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Eine Frau stellt sich ihrer Vergangenheit. Seit zwanzig Jahren wohnt Disa in England auf dem Lande und leitet ein renommiertes Hotel. Seit zwanzig Jahren meidet sie jeden Gedanken an die Vergangenheit und hütet sorgsam das große Geheimnis ihres Lebens. Erst als sie erfährt, dass sie bald sterben muss, bricht sie in ihre isländische Heimat auf, wo sie das Glück und die Tragödien ihrer Jugend noch einmal durchlebt.

Produktbeschreibung
Eine Frau stellt sich ihrer Vergangenheit. Seit zwanzig Jahren wohnt Disa in England auf dem Lande und leitet ein renommiertes Hotel. Seit zwanzig Jahren meidet sie jeden Gedanken an die Vergangenheit und hütet sorgsam das große Geheimnis ihres Lebens. Erst als sie erfährt, dass sie bald sterben muss, bricht sie in ihre isländische Heimat auf, wo sie das Glück und die Tragödien ihrer Jugend noch einmal durchlebt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2002

Ich werde Islands Meisterköchin
Gekünstelter Schrecken: Olaf Olafsson schickt seine Heldin heim

Wovon handelt dieser Roman? Das ist nicht einfach zu beantworten. Nicht, weil das Buch sich in Geheimnisse hüllt. Der Autor neigt zwar dazu, mentale und praktische Konsequenzen eines Ereignisses weitschweifig abzuhandeln, bevor er endlich auf die Ursache der jeweiligen Reaktionen zu sprechen kommt, und in solchen Fällen scheint es dem Leser, als sei der Text umgeben von einer Rätselaura. Dies glaubt er allerdings höchstens bis zur Buchmitte, denn der Trick nutzt sich ab, des Lesers Spannung schrumpft, seine Ungeduld wächst.

Läßt sich die Frage von der Hauptfigur her beantworten? Asdis Jonsdottir, genannt Disa, stammt wie der Buchautor Olaf Olafsson aus Island. Allerdings ist sie eine satte Generation älter als ihr Schöpfer, der 1962 in Reykjavik geboren wurde. Disas Geburtsjahr wird nicht genannt, aber sie weiß von Vorkommnissen in den frühen dreißiger Jahren zu berichten, ist während des Zweiten Weltkrieges eine junge Erwachsene und erlebt in den Sechzigern ihr höchstes Glück und ihren Untergang. Ein Island-Roman also, eine Saga des zwanzigsten Jahrhunderts? Eigentlich nicht. Das Buch nährt sich natürlich auch aus isländischen Wurzeln, aber mindestens ebenso wichtig ist England, wo der jungen Disa Wesentliches widerfährt und von wo die gereifte Disa zur Reise in die isländische Vergangenheit aufbricht. Quasi abgenabelt von der nordischen Heimat ist übrigens auch der Autor, der seit längerem in New York lebt. Es muß nicht wundernehmen, daß der Roman des Isländers über eine Isländerin in englischer Sprache geschrieben wurde.

Wer danach sucht, was Asdis Jonsdottir aus der Masse ihrer Generationsgefährten hervorhebt, wird nicht viel finden. Disa ist ein Mädchen aus dem Dutzend, nett und hübsch, geplagt von Familienzwistigkeiten, besonders solchen mit der Mutter, von unklaren Sehnsüchten getrieben, aber auch von klarem Ehrgeiz. Sie will eine Meisterköchin werden, und das wird sie schließlich auch. Es ist bemerkenswert, daß ein männlicher Autor sich so einfühlsam um Disas Empfindungen bemüht. Dazu kommt seine erstaunlich kenntnisstarke Schilderung ihrer Küchentriumphe, bis hin zu präzisen Rezepten der Kochkunstwerke aus den mageren Kriegsjahren wie der verführerischen Friedensleckereien.

