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Durch seinen Kult-Klassiker "Das Wittgenstein-Programm" wurde Philip Kerr berühmt als intelligenter Visionär einer apokalyptischen Zukunft. Mit "Der zweite Engel" gelingt ihm wiederum ein atemberaubender Ausblick auf das kommende Jahrhundert - zugleich hochspannender Science-Thriller und philosophischer Abenteuerroman.
In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts kämpft die Menschheit ums Überleben: Ein tödliches Virus namens P2 hat achtzig Prozent der Weltbevölkerung befallen. Die Krankheit ist heilbar, allerdings nur durch einen kompletten Blutaustausch. Blut bedeutet Leben; es ist
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Produktbeschreibung
Durch seinen Kult-Klassiker "Das Wittgenstein-Programm" wurde Philip Kerr berühmt als intelligenter Visionär einer apokalyptischen Zukunft. Mit "Der zweite Engel" gelingt ihm wiederum ein atemberaubender Ausblick auf das kommende Jahrhundert - zugleich hochspannender Science-Thriller und philosophischer Abenteuerroman.
In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts kämpft die Menschheit ums Überleben: Ein tödliches Virus namens P2 hat achtzig Prozent der Weltbevölkerung befallen. Die Krankheit ist heilbar, allerdings nur durch einen kompletten Blutaustausch. Blut bedeutet Leben; es ist wertvoller als Gold. Der Preis für einen Liter gesunden Blutes liegt bei 1,5 Millionen Dollar. Ein erstklassiges Spekulationsobjekt für Geschäftemacher, die reich werden und zugleich gesund bleiben. Wer nicht zu diesen privilegierten Kreisen gehört, hat kaum eine Überlebenschance. Überall auf der Welt sind Blutbanken durch ausgeklügelte Sicherheitsvorkehrungen geschützt. Die größte und wichtigste dieser Banken befindet sich auf dem Mond, ausgerüstet mit einem unüberwindlichen Hochsicherheitssystem, das von einem allwissenden Computer namens "Descartes" gesteuert wird. Dieses hochkomplexe System ist die Erfindung eines einzigen Mannes: Dana Dallas, Chefkonstrukteur des mächtigen Terotech-Konzerns. Das tödliche Virus hat ihn zu einem reichen Mann gemacht, er ist auf der Gewinnerseite der neuen Weltordnung. Doch dann erkrankt seine kleine Tochter, und Dallas braucht plötzlich selbst große Mengen des begehrten Stoffes - mehr, als er je bezahlen könnte. Der geniale Techniker wird zum Sicherheitsrisiko, Terotech setzt einen Killer auf ihn an. Plötzlich steht Dallas auf der anderen Seite, und er beschließt, den Kampf aufzunehmen und das Unmögliche zu wagen: Er tritt gegen sein eigenes perfektes System an. Ein gnadenloses Duell zwischen Mensch und Technik beginnt...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2000

Der verdammte Parietallappen
Schwellenwesen: Philipp Kerrs Thriller "Der zweite Engel"

Kaum hat das 21. Jahrhundert begonnen, läßt Philipp Kerr es auch schon wieder enden. Und wie: Das tödliche Virus P2 hat 80 Prozent aller Menschen befallen. Nur ein kompletter Blutaustausch verspricht Heilung. Gesundes Blut wird zum höchsten Gut: Der Liter kostet 1,5 Millionen Dollar, zzgl. Ökosteuer. Die Privilegierten haben Blutbanken angelegt, aus denen sie sich in schlechten Zeiten bedienen können. In guten treiben sie einträglichen Handel mit dem roten Gold. Die Mittellosen und Infizierten leben in den miasmatisch-feuchten Matratzengruften der heruntergekommenen Vorstadt-Ghettos. Wer hier nach Einbruch der Dunkelheit zu sehr nach Rotbäckchen aussieht, wird "gevampt".

