er in einen Sog aus Zweifel und Mutlosigkeit, bevor er schließlich seinen eigenen Weg findet.
Autorenporträt
Peter Cameron, geboren 1959, wuchs in New Jersey auf und lebt heute in New York. Für seine Erzählungen wurde er zweimal mit dem O. Henry Award ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2008

So unmännlich wie Pasta

Die Leiden der Jugend, aufgehoben im Museum der Unschuld: Peter Camerons einfühlsamer Entwicklungsroman über einen jungen Stadtneurotiker ist auch etwas für Erwachsene.

Zufälligerweise war der Tag, an dem meine Schwester Gillian beschloss, dass ihr Name künftig mit hartem "G" auszusprechen sei, derselbe Tag, an dem meine Mutter aus den Flitterwochen zurückkehrte, vorzeitig und allein." So oder ähnlich lustig beginnen viele amerikanische Pubertätsromane. Am Ende schmerzlicher Lehrjahre hört der unglückliche Jüngling dann, mit Hegels "Ästhetik" zu reden, meistens auf, mit seinem Wünschen und Meinen ein Loch in die Ordnung der Dinge stoßen zu wollen, und gibt klein bei: "Mag einer auch noch so viel sich mit der Welt herumgezankt haben, umhergeschoben worden sein, zuletzt bekommt er meistens doch sein Mädchen und irgendeine Stellung, heiratet und wird ein Philister so gut wie die anderen auch." James hält die Welt für sehr unvernünftig und spießig, aber hat nicht den Ehrgeiz, sie verändern zu wollen; sein Ideal ist "gar nichts tun, sich nicht anmaßen, den Lauf der Welt zu stören". Und ein Mädchen sucht er eigentlich auch nicht; eher einen Jungen, aber das weiß er noch nicht. Umhergeschubst und vernachlässigt fühlt sich die Scheidungswaise dagegen schon.

Die Mutter ist eine umtriebige New Yorker Galeristin, die weder in der Liebe noch im Kunsthandel Glück hat; die Installationen ihres namenlosen japanischen Künstlers - Mülltonnen, mit Bibel- und Koranversen tapeziert - gehen nach dem 11. September jedenfalls nicht so gut. Der Vater, ein erfolgreicher Anwalt, interessiert sich mehr für die operative Beseitigung seiner Tränensäcke als für seinen Sohn. Gillian nervt ihren kleinen Bruder mit ihrem linguistischen Tick und ihrem Freund, einem an sich nicht unsympathischen deutschen Sprachphilosophen. James hat wenig Freude und keine Freunde, außer Miro, dem Hund, und John, dem schwulen schwarzen Kunststudenten, der in Mutters Galerie jobbt. Ausgerechnet diese Freundschaft verscherzt er sich durch einen dummen Streich.

James ist sensibel und klug, vermutlich sogar, wie die Therapeutin bemerkt, "schlauer, als ihm guttut". Natürlich will er Anarchist und Atheist und mindestens so witzig wie Woody Allens Stadtneurotiker sein. Er hasst gedankenlose Phrasen wie "Ich verstehe" und sieht nicht ein, warum man richtige Gedanken auch noch laut und deutlich ausdrücken soll. Lieber gar nichts sagen als etwas ungenau ausdrücken; so stellt James sich ein Bein nach dem andern und verzettelt sich auf Nebenkriegsschauplätzen. Der kleine Wittgenstein zerpflückt jede Smalltalk-Floskel, jede Frage seiner Therapeutin mit höhnischen Bemerkungen und einer als Sprachskepsis getarnten pedantischen Besserwisserei: Worüber man nicht reden will oder kann, muss man mit Schweigen, Spitzfindigkeiten oder auch jugendlicher Frechheit hinweggehen; es kümmert eh niemanden. James liest Proust, Trollope und Denton Welch und liebt Filme von Eric Rohmer. Dafür hasst er seine Landsleute, ihre stumpfsinnige Herzlichkeit, ihre Dummheit und pragmatische Vernunft; selbst Mutter Teresa und andere "Spitzenheilige" sind ihm ein Greuel.

