Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 5,63 €
  • Gebundenes Buch

In der zeitgenössischen Kunst gibt es kaum ein Material, das nicht kunstwürdig geworden ist. Dazu gehören auch Dampf, Wolken, Rauch und Nebel, auf die mittels Lichtstrahlen Schriftzüge oder Bilder projiziert werden. Weiche Displays nennt Gunnar Schmidt diese Projektionsflächen und führt damit einen neuen Begriff in die Kunst- und Medientheorie ein. Er beschreibt ihre Geschichte vom 18. bis zum 21. Jahrhundert und verdeutlicht die Spannung zwischen traditionellen Bildern mit ihrer Repräsentationsfunktion und Bildern, die sich durch Bewegtheit, Flüchtigkeit und Unschärfe auszeichnen. Ausgehend…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
In der zeitgenössischen Kunst gibt es kaum ein Material, das nicht kunstwürdig
geworden ist. Dazu gehören auch Dampf, Wolken, Rauch und Nebel, auf die
mittels Lichtstrahlen Schriftzüge oder Bilder projiziert werden. Weiche Displays
nennt Gunnar Schmidt diese Projektionsflächen und führt damit einen neuen
Begriff in die Kunst- und Medientheorie ein. Er beschreibt ihre Geschichte vom
18. bis zum 21. Jahrhundert und verdeutlicht die Spannung zwischen traditionellen
Bildern mit ihrer Repräsentationsfunktion und Bildern, die sich durch
Bewegtheit, Flüchtigkeit und Unschärfe auszeichnen.
Ausgehend von den Werken der künstlerischen Avantgarde ergibt sich ein
rückschauender Blick auf die historischen Vorläufer aus der Unterhaltungs- und
Kommerzkultur, etwa die Rauchprojektionen der Laterna Magica oder die Himmelsschriften
der Firma Henkel, die durch Wolkenprojektionen für das Waschmittel
Persil warb. Was damals der Belehrung oder Bekehrung diente, wird
heute zum Showeffekt oder zum ganzheitlichen Kunsterlebnis, das ? wie bei
dem dänischen Künstler Olafur Eliasson ? jenseits der elitären Kunstwelt eine
große Zahl von Besuchern in Ausstellungen und Museen lockt.
Autorenporträt
Gunnar Schmidt hat Anglistik, Politologie und Pädagogik studiert und habilitierte sich an der Universität Hamburg im Fach Englische Sprache und Kultur. Er arbeitet wissenschaftlich auf der Grenzlinie von Medien-, Kultur- und Literaturwissenschaft. Seit 2009 hat er eine Professur für Medienwissenschaft an der FH Trier inne. Nebenbei ist er Musiker.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2011

Naht ihr euch wieder, neblige Gestalten?
Von Laternisten, Phantasmagoren und ihren Nachfolgern auf dem Feld zeitgenössischer Kunst: Gunnar Schmidt erzählt die Geschichte interessant unscharfer Projektionen

Vor einiger Zeit konnte man in einer Fachzeitschrift für Zauberkünstler eine seltsame Kontroverse verfolgen. Es ging um die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, mit Hilfe einer Laterna Magica Bilder auf Rauch zu projizieren und damit Geistererscheinungen vorzutäuschen. Also um ein Thema, das auch der Trierer Medienwissenschaftler Gunnar Schmidt in seinem Buch über "Weiche Displays" verhandelt.

Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist die gespenstische Illusion immer wieder beschrieben worden. Jedem ordentlichen Magier und Cineasten ist sie ein Begriff. Eine Bauanleitung für das Spektakel hatte 1770 erstmals der Franzose Gilles Èdme Guyot in seinen berühmten "Récréations Physiques et Mathématiques" geliefert. Ungezählte Werke der Aufklärungsliteratur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts haben sie rezipiert. Vermutlich ist die komplexe Installation das Geheimnis hinter den berüchtigten Geistercitationen, mit denen der Kaffeewirt Johann Georg Schrepfer (1739 bis 1774) in Leipzig Furore machte. Männer wie der berühmte Ballonfahrer, Laternist und Phantasmagore Étienne Gaspard Robertson (1763 bis 1837) sind Jahrzehnte mit ihr über das Land gefahren. Sie war ein Publikumsmagnet. Und durch Schillers Geisterseher fand sie gar Eingang in die Weltliteratur.

