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Die Neuerscheinung: Der Autor beleuchtet aus der Sicht des Staatsrechtslehrers die deutsche Demokratie: Verfassung, Verfassungsrecht und auf der anderen Seite die Verfassungswirklichkeit, d.h. die Realität der politischen und gesellschaftlichen Ordnung.

Produktbeschreibung
Die Neuerscheinung:
Der Autor beleuchtet aus der Sicht des Staatsrechtslehrers die deutsche Demokratie: Verfassung, Verfassungsrecht und auf der anderen Seite die Verfassungswirklichkeit, d.h. die Realität der politischen und gesellschaftlichen Ordnung.
Autorenporträt
Professor Dr. Rupert Scholz ist Direktor des Instituts für Politik und Öffentliches Recht der Ludwig-Maximilian-Universität in München und Bundesminister a.D.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2004

Verfilzung der Gewalten
Für Rupert Scholz dirigieren „Fachbruderschaften” den Staat
Der Rechtsprofessor und Bundesminister a.D., gefällt sich in beiden Rollen. Wenn Rupert Scholz dann noch einen doppelsinnigen Titel („Deutschland - in guter Verfassung?”) vorlegt, darf man neugierig sein und fragen, wer da das Wort ergreift. Der Staatsrechtler oder der CDU-Funktionär? Titel und Verlag deuten darauf hin, dass hier der Professor die Federführung übernehmen wollte. Der erste Anschein spricht auch dafür. Scholz tut das, was er immer getan hat: Er doziert. Von hoher Warte aus. Wenn er sich selbst meint, schreibt er „aus hiesiger Sicht”, was bei dem Image, das er pflegt, an „ex cathedra” erinnert. Doch der Vorlesungsstil täuscht. Das Sein des Politikers hat das Bewusstsein des Wissenschaftlers längst überlagert. Zwischen den Zeilen schimmert immer wieder durch, wo er Wurzeln geschlagen hat.
Scholz bleibt dem Denken der CDU verhaftet. Er ist - anders als etwa Richard von Weizsäcker - im Alter nicht zum Staatsmann gereift, sondern mehr oder weniger Parteimann geblieben. Das ist nicht vorwerfbar - aber hinderlich für den großen Wurf, der einem Intellektuellen seines Zuschnitts hätte gelingen können. Er steht selten über der Sache. Er serviert grundsolide Hausmannskost, konservative Küche, drei Sterne.
Manchmal verdient er auch vier - immer dann, wenn sich das Wissen des Verfassungstheoretikers und die Erfahrungen des Verfassungspraktikers auf ideale Weise ergänzen: wenn der Professor vom Profi der Parlamentsarbeit profitiert. Denn das war Scholz auch: Abgeordneter und Ausschussvorsitzender. In dieser Phase ist sein Stirnrunzeln entstanden - vorsichtige, wohl auch parteiübergreifende Kritik an der „Selbstentmachtung des Parlaments”. Der Autor bedauert, dass die Deutschen mit 85 000 Paragraphen leben müssen und dass ihre Repräsentanten „kaum noch über sehr substantielle Mitwirkungsbefugnisse” verfügen. Er konstatiert, dass an die Stelle einer „transparenten Gesetzesproduktion” längst „eine Abstimmungsmaschinerie getreten” sei, „die von niemandem mehr übersehen werden” könne.
Indirekt bestätigt Scholz damit den Verdacht mancher Beobachter, die argwöhnen, dass viele Abgeordnete bei komplizierten Gesetzen - etwa beim Maastricht-Vertrag oder bei den Anti-Terror-Paketen - kaum noch imstande sind, den Inhalt oder gar die Folgen der Mammutwerke zu überblicken. So konkret wird Scholz nie, doch er macht deutlich , dass ihm am Gang der Gesetzgebung manches missfällt. Er beklagt (mit Roman Herzog) die „fast undurchschaubare Verfilzung aller Gewalten”. Er beschreibt einen „Wust an Fachministerkonferenzen” - und spottet über die „Fachbruderschaften”. Gemeint sind „rund 1000 Bund-Länder-Gremien”, die „ohne Einsicht und ohne Kontrolle des Parlaments ein eminentes Maß an realem politischen Einfluss ausüben”.
