Marktplatzangebote
40 Angebote ab € 0,25 €
  • Gebundenes Buch

Robert Schneider erzählt von dem Schicksal zweier Bauernkinder aus dem Rheintal, Antonia und Balthasar. Während der großen Depression werden beide zur Kinderarbeit nach Amerika verkauft. Auf dem Schiff nach New York lernen sie sich kennen und bleiben fortan unzertrennlich - fast sieben Jahre lang. Dann hört Aaron Fleisig, der Korrepetitor der Metropolitan Opera, Antonia singen... Dieser Roman bildet den letzten Teil der "Rheintalischen Trilogie" Schneiders.

Produktbeschreibung
Robert Schneider erzählt von dem Schicksal zweier Bauernkinder aus dem Rheintal, Antonia und Balthasar. Während der großen Depression werden beide zur Kinderarbeit nach Amerika verkauft. Auf dem Schiff nach New York lernen sie sich kennen und bleiben fortan unzertrennlich - fast sieben Jahre lang. Dann hört Aaron Fleisig, der Korrepetitor der Metropolitan Opera, Antonia singen... Dieser Roman bildet den letzten Teil der "Rheintalischen Trilogie" Schneiders.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.02.2000

Traumes Tochter
In der Nacht ist alles Mondlicht grau: Robert Schneider vollendet seine Rheintal-Trilogie
„In der Nacht auf Michael des Jahres 1922 schrak Antonia Sahler aus einem vielstimmigen Traum. Mit entseelten Augen starrte das Kind in die von grauem Mondlicht erfüllte Kammer und hatte Gewissheit: Abschied nehmen müsse es von daheim, weggehen, und zwar bald, und zwar für immer. ”
So geht der Anfang von Robert Schneiders neuem Roman, und man denkt sich: eigentlich ganz ordentlich. Zwar gehören Ausdrücke wie „vielstimmiger Traum”, „entseelte Augen”, „graues Mondlicht” in dieser Häufung in die unteren Regale der Trickkiste Adjektivkunst, doch zurecht hat der junge Hans Magnus Enzensberger einmal gesagt, er stelle sich „Romanautoren” immer „dick” vor: Wer Größenordnungen von 200 Seiten an plant, der muss immer mal wieder Fett zwischen Essentielleres schmieren, sonst geht der vom Leser dicker Bücher gern erfühlte lange Atem aus, und jene, die Sprache beim Lesen von vornherein kaum interessiert, fühlen sich um den Schlaf in der bewährten Hängematte „spannende Handlung” gebracht. Und diese Handlung scheint beim dritten Roman von Robert Schneider, dem mit „Schlafes Bruder” bekanntlich ein Welterfolg geglückt ist, dessen „Luftgängerin” nur mit dem Schlafes-Kredit noch lief, doch deutlich garantiert: Abschiede, und zwar für immer, bringen Schwung ins Anfangspathos. Der zweite Abschnitt nimmt den Ton dann auf: „Ein letzter großer Sommertag . . .” – also Rilke für alle, wie hinten auf dem Umschlag schon mottohaft angedeutet ist: „Wir alle haben einmal unser Leben vorausgesehen. Unser geglücktes Leben. Seitdem tasten wir mit blinder Sehnsucht durch die Zeit. ”
„Die Unberührten” heißt der dritte Teil von Schneiders Rheintal-Trilogie, und Antonia Sahler ist seine Hauptfigur. Dass das siebenjährige Mädchen weitreichende Entschlüsse fasst, stört in diesem Zusammenhang niemanden. Schließlich erzählt Schneider wieder ein „modernes Märchen”, zu dem Antonias mittelalterliche Gesichte passen: Sie sieht also Ereignisse voraus. Auch zu ihren Vorfahren hat Antonia einen guten Draht. So geschieht dem adoleszenten Rheintaler Mädel in New York, wohin es nach historischem Vorbild verkauft worden ist, dass der reiche, junge, hübsche, gebildete, feinfühlige, musikalische und zur Leser-Schonung auch noch konvertierte Jude Aron Fleisig sagt, es müsse nichts mehr tun. Er sei jetzt für es da. So ging’s schon Alma, Tonys Mutter, einer „kessen” (!) Bernerin mit dem Papa.
Reich-Ranicki sagt gerne mal: „Unterhaltungsliteratur langweilt mich!”, und manch einem seiner Fans mag dabei der Schauder in die Glieder fahren. Robert Schneider hingegen würde eifrig nicken. Auch er distanziert sich, in den „Unberührten” nun schon zum zweiten Mal, von Unterhaltungsliteratur; indem er sich bei seinem Handwerk, nach dem passablen Anfang, bald keine Mühe mehr gibt. Und das ist gar nicht schön. Denken können muss nicht jeder Autor, aber schreiben können sollte er schon. Und wer’s nicht kann, muss halt üben.
