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Ein Panther, der im Traum geheimnisvolle Botschaften übermittelt, ein vonDämonen besessener Junge in der mexikanischen Provinz, eine unerwarteteBegegnung mit der Geliebten des Großvaters in der klirrenden Kälte Warschaus,ein Déjà-Vu auf dem Filmfestival von Venedig und eine verhängnisvolleZuglektüre in der Transsibirischen Eisenbahn: Sergio Pitols Erzählungen sindlakonisch, weltläufig und universell - glänzende Beispiele dafür, wie bilderunderfindungsreich die kurze Prosaform im 20. Jahrhundert sein konnte.Zum 80. Geburtstag des wichtigsten noch lebenden Autors Mexikos hat EnriqueVila-Matas…mehr

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Produktbeschreibung
Ein Panther, der im Traum geheimnisvolle Botschaften übermittelt, ein vonDämonen besessener Junge in der mexikanischen Provinz, eine unerwarteteBegegnung mit der Geliebten des Großvaters in der klirrenden Kälte Warschaus,ein Déjà-Vu auf dem Filmfestival von Venedig und eine verhängnisvolleZuglektüre in der Transsibirischen Eisenbahn: Sergio Pitols Erzählungen sindlakonisch, weltläufig und universell - glänzende Beispiele dafür, wie bilderunderfindungsreich die kurze Prosaform im 20. Jahrhundert sein konnte.Zum 80. Geburtstag des wichtigsten noch lebenden Autors Mexikos hat EnriqueVila-Matas eine Auswahl von Pitols besten Kurzgeschichten aus fünfzigJahren zusammengestellt. Schnell des magischen Realismus überdrüssig, der inden frühen Texten noch hindurchschimmert, hat es Pitol verstanden, seinen Erzählungeneinen eigenen, nüchternen, stets durchdachten, aber dennoch lebendigenTon zu verleihen - und damit Generationen von lateinamerikanischenSchriftstellern nach ihm geprägt.
Autorenporträt
Sergio Pitol, 1933 in Puebla, Mexiko, geboren, war als Literaturprofessorund Diplomat in zahlreichen Ländern tätig.Er hat Romane, Erzählungen und Essays geschrieben unddiverse Klassiker der europäischen Literatur übersetzt.Im Verlag Klaus Wagenbach lieferbar sind seine großenRomane "Die göttliche Schnepfe", "Defilee der Liebe" und"Eheleben".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2013

Röntgenbilder des Realen
Im Chaos der verborgenen Zeichen: Zum achtzigsten Geburtstag des großen mexikanischen Autors Sergio Pitol sind seine meisterlichen Erzählungen zu entdecken

Als im vergangenen Jahr Carlos Fuentes starb, war zuweilen zu hören, mit diesem Großromancier sei auch die mexikanischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts an ihr Ende gelangt, die Epoche von Juan Rulfo und Octavio Paz. Dabei weilt einer ihrer bedeutendsten Vertreter noch unter uns: Sergio Pitol, erst vor wenigen Jahren mit dem Cervantes-Preis zu höchsten literarischen Ehren gekürt. Heute feiert er seinen achtzigsten Geburtstag.

Dass Pitol zuweilen im diskreten Hintergrund bleibt, ist angesichts seines Ranges befremdlich - und dennoch kein Zufall. Erst seit wenigen Jahren werden seine Werke - besonders die großartigen Romane "Eheleben", "Das Defilee der Liebe" und "Die göttliche Schnepfe" - überhaupt ins Deutsche übersetzt. Im englischsprachigen Raum kennen ihn nur Eingeweihte. Von einer britischen Literaturzeitschrift wurde er kürzlich auf die Liste der "Besten unübersetzten Autoren der Welt" gesetzt. Selbst in seinem eigenen Land war er lange ein Geheimtipp. Die Nachwuchsautorin Valeria Luiselli berichtet, der erste Kontakt mit ihrem Vorbild habe in der Abteilung "Ausländische Klassiker" einer Buchhandlung stattgefunden, in der sie neben Werken von "Federico Nietzsche" und "Guillermo Shakespeare" auf den Erzählband eines Sergio Pitol stieß. Sie hielt ihn für einen vergessenen Sowjet-Autor namens Sergei Pytol.

