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3 Kundenbewertungen

Die Tage dehnen sich, und zugleich schnurrt die Zeit zusammen. Die Uhr läuft ab, dabei könnte es gerade erst losgehen. Ob ein kleiner weißer Spitz daran etwas ändern würde?Den ehemaligen Kollegen hat er immer beneidet. Um den Ruhestand, das Motorrad und die neue Freiheit. Doch jetzt steht er selbst frisch verrentet auf den bemoosten Treppen vor seinem Haus und weiß nicht wohin. Eine Krawatte braucht er nicht mehr, zu Hause ist er im Weg, die Kinder sind längst ausgezogen. Ob die junge Frau, die er jüngst auf dem Friedhof getroffen hat, ihm nur etwas vormacht, vermag er nicht zu sagen. Er ist…mehr

Produktbeschreibung
Die Tage dehnen sich, und zugleich schnurrt die Zeit zusammen. Die Uhr läuft ab, dabei könnte es gerade erst losgehen. Ob ein kleiner weißer Spitz daran etwas ändern würde?Den ehemaligen Kollegen hat er immer beneidet. Um den Ruhestand, das Motorrad und die neue Freiheit. Doch jetzt steht er selbst frisch verrentet auf den bemoosten Treppen vor seinem Haus und weiß nicht wohin. Eine Krawatte braucht er nicht mehr, zu Hause ist er im Weg, die Kinder sind längst ausgezogen. Ob die junge Frau, die er jüngst auf dem Friedhof getroffen hat, ihm nur etwas vormacht, vermag er nicht zu sagen. Er ist aus der Übung. Und dennoch nimmt er ihren Vorschlag an, lässt sich von ihrer Agentur »Happy family« mal als Opa, mal als Exmann, dann wieder als Vorgesetzter engagieren und trifft auf fremde Menschen und Schicksale. Er spielt seine Rollen gut, und seine Frau bekommt von alledem nichts mit. Sie hat wieder angefangen zu tanzen ...Ein nachdenkliches Buch über Erinnerungen und unerfüllte Träume, über Glücksmomente und Wendepunkte. Milena Michiko Flasar zeichnet mit wenigen Strichen, beredten Bildern und unnachahmlicher Wärme ein ganz gewöhnliches, ganz einzigartiges Leben.
Autorenporträt
Milena Michiko FlaSar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters, lebt als Schriftstellerin in Wien und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Für »Ich nannte ihn Krawatte« erhielt sie den Literaturpreis Alpha 2012. Im österreichischen Residenz Verlag sind zwei Bücher von ihr erschienen: »Ich bin« (2008) und »Okaasan - Meine unbekannte Mutter« (2010).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2018

