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"Du sollst nicht töten!" Das erste Gebot der Bibel gilt weltweit, in allen Kulturen, und sanktioniert das größte menschliche Verbrechen. Sieht ein Staat aber in seiner Verfassung die Todesstrafe vor, so ist das Töten juristisch legitimiert. Diesem Grundwiderspruch geht Ortner in seinem engagierten Essay nach wie auch den historischen Hintergründen in der westlichen Welt: Er beschreibt verschiedene Formen der Todesstrafe: Vom römischen Carnifex bis zur Giftspritze in amerikanischen Todeszellen. Wann diente die Hinrichtung der Abschreckung, wann der Sühne? Gottesfurcht, Staatsmacht,…mehr

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Produktbeschreibung
"Du sollst nicht töten!" Das erste Gebot der Bibel gilt weltweit, in allen Kulturen, und sanktioniert das größte menschliche Verbrechen. Sieht ein Staat aber in seiner Verfassung die Todesstrafe vor, so ist das Töten juristisch legitimiert. Diesem Grundwiderspruch geht Ortner in seinem engagierten Essay nach wie auch den historischen Hintergründen in der westlichen Welt: Er beschreibt verschiedene Formen der Todesstrafe: Vom römischen Carnifex bis zur Giftspritze in amerikanischen Todeszellen. Wann diente die Hinrichtung der Abschreckung, wann der Sühne? Gottesfurcht, Staatsmacht, Technikglaube, Humanitätsgedanke - die Geschichte der Todesstrafe ist immer auch eine Reformgeschichte.
Das Buch zeigt die historischen Legitimationsstrategien und widmet sich breit den heutigen Debatten - bedeutsam auch angesichts der aktuellen Diskussion um die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Damit ist es historisch und aktuell zugleich. Aufklären will das Buch. Gerade in diesen Zeiten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2017

Bei Galgenwürstchen und Armsünderbier
Das soll Aufklärung sein? Helmut Ortner schreibt eine Geschichte der Todesstrafe als Panoptikum des Schreckens

Zeig der Menge meinen Kopf; es wird lange dauern, bis sie so etwas wieder zu sehen bekommt", rief Danton auf seinem Weg zur Guillotine. Von Hinrichtungen geht ein makabrer Reiz aus. Solange das Theater des Schreckens auf öffentlicher Bühne aufgeführt wurde - in Deutschland war dies bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Fall - , zog es regelmäßig ein großes, mitunter nach Zehntausenden zählendes Publikum an, das sich bis zum finalen Akt, dem Auftritt des Delinquenten und des Scharfrichters, mit Galgenwürstchen und Armsünderbier bei Laune hielt. Auch die Verlegung der Exekutionen in das Arkanum eines Gefängnishofes hat ihrer Faszination keinen Abbruch getan. Noch heute sind Hinrichtungen in den Vereinigten Staaten veritable Medienereignisse. Vor dem Gefängnistor versammeln sich Demonstranten pro und contra Todesstrafe, Journalisten und Kamerateams und nicht zuletzt zahlreiche Schaulustige, die durch die Teilnahme an dem Spektakel Abwechslung in ihren grauen Alltag bringen wollen.

Bücher zum Thema Todesstrafe profitieren ebenfalls von dem voyeuristischen Interesse, das die Menschen dem staatlich sanktionierten Leiden und Sterben von ihresgleichen entgegenbringen. Selbstverständlich ist jeder anständige Europäer heute gegen die Todesstrafe oder gibt jedenfalls vor, es zu sein. Dennoch äußert sich in dem Schauder, mit dem viele Menschen die Fotos Gehenkter betrachten oder sich über die diversen Hinrichtungsarten belehren lassen, nicht nur moralische Entrüstung, sondern auch das heimliche und gewöhnlich gut kaschierte Vergnügen, an der absoluten Unterwerfung anderer Menschen teilhaben zu können.