Kluge Menschen sollten nicht lachen, hoffen, lieben, sondern sich melancholisch und leise von der Party des Lebens davonstehlen, bevor sie recht begonnen hat. James will nicht aufs College und am liebsten gar nicht unter Menschen gehen. Er sucht keine Stellung als Investmentbroker, allenfalls einen "Job für Lämmer und Kaninchen". Im Internet hält er schon mal nach einem kuscheligen Häuschen in Kansas Ausschau; in Museen im Gespräch mit alten, nutzlosen Dingen oder auf Hundeplätzen fühlt er sich wohler als in jeder Galerie. James ist mehr als nur ein Fremdling in der Welt der Erwachsenen: Er fühlt sich wie ein Alien, und als ihn seine Eltern dann noch verständnisvoll als homosexuell outen, bekommt seine allgemeine Entfremdung noch einen ganz speziellen, erhebenden Kick.

In Wahrheit hat James den "irreversiblen Knacks", seit er im Rahmen der Aktion "Amerikanisches Klassenzimmer" nach Washington fahren durfte: Das Gekicher der Gleichaltrigen, die Mehrbettzimmer, das Geschwätz der Senatorenfrauen waren ihm so zuwider, dass er sich mit Mutters Kreditkarte in einem Hotel einquartierte und von der Polizei nach Hause gebracht werden musste. Seither grübelt, lästert und bockt er im Stillen. Seine pubertäre Renitenz ist so sanft, zart und kompliziert, dass nur seine Großmutter sie überhaupt wahr- und ernst nimmt.

Ursprünglich wollte Cameron seinen Roman "But I won't" nennen, nach James' patziger Antwort auf das Yes-I-can-do-it-Tagesmotto im Segelcamp. Jetzt heißt der Roman im Original "Someday this pain will be useful for you", frei nach Ovids "Trag es und habe Geduld; dereinst wird dieser Schmerz dir nutzen", dem Motto der schwedischen Marine, das in der deutschen Übersetzung wie eine Drohung klingt. "Du wirst schon noch sehen, wozu es gut ist" wurde in Amerika als Jugendliteratur, als neuer "Fänger im Roggen", vermarktet, aber das ist ein Missverständnis. Egal, ob James sich über die Hundehalter auf dem Washington Square, die Psychoanalyse oder den New Yorker Kunstbetrieb lustig macht: Seine Abneigung gegen Oberflächlichkeit, Brutalität und Verlogenheit kommt so pfiffig und weise daher, dass man sein Meinen und Wünschen auch als Erwachsener leicht nachvollziehen kann. Und wenn seine tragikomische Weltflucht dann ins Pathologische kippt, will man den einsamen Jungen erst recht nicht mehr alleinlassen.

Wozu das Leiden gut sein kann, sieht James nicht. Am Ende ahnt er immerhin, dass er sich nicht ewig in seiner wunden Seele verkriechen, ironisch aus der Verantwortung stehlen kann. Der erste Schritt dazu ist, dass er die Dinge, die ihm seine Großmutter vermachte, nach ihrem Tod nicht verkauft, sondern in einer klimatisierten Lagerhalle hortet. Alten Krempel für teures Geld aufbewahren ist für James' Eltern der ultimative Knacks. Aber: "Wie soll ich wissen, welche Sachen ich einmal brauchen werde?"

Cameron hat einen schönen New-York-Roman geschrieben, der sich (ähnlich wie Jonathan Safran Foer in "Alles ist erleuchtet") auf subtile, spielerisch-indirekte Art mit dem Trauma des 11. September auseinandersetzt, einen einfühlsamen Entwicklungs- und Coming-out-Roman. Es ist ein sehr europäisches Buch, unangestrengt tiefsinnig, elegant, makellos in der Form und der Verschränkung der Motive, James' Vaters würde sagen: so unmännlich wie Pasta als Hauptgang. Und ganz zuletzt sieht man dann sogar, wozu James' Leiden gut war: Im Museum der Unschuld wird die schlechte Vergangenheit einer unglücklichen Kindheit im Hegelschen Sinne aufgehoben.

MARTIN HALTER

Peter Cameron: "Du wirst schon noch sehen, wozu es gut ist". Roman. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Kremer. Albert Knaus Verlag, München 2008, 253 S., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Und ob dieser Roman zu etwas gut ist! Martin Halter erkennt in dem ausdauernd pubertäre Renitenz übenden Helden mit ultimativem Knacks nämlich augenscheinlich einen Kollegen Bartlebys. Keine reine Jugendliteratur also, was Peter Cameron da verfasst hat, sondern ein "weiser" wie "eleganter" New-York-Roman, der sich spielerisch und, wie Halter erklärt, auf sehr europäische Art auch mit dem Trauma des 11. September befasst. Weil er ihm formal und in der Verschränkung der Motive zudem makellos erscheint, möchte Halter diesen einfühlsamen Entwicklungsroman gerne weiterempfehlen.

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