Ein angesehener Chemiker mit unbestrittener Expertise auf dem Gebiet der Zauberkunst und pyrotechnischer Experimente behauptete freilich vor ein paar Jahren, dass die überkommenen Anleitungen einer Überprüfung in der Praxis nicht standhielten. Als er für Filmaufnahmen Geister- und Gespenstererscheinungen nach den gängigen literarischen Vorlagen habe nachstellen wollen, seien alle Versuchsanordnungen kläglich gescheitert.

Indes: Ein nicht minder renommierter Kenner der Magiegeschichte widersprach. Die alten Quellen seien zuverlässig. Und er berichtte nicht nur, den Effekt einer Geistererscheinung auf Rauch mit eigenen Augen auf den städtischen Bühnen zu Frankfurt am Main in einer Inszenierung von Goethes Faust gesehen zu haben. Mehr noch: Goethe selbst sei nach seinen Ermittlungen nachweislich von der Möglichkeit einer solchen Inszenierung ausgegangen, und zwar angeregt durch die von dem Chemiker apodiktisch verworfenen Fundstellen. Wenn das kein Beweis war!

Was folgte, war ein Streit um Versuchsanordnungen, wissenschaftliche Glaubwürdigkeit, Goethe-Expertise, den Umgang mit historischem Material und vor allem dem subtilen, aber womöglich wichtigen Unterschied zwischen echtem Rauch und Bühnennebel. Der Theaterdonner verklang erst, als die technische Möglichkeit einer Projektion nach Guyotschem Muster Jahre später mit einigem Aufwand bewiesen wurde; übrigens an keinem geringeren Ort als dem Naturhistorischen Museum in Wien und in Anwesenheit von Gespensterspezialisten aus mehreren europäischen Ländern.

Man mag über die Kontroverse den Kopf schütteln. Gewiss: Ihr Schauplatz ist die abgelegene Spielwiese einer offenbar skurrilen Forschergemeinde. Trotzdem: Die Bedeutung von Rauch, Nebel, Dampf und Wolken als Projektionsflächen geht weit über ein paar Spukkunststückchen hinaus. Gunnar Schmidt hat aufbauend auf den von ihm sorgfältig analysierten - und dabei übrigens stets als möglich vorausgesetzten - Rauchprojektionen des 18. Jahrhunderts eine bemerkenswerte kleine Monographie über sie vorgelegt, in der er einen Bogen von der Unterhaltungskultur der späten Aufklärung bis in die Gegenwart artifizieller Nebelorte und zeitgenössischer Lichtkünste schlägt.

Schmidts Kernthese ist, dass die Installationen der Laternisten und Phantasmagoren nicht bloß triviale Unterhaltung darstellten, sondern als das Gegenmodell zu den traditionellen Künsten verstanden werden müssen. Stünden Malerei, Skulptur und Theater nicht zuletzt für Repräsentation, "verkörperten" weiche Displays Bewegung, Unschärfe und Flüchtigkeit. Damit sind die Rauchprojektionen der einst umherziehenden "Geisterbeschwörer" für Schmidt nicht nur Vorläufer der künstlerischen Avantgarde. Sie sind vielmehr auch frühe Formen einer aus sich selbst wirkenden "Special Effect"-Kultur, in der das Medium und nicht das Gezeigte im Vordergrund steht.