Jeder Autor, der über die Todesstrafe schreibt, weiß um diese heikle Gefühlsmelange. Wer sich dennoch an diesen Stoff heranwagt, der im Laufe der Jahrhunderte so gründlich behandelt worden ist wie kaum ein zweiter, sollte sich daher zumindest im Klaren darüber sein, ob es ihm um eine kulturgeschichtliche Darstellung oder um ein rechtspolitisches Manifest geht. Die zentrale Schwäche des von dem Journalisten Helmut Ortner vorgelegten Buches besteht darin, dass es beständig zwischen diesen beiden Genres hin und her schwankt. Ortner will sowohl die im Untertitel angekündigte "Geschichte der Todesstrafe" schreiben als auch mit der gegenwärtigen amerikanischen Hinrichtungspraxis abrechnen. Damit übernimmt er sich jedoch, mit der Folge, dass er keine dieser beiden Aufgaben überzeugend bewältigt.

Die geschichtlichen Ausführungen Ortners erschöpfen sich im Wesentlichen in einer episodischen Präsentation der Rituale, Vollzugsweisen und Exekutoren der Todesstrafe. Der Leser erfährt die Speisenfolge bei der Henkersmahlzeit der durch Goethe unsterblich gewordenen Frankfurter Kindesmörderin Susanna Margareta Brandt, ihm wird ausführlich erklärt, wie Steinigung und Vierteilung vollzogen werden und wie der elektrische Stuhl und die Gaskammer funktionieren, und er bekommt mitgeteilt, wie viel ein Henker im Deutschland des Jahres 1943 verdiente. Im Hinblick auf die ideelle Sinngebung der Todesstrafe gelangt Ortner hingegen kaum über Allerweltsfloskeln hinaus. Ursprünglich habe diese Bestrafung der Besänftigung erzürnter Gottheiten gedient, im Zuge der Säkularisierung seien die Gesichtspunkte einer abstrakten Vergeltung und der Abschreckung in den Vordergrund getreten, und Beccaria habe all diesen Legitimationsversuchen endgültig den Garaus gemacht. Alles, was Ortner hier schreibt, ist schon viele Male zuvor dargelegt worden, und zwar gründlicher und tiefer.

Fesselnd sind lediglich jene Passagen, in denen der Autor schweigt und die Beteiligten selbst zu Wort kommen lässt. Wenn etwa der Henker von Paris beschreibt, wie er unter der Last der Massenexekutionen in der Terrorphase der Französischen Revolution seelisch zerbrach, beginnt man den Preis zu ahnen, den entrichten muss, wer die Tötung anderer Menschen zu seinem Beruf macht. Umso erschütternder ist demgegenüber die ungläubige Bitterkeit, mit der einer der meistbeschäftigten Henker der Weimarer Republik und des Dritten Reichs auf das Spruchkammerurteil reagiert, das ihn als "Belasteten" einstuft. Er habe nichts weiter getan, als Mörder, Gewaltverbrecher, Hochverräter und Volksschädlinge zu enthaupten, und er begreife nicht, was an seiner in bestem Glauben ausgeübten Tätigkeit anrüchig gewesen sein solle. Aber was macht Ortner aus diesen Dokumenten? An die Schilderung des Maître de Paris knüpft er die Erkenntnis, auch Henker hätten eine gewisse Sensibilität besessen. Über dessen deutschen Nachfolger weiß er zu berichten, dieser habe später eine Hundezucht betrieben und sei Ehrenmitglied eines "Vereins zur Wiedereinführung der Todesstrafe e. V." gewesen. Aber ist es dies, was wir wissen wollen, wenn wir eine Geschichte der Todesstrafe aufschlagen?