Mit zugenähten Hosentaschen
Milena Michiko Flašar entwirft einen Kosmos fernöstlicher Einsamkeiten
Das Retired Husband Syndrome (RHS) ist ein in der Wissenschaft erst seit wenigen Jahren erforschtes Phänomen. Männer, die nach starker beruflicher Belastung ins Rentenalter eintreten, erweisen sich nicht selten als sozial inkompetent und auch unfähig, familiäre Angelegenheiten mit der nötigen Empathie zu bewältigen. Studien in Japan haben ergeben, dass die Scheidungsrate in den Jahren nach der Pensionierung signifikant steigt.
Gäbe es das RHS nicht tatsächlich bereits, wäre es denkbar, dass Milena Michiko Flašar es erfunden hätte. Die 1980 in St. Pölten geborene Schriftstellerin ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihr viel beachteter, 2012 erschienener Roman „Ich nannte ihn Krawatte“ spielt in Japan und erzählt von der zunehmend vertraulichen Beziehung eines dezidierten Leistungsverweigerers zu einem Geschäftsmann, der seine Arbeit verloren hat und aus Scham, dies vor der Familie zuzugeben, seine Tage in einem Park verbringt. Und auch Flašars neuer Roman ist in Japan angesiedelt und erkundet einen Kosmos fernöstlicher Einsamkeit.
Da ist ein Mann, einen Namen wird er erst später bekommen, und es wird nicht sein richtiger sein, der aus dem Berufsleben ausgeschieden ist. Gemeinsam mit seiner Frau lebt er in einer Wohnung über der Stadt, ein wenig anstrengend zu erreichen im Alter. Die Kinder sind aus dem Haus; die Frau hat ihn zur Herzuntersuchung geschickt. Alles so weit in Ordnung, mit den üblichen kleinen Stolperern. Jedenfalls behauptet er selbst das. Und Flašar bleibt sehr eng an ihrer Hauptfigur, der wiederum nicht zu trauen ist, weil sie sich jederzeit und binnen eines einzigen Satzes in eine Parallelwunschvorstellung hineinbegeben kann.
„Herr Katō spielt Familie“ verschiebt die Realitätsebenen permanent; es ist ein Spiel aus Vorstellung und Selbsttäuschung. Einen Hund, einen weißen Spitz, hätte der Mann gerne, doch dazu wird es nicht kommen, obwohl der Spitz schon einen Namen hat. Und einem ehemaligen Kollegen erzählt er begeistert von einer Parisreise, die nicht stattgefunden hat.
Während der Mann sich durch die Tage treiben lässt, fängt seine Frau an, Tanzunterricht zu nehmen. Viel zu sagen haben die beiden sich nicht. Das RHS eben.
Milena Michiko Flašar hat ganz offensichtlich ein Faible für die kleinen, schrulligen Liebenswürdigkeiten, für die Malaisen zugenähter Hosentaschen und die Sucht nach Tubenmayonnaise. Aus der schmeichelnden Kantenlosigkeit ihres Tonfalls und der scheinbaren Harmlosigkeit der Alltagshandlungen tritt erst allmählich die Gewissheit zutage, dass es Flašar um Existentielleres geht: Einsamkeit, Alterstraurigkeit, soziale Isolation.
Auf einem Friedhof lernt Flašars Protagonist eine junge Frau kennen, die ihm eine sinnvolle Betätigung anbietet: Ihre Agentur vermittelt Laiendarsteller an Familien, um innerhalb dieser Familien kurzzeitig bestimmte Rollen einzunehmen. Der erste Auftrag: Die Verkörperung eines Großvaters, der seinen Enkel angeblich noch nie zu Gesicht bekommen hat, weil er mit der Mutter gebrochen hat. Der Name des Großvaters: Herr Katō. Nun hat er einen Namen.
Unsicher bewegt er sich in seiner Rolle als Familienmensch, weil er sie im realen Leben verlernt hat. Und doch geschieht etwas mit ihm. Um und in ihm verschieben sich die Verhältnisse unmerklich. Herr Katō spielt einen unerträglichen Ehemann, den Chef, und sein Zweitleben gerät in Deckungsgleichheit zu seinem eigentlichen. Das Prinzip des Verwischens, der Undeutlichkeit, der Unüberblickbarkeit der eigenen Verhältnisse, wird von Milena Michiko Flašar möglicherweise etwas zu explizit verbalisiert: „Was ist schon wahr“, so heißt es schon im ersten Teil des schmalen Romans, „und was nicht? Kein Zaun trennt das eine vom anderen. Und wenn doch, dann gibt es Schlupflöcher, so groß, dass man problemlos durch sie hindurchsteigt.“
Der Roman zeigt, dass im Durchbrechen der hauchdünnen Membran, die Wahrheit und Unwahrheit trennt, ein tiefer Trost liegt. Gegen Ende zieht Flašar die Traurigkeitsschraube noch einmal kräftig an. So wird „Herr Katō spielt Familie“ zu einem Roman, der bei aller Leichtigkeit den leise verzweifelten Ton eines plötzlich leerdrehenden Lebens trifft.
CHRISTOPH SCHRÖDER
„Was ist schon wahr und was
nicht? Kein Zaun trennt
das eine vom anderen.“
Milena Michiko Flašar: Herr Katō spielt Familie. Roman. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2018. 170 Seiten, 20 Euro. E-Book 17,99 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2018

Leben wie Loriot in Japan
Bonsai umtopfen: Milena Michiko Flasars Roman "Herr Kato spielt Familie"

Ein Mann geht zum Arzt und bekommt keine Diagnose. Das Ergebnis wirft ihn aus der Bahn. Sollte er nicht wenigstens ein bisschen krank sein? Etwas gefährdet? Oder zumindest arm dran? Zum Beispiel in den Augen seiner Frau, die neuerdings das Tanzen wieder für sich entdeckt hat. Ein fast schon unschickliches Hobby. So viel Leidenschaft, ein Tanzlehrer, der das alles in ihr entfacht, rote Wangen - in ihrem Alter!

Herr Kato und seine Frau leiden unter dem Retired Husband Syndrome. So steht es in dem schmalen Roman von Milena Michiko Flasar, die in Österreich lebt, japanische Wurzeln hat und deren Überraschungserfolgsroman "Ich nannte ihn Krawatte" ebenfalls im heutigen Japan spielte. Die Festung der Arbeitswelt steht für Herrn Kato mit dem Eintritt ins Rentenalter nicht mehr zur Verfügung. Neue Betätigungsfelder wollen gefunden werden. Gerne im ureigenen Wirkungsbereich der Hausfrau. Man kennt das aus dem Loriot-Spielfilm "Pappa ante portas", in dem der frisch pensionierte Ehemann mit absurden Einkaufsaktionen den Unmut seiner Gattin weckt. Palettenweise wird Senf angeliefert, um den Massenrabatt einstreichen zu können. Die Frau steht fassungslos daneben.