Nur wenigen, nämlich nur denjenigen, die „den Deutschen Bundestag von innen kennen gelernt” hätten, sei eine andere Tatsache bekannt: dass die „Landesgruppen und deren Vorsitzende ein evidentes politisches Machtzentrum im gesamten Parlaments- wie Fraktionsbetrieb verkörpern”. Deren Einfluss sei in beiden großen Volksparteien „immens”. Die Fürsprecher aus den Ländern funkten bei Sach- wie Personalentscheidungen dazwischen. Intern hießen sie „Teppichhändlerrunden”. Bei solchen Anmerkungen nimmt der Autor keine Partei aus - auch seine eigene nicht. Ansonsten wiederholt er alle bekannten Positionen der CDU: keine Plebiszite, keine zusätzlichen Grundrechte, keine Direktwahl des Bundespräsidenten.
Seine Titelfrage beantwortet Scholz mit einem Ja. „Der Staatsrechtler in mir wusste immer um das Grundgesetz als einen wahrhaftigen Glücksfall der jüngeren deutschen Geschichte.” Der Bürger im Rezensenten kann dem nur beipflichten. Doch dann argumentiert der Autor widersprüchlich. Er betont immer wieder die eherne Bedeutung des Grundgesetzes, andererseits ist ihm aber, wenn es zum Schwur kommt, der Nationalstaat als identitätsstiftende Quelle wichtiger als die Idee des „Verfassungspatriotismus”; diesen Gedanken lehnt er als „Schein-Konzept” ab. Begründung: „Der Bürger lebt in seinem Gemeinwesen unter und mit seiner Verfassung, aber er findet seine eigene Grundidentität nicht in dieser Verfassung, sondern in der Zugehörigkeit zur eigenen Nation.”
Deshalb reibt sich Scholz an Jürgen Habermas, der in der offiziösen Botschaft „Wir sind wieder geworden” eine „Lebenslüge der Bundesrepublik” sieht. Scholz widerspricht: Die Deutschen „sind . . . zu solcher ,Normalität‘ - national wie international - verpflichtet, wenn nicht sogar verurteilt”. Mit Recht erwarte die internationale Staatengemeinschaft, dass sich Deutschland als „normales” Mitglied empfinde und internationale Verantwortung übernehme.
Scholz weiter: Die „Normalität” bestreiten, heiße im Endeffekt, „wieder einmal ein deutsches ,Sonderbewusstsein‘ oder eine deutsche ,Sonderrolle‘ zu reklamieren”. Nach seiner Überzeugung „verkörpert das Grundgesetz den vielleicht wichtigsten Beitrag zur ,deutschen Nor-malität‘”. Mit dieser Verfassung sei Deutschland „Teil der freiheitlichen Demokratien” geworden.
Die Brille des Wissenschaftlers legt Scholz beiseite, wenn es um andere Parteien geht. Bei der PDS etwa verlässt ihn jede Objektivität. Trotz der Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern sei die Partei „nichts anderes als eine bestimmte ostdeutsche Milieu-Partei” - eine von der Sorte, die „in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie dauerhaften Bestand gehabt” hätten. Da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens: Die „Milieupartei” ist mancherorts bekanntlich stärker als die CDU oder gar die SPD. Solche Einäugigkeit schadet dem Gesamteindruck des Buches. Scholz beklagt zum Beispiel die „Parteiverdrossenheit”, die so sehr zum Merkmal der „res publica” geworden sei, dass man schon von einer „res bloccata” sprechen könne. Aber über eine wesentliche Ursache schweigt er sich aus.
Spendenskandale, namentlich die seiner eigenen Partei, haben zur Rufschädigung der Politik beigetragen. Helmut Kohl fühlte sich seinem Ehrenwort mehr verpflichtet als der Verfassung, auf die er einen Eid geleistet hat. Er gab die Namen der Spender bis heute nicht preis. Ob und wie sich Kohls Weigerung mit der Verfassung vereinbaren lässt - eine Antwort darauf hätte man gern von dem Staatsrechtler Scholz gehört.
Doch er gibt sich nicht durchgängig lammfromm. Einmal ist er über sich selbst hinausgewachsen. Da hat er am Denkmal gekratzt - und an Helmut Kohls „blühende Landschaften” erinnert, die „noch etwas auf sich haben warten lassen”.
ROLF LAMPRECHT
RUPERT SCHOLZ: Deutschland - In guter Verfassung? C. F. Müller Verlag, Heidelberg 2004. 239 Seiten, 32 Euro.
Der Bürger - wie hier Edmund Stoiber - „findet seine Grundidentität in der Zugehörigkeit zur eigenen Nation”, sagt der Staatsrechtler Rupert Scholz.
Foto: dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2005