Was zum Beispiel, lieber Robert Schneider, ist denn von folgender Passage zu halten: „Übers Jahr geriet das verwahrloste Mädchen zu einer schönen jungen Frau, die sich mit traumwandlerischer Sicherheit zu tragen verstand. Ihr Körper wurde rundlich, die Kurzsichtigkeit behob eine reizende goldgefasste Brille, die lädierten Zähne prangten wieder vollzählig im lachenden Mund. ” Gehört, wer seine Hauptfigur auf diese Weise lächerlich macht, nicht doch gesotten? Und wie wird Tonys Singen denn beschrieben? „Antonia war die Musik selbst. Antonia war körperlos. Antonia war die Seele. In den Höhen von fast eisiger Kälte, in der Mittellage warm wie ein Bad am Samstagabend, in der Tiefe fast heiser, aber von unbeschreiblich schöner Traurigkeit. Ausruhen mochte man sich in dieser Stimme. ”
Robert Schneider schreibt so schlecht, dass es fast (ein Wort, das dieser Autor liebt) schon wieder eine Freude ist. „Die Luftgängerin” wurde, wird er sich gesagt haben, trotz aller bösen Rezensionen, noch immer gut verkauft: „Kann man noch mieser schreiben? Wann merkt es der verarschte Leser?” Dies scheint die Leitfrage hinter all den Sätzen der „Unberührten” zu sein, die sich von einer Seite auf die andere schleppen.
Nur: Manchmal geht dem Autor dabei die Puste aus. Aber auch da weiß Schneider Rat: „So vieles will erzählt sein aus den ersten Monaten von Antonias Leben in den feinen Kreisen der Upper West Side. ” Klar, aber welche Mühe. Man transpiriert als Leser schon mit. Und wieder: „Erzählt werden will, wie Aron und Antonia durch die Straßen von Manhattan strichen, tête-à-tête im Lüchow’s dinierten . . .” Will das erzählt werden? Oder das: „Erzählt werden will, wie das Mädchen Berenice, mit dem er liiert gewesen war, magersüchtig wurde vor Liebeskummer, wie es einen Selbstmordversuch vortäuschte, wie sich Aron aus Schwachheit am Telefon verleugnen ließ . . .”
Es ist ein tirilierendes Nicht-Erzählen in diesem Buch, das zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Hat man sich in Schneiders Schreibweise einmal eingelesen, bedauert man, wenn eine Seite ohne fetten Patzer gelingt: „Als er am späten Nachmittag heimkehrte und man ihm die Nachricht mit fraulicher Sanftheit beizubringen suchte, fing er stumm zu weinen an”. Wie nahe werden dem Leser die Figuren dabei gebracht: „Als sich der Spanier einmal beim Koitus über ihr erbrach, da hatte sie zum erstenmal in ihrem Leben ernstlich Mordgelüste. ”
Beim Koitus! Das versteht jeder: „Die Worte fügten sich zueinander ohne krampfhaftes Nachdenken. Sie waren immer dagewesen, liegengeblieben in einem verschütteten Schacht des Bergwerks Erinnerung. ” Nein, nur kein Krampf, nichts Verquastes, leicht und locker bleiben.
HANS-PETER KUNISCH
ROBERT SCHNEIDER: Die Unberührten. Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 2000, 256 Seiten, 38 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eijeijei, da hatte ein Rezensent aber schlechte Laune. Dass Matthias Altenburg - selbst ein Schriftsteller - den neuen Roman Robert Schneiders vernichtet, wäre schwach ausgedrückt. Wer diesen Roman gerecht besprechen soll, so legt er dar, sieht sich ja gleich "in die Rolle des Scharfrichters genötigt". Altenburg schreibt dabei nicht ohne Witz, aber nicht immer mit Argumenten. Ihn stört das Kunstgewerbliche an Schneiders Prosa, und er zitiert - durchaus überzeugend - einige Stilblüten - aber er weigert sich, die Fabel des Romans auch nur ansatzweise wiederzugeben. "Nein, was für eine Story!" ruft er nur, und "Gnade für Robert Schneider!" Hoffentlich hat Altenburgs nächstes Buch mehr Erfolg.

© Perlentaucher Medien GmbH