Doch davon allein handelt das Buch nicht. Es versucht sich unter anderem auch als Widerspiegelung eines Zeitalters im privaten Schicksal einer Frau. Hier aber hat sich der Autor eine Falle gebaut. Er hat seine Heldin zur Sprecherin gemacht, läßt sie im Ich-Ton erzählen. Das bedeutet, daß er sich auf das Niveau einer braven, durchaus nicht dummen, aber intellektuell doch begrenzten Person festlegt. Disa hat die europäische Krise miterlebt, die im Zweiten Weltkrieg kulminierte, aber noch dreißig Jahre später versteht sie nicht genug davon, um es hinreichend entschlüsseln zu können. Sie liebte den deutschen Juden Jakob, der im Terrorherbst 1938 heim zu seinen Eltern eilte und mit ihnen im Konzentrationslager endete. Doch noch Jahrzehnte danach hat Disa kaum eine Vorstellung vom KZ-System des Dritten Reiches. Es ist freilich auch möglich, daß der Romanautor selbst nur Grundschulkenntnisse von diesen Dingen hat. Die Nachrichten vom Schrecken jedenfalls, die er seiner Heldin aus Briefen und anderen Dokumenten zukommen läßt, sind seltsam gekünstelt; sie widerlegen die realen Überlieferungen zwar nicht, gehen aber an ihnen vorbei.

In den sechziger Jahren hat Disa einen englischen Lebensgefährten namens Anthony, mit dem sie erfolgreich ein namhaftes Landhotel leitet. Glücklich jedoch ist sie nicht, denn sie wird sterben, an Krebs offenbar, ganz deutlich wird das nicht. Jedenfalls nimmt sie die Todesbotschaft ihres Arztes zum Anlaß, den Ort ihrer englischen Erfolge zu verlassen und eine Reise in die isländische Heimat zu unternehmen, zurück in die Kindheit, in die jungen Jahre. Alles läßt sie Revue passieren, was ihr je zugestoßen ist. Dem Autor gibt es die Chance, uns Dutzende von Disa-Geschichten zu präsentieren, sämtlich mehr oder weniger verstrickt in unsere Allgemeingeschichte.

Neugier angesichts eines fremden Geschicks ist das Äußerste, was der Roman dem Leser entlockt. Und höchstens leicht schockiert nimmt man eine Enthüllung zur Kenntnis, die Disa respektive der Autor gegen Schluß serviert: Die Heldin wurde als junges Mädchen vergewaltigt, der Tat entsproß ein Sohn, der bei Pflegeeltern aufwuchs. Das Gewaltkind gedieh prächtig, die leibliche Mutter könnte zufrieden sein, hätte sie nicht ihren Tod vor Augen. Eine Antwort auf die Frage, wovon der Roman eigentlich erzählen will, liegt auch hierin nicht verborgen.

SABINE BRANDT

Olaf Olafsson: "Der Weg nach Hause". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christiane Winkler. Albrecht Knaus Verlag, München 2002. 252 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Brandt wirkt in ihrer Kritik des Romans um eine Frau aus Island, die ihre Heimat verlässt, zur Meisterköchin wird und, todkrank, noch einmal dorthin zurückkehrt, etwas ratlos. Was, fragt sie, will uns dieses Buch eigentlich erzählen? Hätte sich der isländische Autor, der heute in New York lebt, lediglich auf den Lebensweg der Ich-Erzählerin beschränkt, wäre die Rezensentin ganz zufrieden gewesen, wie es scheint. Sie lobt, wie "einfühlsam" Olafsson die Gefühle und Gedanken der Protagonistin erzählt und ist ziemlich beeindruckt, welche Fachkenntnisse er nicht zuletzt auf dem Gebiet der Kochkunst vorzuweisen hat. Doch versucht der Autor gleichzeitig, das Einzelschicksal als exemplarisch für die Zeitgeschichte von den 30-er Jahren bis zum 2. Weltkrieg und der Nachkriegszeit darzustellen, und hier ist das Buch für Brandt nicht mehr überzeugend. "Seltsam gekünstelt" wirken ihrer Meinung nach die im Roman enthaltenen Nachrichten vom nationalsozialistischen Terror, und sie fragt sich etwas beunruhigt, ob der Autor wohl auch nur "Grundschulkenntnisse" von diesem Thema hat wie seine Hauptfigur. Mehr als ein bisschen "Neugier" für das Leben der Protagonistin kann das Buch der Rezensentin nicht abringen, und das findet sie offensichtlich zu wenig.

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