Mr. Dana Dallas ist vorerst auf der sonnigen Seite der Stadtgrenze: Er konstruiert Hochsicherheitsanlagen für Blutbanken. Am liebsten bettet er sie in Labyrinthe. Doch nichts ist langweiliger als glückliche Helden. In das Leben des Kontrollprofis bricht das Chaos, in seine soziale Matrix schleicht sich der Bug. Mit der Krankheit seiner Tochter beginnt Dallas' Abstieg in die Hölle. Plötzlich braucht er mehr Blut, als er je zahlen könnte, und wird damit zum Sicherheitsrisiko für die Firma. Im Zuge der sich überstürzenden Ereignisse läßt sein Chef seine gesamte Familie ermorden. Der Mann sieht rot und schwört Rache. Nun will er die First National Blood Bank knacken. Die hat er allerdings selbst in das Zentrum eines Labyrinthes eingebaut. Sein Meisterwerk befindet sich vorsichtshalber in einem Mondkrater und wird von dem Supercomputer "Descartes" gesteuert. Dana Dallas ist High-Tech-Dädalos, Theseus mit Nachtsichtgerät und Raumfahrt-Ikarus in Personalunion. Er fliegt zum Mond, um dort das Labyrinth seines eigenen Geistes zu besiegen.

Dallas' läuternde Mondfahrt präsentiert sich als kartesianisches "Cogito ergo sum", sokratisches "Erkenne dich selbst" und männerbündlerische Suche nach dem heiligen Gral. Kerrs Science-fiction-Thriller ist Initiationsmythos und Heilsgeschichte. Der Titel "Der zweite Engel" zitiert die Offenbarung des Johannes: "Und der zweite Engel goß aus seine Schale ins Meer, und es ward Blut wie eines Toten." Dallas wird zum Racheengel auf Mission impossible gegen die Welt der Reichen und Mächtigen. Er rekrutiert sechs Weggenossen aus einer Halbwelt ganz nach Art von Gotham City, in der die nachtaktiven Verbrecher tagsüber schlafen "wie Klumpen von Fledermäusen nach der erfolgreichen Nahrungssuche".

Die sieben apokalyptischen Reiter jagen den Mondorbit entlang und schenken fast wider Willen und Wissen der Menschheit gesundes Blut und sogar mehrfache Auferstehungen dank neuester Gen-Technik mit energiesparender Schlummer-Funktion: Die DNA kann im Zwischendeck eines Raumschiffes in interstellaren Winterschlaf fallen, um einige hundert Jahre später auf einem fernen Planeten wieder aufzuwachen, wo sie sich den Mondstaub aus den Molekülen schüttelt. Dana Dallas wird zum Gründer eines neuen Menschengeschlechtes; ganz wie sein Namensvetter, der sagenhafte König Danaus, zum Stammvater aller Griechen wurde. Der Roman ist als Offenbarung angelegt. Seine Epiphanie hier schon vorwegzunehmen hieße jedoch, den Thrill aus dem Thriller zu nehmen. Nur so viel: Apokalyptische Reiter sind immer nur die Vorhut.

Der Text ist bevölkert von Schwellenwesen. Natürliches vermischt sich mit Artifiziellem, Körper verwachsen mit Prothesen, während die fehlenden Gliedmaßen als Phantomwerkzeuge immer noch praktische Dienste erweisen können - nach der etwas gewöhnungsbedürftigen Logik, daß eine fehlende Hand, die Phantomschmerz verursacht, schließlich auch noch zum telekinetischen Zigarettendrehen taugen müßte.

In allen Blutbahnen zirkulieren geschäftige Nanorobots und machen Frühjahrsputz. Die Computer begnügen sich nicht mehr nur mit Silizium, sondern fordern auch ihren Blutzoll. Und in jedem Labyrinth harrt ein Minotauros, halb Mann, halb Stier - halb Mensch, halb Maschine. Der Text ist wie infiziert vom Zwitterhaften und erscheint selbst als ein Doppelwesen aus Mythos und Wissenschaft. Anfangs sieht man Dallas in seinem Büro vor Simulationsfenstern, die Ausblick auf inspirierende Unterwasserwelten gewähren. Hier steht ein moderner Kapitän Nemo, einsam unter den Meeren, nur seinen eigenen Gesetzen folgend, seinen Nautilus langsam auf Rachekurs beidrehend. Ebenso wie Jules Verne verflicht Kerr reine Handlungssequenzen mit populärwissenschaftlichen Passagen, in denen er den aktuellen Stand der Wissenschaften referiert.