In Herrn Katos Fall: "Er hat es sich auf seiner Liste notiert. Ganz oben: mit den Kindern telefonieren. Sie fragen, wie es ihnen geht. Danach: das Radio reparieren. Die Schallplatten ordnen, wobei er noch unschlüssig ist, ob nach Alphabet oder musikalischem Genre. Den Bonsai umtopfen. Aber damit kennt er sich nicht aus. Also: sich zuerst einlesen, wie man das macht. Weiter unten: ein Geschenk. Er hat nicht dazugeschrieben: für meine Frau, stattdessen: ohne Anlass, weil er gehört hat, in der Fernsehsendung, die er eigentlich gar nicht schaut, dass das die beste Art des Schenkens ist, jemanden zu überraschen, einfach so, ohne sich selbst als den Schenkenden in den Vordergrund zu stellen, was bei den meisten, bei etwa fünfundneunzig Prozent, leider der Fall sei."

Das sind aber alles nur Pläne, und so leben die Katos desinteressiert aneinander vorbei. Bis eine junge Schauspielerin auftaucht, die Herrn Kato für ihre Stand-in-Agentur rekrutiert. Offenbar ein Geschäftszweig, der in Japan tatsächlich floriert: Schauspieler, die für private Familienlügentheater gebucht werden. Als Opa eines Jungen zum Beispiel, dessen echter Opa nichts von ihm wissen will. Oder als Ehemann einer untergebutterten Dame, die Herrn Kato in einem ausgelagerten Racheritual die Scheidungspapiere auf den Tisch knallt. Das Ganze bleibt nicht ohne Eindruck auf Herrn Kato.

Die junge Schauspielerin sieht an der Dienstleistung ihrer Agentur nichts Anrüchiges. "Wir springen ein", sagt sie, "wo man uns braucht, und ersetzen den eigentlichen Darsteller, denn auch der, den wir spielen, stellt sich die meiste Zeit dar und ist somit ein Schauspieler. Ja, es gibt Leute, die sind noch im Schlaf nicht sie selbst. Beklemmend, oder?" Flasars Roman handelt also nur vordergründig von der Altersdepression eines japanischen Rentners. Im Hintergrund lauern die Fragen einer jeden Existenz. Ist sie aufrichtig oder verlogen? Und wenn sie verlogen ist, wie groß ist das Maß der Verlogenheit? Und wenn es groß ist, who cares?

Auf beiläufige Weise gelingen Flasar in ihrem dritten Roman Problemskizzen des modernen Zeitgeists am Beispiel der japanischen Wirklichkeit. Sowohl der Sohn als auch die Tochter der Katos scheinen beispielsweise via Reproduktionsmedizin am ersehnten Nachwuchs zu arbeiten. Nichts scheint in Herrn Katos Leben mehr seinen natürlichen Gang zu gehen. Die Menschen haben den Überblick über richtig und falsch verloren. Vielleicht sind diese Zuordnungen auch kaum sinnvoll in einer Welt, die zwischen Maßlosigkeit und Machbarkeit nicht nur für Senioren ihre Substanz zu verlieren droht.

Doch für Herrn Kato gibt es doch ein bisschen Hoffnung. Bei der Hochzeit einer todkranken Braut empfindet er plötzlich mehr als bei der seiner eigenen Tochter. Und so ist er auf einmal, stimuliert durch die echten falschen Gefühle, in der Lage, einen schönen großen Blumenstrauß zu kaufen. Den stellt er seiner Gattin ins Wohnzimmer. Und dann schlägt das vermeintliche Happy Ending doch noch einen surrealen Haken. Denn die tanzende Gattin behauptet einfach, den Strauß hätte ihr eine Freundin vorbeigebracht. Wer träumt sich hier eigentlich was zusammen? Sind wir Menschen dazu verdammt, aneinander vorbeizusymbolisieren? Und auf einmal sticht es im Herzen. Das Ende wird nicht verraten. Aber die etwas banale Einsicht, dass ein Herz entweder schlägt oder eben nicht, scheint auch in Herr und Frau Kato etwas in Bewegung zu bringen.

KATHARINA TEUTSCH.

Milena Michiko Flasar: "Herr Katô spielt Familie". Roman.

Wagenbach Verlag, Berlin 2018. 169 S., geb., 20,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Einen großen Liebesroman und eine wunderbare Übersetzungsleistung sieht Frederic Jage-Bowler in diesem Roman der österreichisch-japanischen Autorin Milena Michiko Flasar. Sie erzählt darin von dem im Alter etwas einsam gewordenen Herr Kato, der von einer jungen Schauspielerin auf eine neue Idee gebracht wird: Familie spielen. Sie übernehme Rollen als Schwester, Tochter oder Tante, da könne er doch den Großvater übernehmen? Der Witz an dieser Geschichte besteht für den Kritiker nicht nur darin, dass dieses Geschäftsmodell in Japan tatsächlich existiert, sondern dass Flasar dem auch Gutes abgewinnen kann. Der westlichen Kultur der brachialen Aufrichtigkeit etwas feinsinnige Verstellung entgegenzusetzen, um den "kalten Krieg der Seelen" zu mildern, das hat was, findet er.

© Perlentaucher Medien GmbH