Verfassungslage der Nation
Rupert Scholz preist das Grundgesetz und fordert Entschluß- und Tatkraft

Rupert Scholz: Deutschland - In guter Verfassung? C. F. Müller Verlag, Heidelberg 2004. 239 Seiten, 32,- [Euro].

Ist Deutschland in guter Verfassung? Diese Frage beantwortet der Münchner Staatsrechtslehrer, frühere Verteidigungsminister und Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz schon im Vorwort bilanzierend fast vorbehaltlos: Das Grundgesetz, ein "wahrhaftiger Glücksfall der jüngeren deutschen Geschichte", gelte zu Recht als eine der besten Verfassungen der Welt. Zweifel daran, ob das Grundgesetz noch trage und zeitgemäß sei, weist er im Grundsatz entschieden zurück. Es verfüge auch heute noch über alle Voraussetzungen, die unverkennbare Krise, in der sich Deutschland gegenwärtig befinde, erfolgreich zu bewältigen. Die Einzelkritik, die Scholz dessen ungeachtet im folgenden äußert, gilt denn auch mehr der politischen Praxis, der "Verfassungswirklichkeit", in der die verfassungsrechtlichen Vorgaben verfehlt, mißverstanden oder sogar verfremdet worden seien.

In einer großen tour d'horizon schreitet Scholz sodann zahlreiche Problemfelder ab, die Gegenstand der aktuellen politischen, verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Diskussion sind. Breiten Raum widmet Scholz dem Thema der nationalen Identität der Deutschen. Niemand im Ausland verstehe heute noch Zweifel der Deutschen an sich selbst. Die Vorstellung einer "postnationalen", "multikulturellen" Gesellschaft bleibe unverändert eine auf Selbsttäuschung beruhende gefährliche Utopie. Nur ein ebenso offenes wie konsistentes Bekenntnis zur Nationalstaatlichkeit vermittle zugleich das nötige Maß an Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber allen Ausländern. Ohne Bejahung der eigenen nationalen Identität fehle es auch an der erforderlichen internationalen Verläßlichkeit und Partnerschaftsfähigkeit. Die europäische Idee ändere hieran nichts. Denn auch der Prozeß der europäischen Einigung basiere gerade auf vorgegebenen und zu bewahrenden, unterschiedlichen nationalen Identitäten in den einzelnen Mitgliedstaaten. Ein selbstbewußtes, nicht überhebliches Deutschland müsse auch zur Übernahme größerer internationaler Verantwortung bereit sein, die sich in einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen widerspiegeln würde. In gesellschaftspolitischer Hinsicht konstatiert Scholz einen Verlust an Grundwerte- und Freiheitsbewußtsein, wobei er betont, daß wirkliche Freiheit nicht Bindungslosigkeit bedeute und nicht mit Leugnung der ihr korrespondierenden (Selbst-)Verantwortung verbunden sein dürfe. Die Informationsgesellschaft drohe zu einer desinformierten, orientierungslosen Gesellschaft zu werden. Die korporatistisch erstarrte Gesellschaft müsse wieder in Freiheit aktiviert werden, sich selbst erneuern.

Die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene hält Scholz dabei allerdings nicht für ein geeignetes Heilmittel. Die Zukunft der Demokratie liege bei den verfassungsrechtlich vorgegebenen Verfahren der parlamentarisch-repräsentativen und parteienstaatlichen Demokratie, die sich grundsätzlich bewährt habe, wenngleich Krisensymptome unverkennbar seien. Insbesondere die politischen Parteien müßten sich stärker öffnen, wie umgekehrt auch die Bürger selbst aufgerufen seien, sich stärker parteipolitisch zu engagieren.

Besonderes Augenmerk richtet Scholz auf den "kranken Bundesstaat und Wege zu seiner Genesung". Dabei fällt sein Urteil auch hier wohltuend abgewogen aus. Zwar konstatiert er eine durch die Ausweitung von Zustimmungsvorbehalten eingetretene machtpolitische Balanceverschiebung zwischen Bundestag und Bundesrat, doch seien die Möglichkeiten einer "Blockadepolitik" nur relativ selten von den jeweiligen Bundesratsmehrheiten genutzt worden. Zudem könne hier eine Entflechtung leicht dadurch bewerkstelligt werden, daß der Bund - so wie dies das Grundgesetz auch als Regelfall vorsehe - den Verwaltungsvollzug bundesgesetzlicher Regelungen den Ländern überlasse. Der grundgesetzliche Sozialstaat garantiere jedem Menschen ein menschenwürdiges Dasein und die hierfür erforderlichen existentiellen Voraussetzungen, nicht aber den erreichten Wohlfahrtsstandard. Der überforderte Staat müsse sich verschlanken, um wieder handlungsfähig zu werden, der Bürger dafür mehr Eigenverantwortung übernehmen. An der von Scholz eingeforderten, quantitativ wie qualitativ ansetzenden Aufgabenkritik fehlt es indes im politischen Raum bis heute; statt dessen findet ein konzeptionsloses Einsparen an allen Ecken und Enden statt. Die klare Botschaft sollte Gehör finden: Die politische und wirtschaftliche Krise Deutschlands erfordert keine grundlegende Änderung des Grundgesetzes; sie kann unter Rückbesinnung auf seine Grundwerte und seine im Kern bewährten Institutionen mit politischer Entschluß- und Tatkraft überwunden werden.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rupert Scholz, Ex-Verteidigungsminister und Staatsrechtler, lässt diskutiert in seinem Buch die aktuellen Sollbruchstellen zwischen politischem Verfassungskonzept und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Warum beispielsweise zweifeln die Deutschen an ihrer nationalen Identität, wenn doch gerade diese laut europäischer Verfassung die Bedingung für eine multikulturelle Gesellschaft ist? Warum tun sich deutsche Bürger mit Eigenverantwortung so schwer, wenn doch klar ist, dass der Sozialstaat zwar jedem Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen kann, aber nicht erreichten Wohlfahrtsstandard sichern. Scholz argumentiert "wohltuend abgewogen" und hat am Ende eine klare wohltuende Botschaft, lobt Christian Hillgruber: Deutschland ist stark genug, um die politische und wirtschaftliche Krise zu überwinden.

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