Das liest sich dann streckenweise wie der neue "Was ist Was?"-Sonderband über Hämoglobin. Oft sind die Laserpistolen bedrohlich dozierend auf den Leser gerichtet: "Und schließlich ist da noch der Parietallappen des Gehirns." Kerr läßt es sich nicht nehmen, auch noch mit dem fadenscheinigsten Fußabtreter auf der Schwelle zu unserem Hinterstübchen zu wedeln. Der Autor scheint selbst für den kritischen Stationsarzt noch überzeugend bleiben zu wollen. So steht da einiges Ambitioniertes über Leib, Seele und gar Heisenbergsche Unschärferelation, das man jedoch alles gar nicht so genau wissen will, wo der Held doch gerade so spannend und unheisenbergsch scharf positioniert mit dem Rücken zur Wand steht. "Solcher Fragen gab es viele, zu viele, um sie hier alle aufzuführen."

Aber diese pedantischen Exkursionen und die zahlreichen Fußnoten, hinkendste aller Erzähltechniken, legitimiert Kerr durch den speziellen Charakter seines Erzählers, der sich am Ende des Textes offenbart. Bis auf dieses Spiel mit einer unzuverlässigen, vorlauten Erzählstimme "in der großen Tradition von Joseph Conrad, Henry James und Emily Brontë" bleibt Kerr unaufgeregt konventionell. Erstaunlich, daß sich selbst die gewagtesten Gedankenspiele in die herkömmlichsten Sprachmuster fügen. Die mutigsten Zukunftslaboranten machen keine stilistischen Experimente. Die Sprach-Matrix ist mindestens hundert Jahre alt. Nur hin und wieder flackert ein zeitgemäßes Licht auf: "Das Cockpit erstrahlte hell wie ein in Spaltung begriffenes Wasserstoffatom."

Dank seines grundsoliden Erzählhandwerks erschafft Kerr ein unterhaltsam schillerndes Simulationsuniversum, das mit amüsanten Gimmicks ausgestattet ist. Das alles ohne Stilblüten, die gerade im Science-fiction-Genre immer wieder fruchtbarsten Nährboden finden. Viele Szenen und Dekors kennt man aus Filmen wie "Blade Runner" oder "Das fünfte Element". Im Cockpit von Dana Dallas' schrottreifem Raumschiff "Mariner" fände sich sicherlich auch der Krisenpilot Han Solo aus George Lukas' "Star Wars" zurecht. Die simulierten Abenteuer, die die Protagonisten einzig in ihren Köpfen zu bestehen haben, sind nicht weit entfernt von "Matrix" und William Gibsons Cyberpunk-Klassiker "Neuromancer". Gekonnt vampt Kerr das rotwangige Genre. Besonders empfehlenswert ist die Lektüre für jene Kleinanleger, die zu Beginn dieses Jahrtausends mit der lukrativen Idee liebäugeln, in einen Biotech-Fonds zu investieren.

STEPHAN MAUS

Philip Kerr: "Der zweite Engel." Thriller. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann. Wunderlich Verlag, Hamburg 2000. 442 S., geb., 42,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Ein tödlicher Virus und Blutbanken, die Hochsicherheitstrakten gleichen, weil ein Liter Blut 1.5 Millionen Dollar kostet: die Story muss den Adrenalinspiegel von Stephan Maus mächtig in die Höhe getrieben haben. In rasender Geschwindigkeit reiht der Rezensent spektakuläre Details des Romans aneinander, wirft mit wortmächtigen Formulierungen um sich wie Arnold Schwarzenegger mit Handgranaten. Kerrs Science-fiction-Thriller sei Initiationsmythos und Heilsgeschichte in einem, lesen wir in kontemplativeren Momenten. Der Text, "wie infiziert vom Zwitterhaften", erscheine selbst als "Doppelwesen aus Mythos und Wissenschaft". Dabei sei zwar manches so genau erzählt, als habe Kerr selbst noch "für den kritischen Stationsarzt überzeugend bleiben wollen". Alles in allem wirkte der Kritiker aber doch ziemlich beeindruckt, als er mit geröteten Wangen das Buch beiseite gelegt und seine Kritik geschrieben hat.

© Perlentaucher Medien GmbH"
Kerrs neuer Roman ist ein wahres Vergnügen für anspruchsvolle Leser. The New York Times