Was als Phänomen heute Medienkunst genannt wird, nämlich eine "Kunst, die die dispositiven Möglichkeiten von Medientechniken zum Inhalt hat", beginnt für Schmidt spätestens mit dem Einsatz der Laterna Magica zu Unterhaltungszwecken jenseits weltanschaulicher Grundierung. Und verfolgen lässt es sich von den fast wie Konzeptkunst anmutenden Vorführungsanweisungen der "amüsanten Physik", über die Versuche einer Kommerzialisierung oder gar Militarisierung des Himmels mittels Reklame oder Propaganda verbreitender Wolkenprojektionen bis hin zu modernen Spektakeln wie der aufwändigen Außeninstallation "The Influence Machine": Der amerikanische Videokünstler Tony Oursler hat sie im Jahre 2000 im Londoner Soho Square und im New Yorker Madison Square Park präsentiert. Losgelöst von ihren Körpern erschienen darin sprechende Gesichter in wabernden Dämpfen, die vom Wind zerrissen wurden, sich aufblähten oder auflösten und damit die "dreifache Semantik vom Medium als Technologie (Video), als raumfüllender chemischer Stoff (Dampf) und als Person mit okkulten, paranormalen Fähigkeiten" aufrufen sollten. Der Betrachter sollte die Erfahrung von Information machen, die ihn - so Oursler - "in einem Zustand aktiver Dekonstruktion erreicht." Ein britischer Kunsthistoriker hat das mit der Bemerkung quittiert, er sehe sie lieber als Metapher für den Wunsch nach einem Gespenst, das die gegenwärtige Informationsideologie heimsuchen möge.

PETER RAWERT

Gunnar Schmidt: "Weiche Displays." Projektionen auf Rauch, Wolken und Nebel.

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011. 160 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.11.2011

Nebelgeister
Gunnar Schmidt lockt den Leser
in die Welt der flüchtigen Bilder
Der Kinobesucher nimmt heute vor einer monumentalen Leinwand Platz, um mit Spezialeffekten aufgemotzte Filme zu sehen. Eine „Geisterbeschwörung“ aber, wie man sie im 19. Jahrhundert in Sachsen inszenierte, scheint noch aufregender gewesen zu sein. Da wurde mit geweihten Knochen, Kruzifixen und Kerzen hantiert, um den Zuschauer ordentlich erschaudern zu lassen: In einer Wolke aus schwarzem Rauch tauchte plötzlich ein Geistergesicht auf. Frauen sollen in Ohnmacht gefallen, Männer geflüchtet sein, so die Legende.
„Weiche Displays“ nennt der Medienwissenschaftler Gunnar Schmidt diese Flächen aus Wolken, Nebel und Rauch, auf die schon um 1800 Bilder und Botschaften projiziert wurden, indem man den Lichtstrahl einer Laterna magica auf sie richtete. Künstler integrieren auch heute weiche Displays in ihre Installationen. So realisierte der US-Amerikaner Tony Oursler im Jahr 2000 in London und New York eine Gespensterwelt aus künstlich erzeugten Nebelschwaden, auf denen weiße Antlitze erschienen und die so groß waren, dass der Zuschauer in die flüchtigen Bilder eintreten konnte. Gunnar Schmidt zieht Julia Kristevas Konzept des Semiotischen hinzu, um die Ästhetik der weichen Displays zu untersuchen. Dennoch hat er ein gut verständliches und unterhaltsames Buch über Repräsentationsmodelle geschrieben, die die Möglichkeiten jenseits des Tafelbildes ausschöpfen.
ANTONIA KURZ
GUNNAR SCHMIDT: Weiche Displays. Projektionen auf Rauch, Wolken und Nebel. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011. 160 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach der Lektüre dieses Buches sollten "Weiche Displays" nicht nur einer skurrilen Forschergemeinde aus Gespensterspezialisten, Magiern und Cineasten ein Begriff sein, meint Rezensent Peter Rawert. Ausgesprochen interessant und kenntnisreich habe Gunnar Schmidt die Geschichte dieser Bilder aus Rauch und Nebel aufbereitet und dabei nicht nur die seit 1770 - unter anderem von Goethe und Schiller - geführte Debatte um die Glaubwürdigkeit der mit Hilfe einer Laterna Magica erzeugten Geistererscheinungen analysiert. Darüber hinaus spanne Schmidt in seiner "bemerkenswerten" Monografie einen Bogen von der Unterhaltungskultur der späten Aufklärung bis zu den zeitgenössischen Lichtkünsten, etwa Tony Ourslers im Jahre 2000 präsentierten Außeninstallation "The Influence Machine" und erläutere die Entwicklung dieser "Special Effect"-Kultur.

© Perlentaucher Medien GmbH