Kaum überzeugender fällt Ortners Plädoyer gegen die amerikanische Todesstrafenpraxis aus. Dass diese Praxis ein einziger Skandal ist, gehört inzwischen schon fast zum Allgemeinwissen. Die starke Überrepräsentation von Schwarzen, die Bedenkenlosigkeit, mit der selbst Heranwachsende und Menschen an der Grenze zum Schwachsinn zum Tode verurteilt werden, sowie die erschreckend hohe Fehlerquote werfen ein trübes Licht auf das amerikanische Justizsystem. Statt jedoch diese strukturellen Defizite näher zu beleuchten und mit Zahlen zu belegen, setzt Ortner in erster Linie auf Gruseleffekte. Er berichtet über Delinquenten, die auf dem elektrischen Stuhl qualvoll verbrannten, in der Gaskammer von minutenlangen Krämpfen geschüttelt wurden oder nach der Giftinjektion bei vollem Bewusstsein erstickten.

Jeder dieser Fälle ist selbstverständlich schrecklich, aber im Hinblick auf die Legitimität der Todesstrafenpraxis als solcher beweist er nichts. Wo Ortner hingegen konkrete Zahlen nennt, sind sie nicht immer sonderlich beweiskräftig. So beruft er sich mehrfach auf eine Untersuchung, wonach jede Exekution, die in Kalifornien seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahre 1978 durchgeführt worden sei, den Steuerzahler mehr als 300 Millionen Dollar gekostet habe.

Wie wurde diese horrende Summe ermittelt? Einfach dadurch, dass die Gesamtkosten, die Kalifornien für die zum Tode verurteilten Gefängnisinsassen ausgeben musste, durch die Anzahl der Hingerichteten geteilt wurden. Das ist allerdings eine Milchmädchenrechnung, denn die Unterbringungskosten wären auch bei einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe angefallen. Zudem spielt sie eher denjenigen in die Hände, die für kürzere Prozesse und raschere Exekutionen eintreten, als ihren Gegnern, die die Todesstrafe endlich abgeschafft sehen wollen.

Aufklärung wolle er betreiben, versichert Ortner pflichtgemäß seinen Lesern. Tatsächlich aber befriedigt er in erster Linie ihre Sensationsgier. Wer dem Autor bis zum Ende des Buchs gefolgt ist, wird sich zwar in seiner intuitiven Ablehnung der Todesstrafe bestätigt fühlen. Ob er allerdings nach der Lektüre über die Gründe für seine Haltung überzeugender Rechenschaft geben kann als zuvor, muss bezweifelt werden.

MICHAEL PAWLIK.

Helmut Ortner: "Wenn der Staat tötet". Eine Geschichte der Todesstrafe.

Mit einem Nachwort von Thomas Fischer. Theiss Verlag / WBG, Darmstadt 2017.

236 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein faktenreiches Buch,, das nur einen Schluss zulässt: die Todesstrafe gehört weltweit abgeschafft!"
Stern

"...dadurch, dass diese Schrift verschiedene Aspekte der geschichtlichen Entwicklung der Todesstrafe und die tatsächliche Praxis ihres Vollzugs im Wandel der Zeiten mit kühler Nüchternheit beleuchtet, liefert sie besonders handfeste Argumente gegen die Todesstrafe." FAZ

"Das Buch von Helmut Ortner ist besonders. Es lässt die Ebene der expliziten Analyse beiseite und beschränkt sich scheinbar auf Fakten. Indem es diese freilich so genau nimmt, dass sie in jederzeit schmerzhafter die Frage der Bewertung aufwerfen, entwickelt es eine immanente Kraft der Analytik, die bemerkenswert und beeindruckend ist." Prof. Dr. Thomas Fischer, Bundesrichter a.D.

"Ein aufrüttelndes Buch." Mitteldeutsche Zeitung

"Bestes Buch zum Thema." WAZ

"Wenn der Staat tötet, ist das Töten erlaubt: Diesem eklatanten Widerspruch geht Helmut Ortners beeindruckendes Buch über die Geschichte der Todesstrafe nach, zugleich ein fulminantes Plädoyer gegen dieses Relikt der Barbarei in der Zivilisation. Bestes Buch zum Thema."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung