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Der Kronprinz hatte Augenmaß und politisches Gespür, Eigenschaften, die bei seinem Vater, Kaiser Wilhelm II, wenig entwickelt waren. Dem Verfasser gelingt eine fakten- und aufschlußreiche, sehr gut lesbare Darstellung des letztlich tragisch verlaufenen Lebens des Thronfolgers. Der Leser erfährt mit Staunen, in welch strenges Korsett der kaiserliche Nachwuchs tatsächlich eingebunden war.

Produktbeschreibung
Der Kronprinz hatte Augenmaß und politisches Gespür, Eigenschaften, die bei seinem Vater, Kaiser Wilhelm II, wenig entwickelt waren. Dem Verfasser gelingt eine fakten- und aufschlußreiche, sehr gut lesbare Darstellung des letztlich tragisch verlaufenen Lebens des Thronfolgers.
Der Leser erfährt mit Staunen, in welch strenges Korsett der kaiserliche Nachwuchs tatsächlich eingebunden war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2002

Schonzeit für Wilhelm III.
Wäre der deutsche Kronprinz ein guter Kaiser geworden?

Helmut Ries: Kronprinz Wilhelm. Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2001. 208 Seiten, 24,90 Euro.

In einer Monarchie sind Konflikte zwischen Amtsinhaber und Thronfolger wohl unvermeidlich. Auch das deutsche Kaiserreich blieb von dem Kronprinzendilemma nicht verschont. Der Generationenkonflikt blieb Wilhelm II. und seinem ältesten Sohn nicht erspart. Kronprinz Wilhelm war in der Öffentlichkeit unbeliebt. So gab der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Alfred von Kiderlen-Waechter, einem zur Hofjagd eingeladenen Bekannten folgende zynische Empfehlung: "Nehmen Sie sich nur in acht, daß Sie den Kaiser nicht totschießen, der, der dann kommt, ist noch schlimmer."

Stimmte das? War der Kronprinz noch schlimmer als sein Vater, der immerhin mehrere Staatskrisen, einen Weltkrieg und den Zusammenbruch der Monarchie zu verantworten hatte? Nachdem Wilhelm II. in den letzten Jahren zu einem ausgesprochenen Lieblingsobjekt gerade angelsächsischer Biographen, etwa jüngst John Röhls, geworden ist, war es an der Zeit, sich einmal seinem Sohn zuzuwenden, dem Hohenzollern, der niemals als Wilhelm III. auf dem deutschen Thron sitzen sollte. Die letzten Biographien sind immerhin schon einige Jahrzehnte alt.

Nun liegt ein neues Werk vor. Helmut Ries unterrichtet den Leser über Jugend, Erziehung, Schullaufbahn, Ehe und militärische Laufbahn des 1888 geborenen Prinzen. So werden die Fragen behandelt, ob Wilhelm ein guter oder schlechter Schüler war, ein Dandy, ein Frauenliebling, ein guter Reiter und Sportsmann - und ein Frondeur gegen seinen Vater. Ries skizziert den Prinzen als jemanden, der das System an sich nicht in Frage stellte, aber doch eine gewisse lässige, dandyhafte Opposition erkennen ließ.

Besonders wichtig war die historische Rolle des Prinzen im Ersten Weltkrieg. Denn Wilhelm wurde, obwohl erst 26 Jahre alt, bei Kriegsausbruch 1914 zum Oberbefehlshaber der 5. Armee ernannt. Dabei war er natürlich auf seine Berater angewiesen, da er von seiner Ausbildung her nicht in der Lage war, diese komplexe Aufgabe zu erfüllen. In der zweiten Kriegshälfte befehligte er sogar einen noch größeren Verband, die "Heeresgruppe Deutscher Kronprinz". 1916 mußte seine 5. Armee den verhängnisvollen Angriff auf Verdun durchführen. Hier erlitt das öffentliche Ansehen des schon zuvor als "Bruder Leichtfuß" bekannten Kronprinzen den letzten verhängnisvollen Stoß, der seine Nachfolge 1918 bei der Abdankung des Vaters bereits unmöglich machte. Ries zeigt hier die - allerdings bekannte - Tatsache, daß der Kronprinz den Angriff auf Verdun eher als Statist erlebte, gegängelt vom Generalstab und vom Stabschef Generalleutnant Konstantin Schmidt von Knobelsdorff. Und daß er dem Desaster mit immer größerem Widerwillen zusah und schließlich versuchte, es zu beenden.

Der Prinz war während des Krieges in mehrere Führungsintrigen verwickelt, die Ries zu knapp behandelt. Von strammen Nationalisten aufgestachelt, intrigierte der Prinz nämlich fortwährend und zur zunehmenden Verzweiflung seines Vaters beispielsweise gegen den Reichskanzler von Bethmann Hollweg, an dessen Sturz er einen nicht unbedeutenden Anteil hatte.

Dann ging er mit ebensolcher fehlgeleiteter Verve gegen den Chef des Zivilkabinetts, von Valentini, vor, dem vorgeworfen wurde, er sei ein "Flaumacher". Gelegentlich hatte der Prinz aber richtige Eingebungen. So verlangte er 1917 nach einem Kompromiß- und Verzichtfrieden. Diesmal lag sein Vater falsch und schwamm ganz im Fahrwasser des Chef-Durchhalters Erich Ludendorff. Doch wie auch immer sein Standpunkt war, ob alldeutsch oder Anhänger des Verzichtfriedens: Der Thronfolger war in seinen Ansichten schwankend und ließ sich viel zu rasch und viel zu weitgehend beeinflussen.

Immerhin war der Prinz nicht so autistisch wie sein weitgehend beratungsresistenter Vater, der unfähig war, jemandem zuzuhören, und lieber selbst redete. Der Kronprinz konnte hingegen wirkliche Gespräche führen. Alle, die mit ihm persönlich zu tun hatten, hoben hervor, daß er angenehm und bescheiden auftrat. Auch verhielt er sich im Exil in Holland würdiger als sein Vater und war bereit, sich freiwillig der Entente zu stellen, die ihn als Kriegsverbrecher aburteilen wollte - was der Ex-Kaiser unter allen möglichen Vorwänden verweigerte. Dafür beging der Ex-Kronprinz dann den Fehler, sich zeitweise mit den Nationalsozialisten einzulassen - was Ries in unberechtigter Kürze abhandelt beziehungsweise wegläßt.

Überhaupt ist das Buch zu selektiv in der Argumentation. Bemängelt werden müssen außerdem zahlreiche Sachfehler und inhaltlich nicht notwendige, meist antibritische Polemiken. Welches Bild zeichnet Ries vom Thronfolger? Hätte Kiderlens Bekannter "danebenschießen" sollen oder nicht? Ries läßt seine Biographie mit einem Zitat von Kronprinzessin Cecilie beginnen und enden, die über ihren Mann sagte: "Hätte der Kronprinz die Stelle erhalten, für die er geboren war, dem deutschen Volke wäre mit Sicherheit vieles erspart geblieben." Jedoch kann Ries nicht plausibel machen, daß Wilhelm III. ein guter Kaiser geworden wäre.

HOLGER AFFLERBACH

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nichts Positives kann Rezensent Holger Afflerbach der Biografie über Kronprinz Wilhelm, den Sohn von Wilhelm II., abgewinnen. Was der Autor Helmut Ries liefert, ist bereits bekannt - wie Wilhelms Rolle beim Angriff auf Verdun -, wird zu kurz abgehandelt - wie die Verwicklung des Kronprinzen in verschiedene Führungsintrigen -, und enthält außerdem "zahlreiche Sachfehler", schimpft Afflerbach. Wichtige Aspekte werden gleich ganz weggelassen: zum Beispiel wie der Prinz sich auf die Nationalsozialisten einließ. Und nicht zuletzt beklagt der Rezensent "inhaltlich nicht notwendige, meist antibritische Polemiken". Davon, dass der Prinz ein "guter Kaiser geworden wäre", kann der Autor den Rezensenten auch nicht überzeugen. Ein glatter Verriss.

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