Dieser Band liegt nun unter dem Titel "Drosseln begraben" auf Deutsch vor. Schlägt man ihn auf, erhält Luisellis Anekdote einen verborgenen Sinn. In der Tat bindet Pitol - zugleich Übersetzer der Werke Gogols und Tschechows und Autor eines wundervollen russischen Reiseberichts - eine Art Seelenverwandtschaft an die osteuropäische ebenso wie die fernöstliche Welt, was sich auch aus seiner langjährigen Tätigkeit als Diplomat in dieser Region herleitet. So spielen die Erzählungen "Gen Warschau" und "Aufgebahrt" in Polen. Sind ihre Hauptfiguren auch Mexikaner, die sich fern der Heimat verlieren, stoßen sie doch gerade in dieser Distanz auf ihre wahre Identität.

Mit der Vorliebe von Jorge Luis Borges für Fremdländisches, für intellektuelle Labyrinthe und "isländische Kurzgeschichten", wie sie einmal erwähnt werden, scheint Pitols Welt eng zu korrespondieren. Gerade das macht ihn zu einem subtilen Rebellen in einem globalisierten Literaturbetrieb, der in den sechziger und siebziger Jahren in neokolonialer Weise Lateinamerika zu "entdecken" glaubte und dabei seine "autochthone mythische Erzählfreude" und "neobarocke Sinnlichkeit" feierte. Gänzlich gegen den Strich solcher Moden des Marktes entwickelt sich Pitols Schaffen. Seine Anfänge in den fünfziger Jahren sind noch geprägt von ländlichen Schauplätzen und magischen Elementen. Der Erzähler von Pitols erster Erzählung von 1957 ist das tote Kind einer tyrannischen Gutsherrenfamilie, das aus dem Grab auf sein Leben zurückblickt.

Seit den sechziger Jahren hingegen werden Schauplätze und narrativen Formen fremdartiger: Die Handlungsstränge verlieren ihre Linearität, die Erzählperspektiven und -instanzen changieren, Wirklichkeit und Fiktion, Traum und Analyse verweben sich zu einem disparaten und doch unauflösbaren Gewebe. Das Erzählte wird nun oft aus der Brechung durch andere Kunstwerke erlebt. Besonders aber wird der Schreibprozess selbst zum unmittelbaren Gegenstand des Erzählten.

Sicherlich sind dergleichen Situationen nach Jahren des öden Autoreferenzialitätskultes der sogenannten Postmoderne für heutige Leser nicht ganz leicht zugänglich. Lässt man sich jedoch auf die - lang vor alledem entstandenen - komplexen Konstruktionen Pitols ein, eröffnet sich ein schwindelerregender Kosmos, der sich allen konventionellen Repräsentationsmodellen entzieht. Wie der Autor selbst einmal über seine Literatur schrieb: "Mehr als ein Spiegel ist sie ein Röntgenbild: Sie ist der Traum vom Realen." Die Grenze zwischen Sichtbarem, Unsichtbarem und Imaginiertem ist aufgelöst. Es bleibt, Zitat aus "Der Panther", "einzig die Gewissheit, dass die verborgenen Zeichen von der gleichen Einfalt, dem gleichen Chaos, der gleichen Zusammenhanglosigkeit regiert sind wie die täglichen Begebenheiten".

Am virtuosesten entwickelt Pitol diesen radiographischen Traum in der titelgebenden Erzählung "Drosseln begraben". Wieder ist der Erzähler ein Schriftsteller, der in einem Café in Rom durch einen Kindheitstraum in einen phantasierenden Schreibrausch versetzt wird - und so in den tropischen Kosmos einer Zuckerrohrplantage in Veracruz. Darin sucht er das Schicksal seiner Familie und der des Ingenieurs Gallardo zu rekonstruieren, eines mit einer völlig reizlosen Frau verheirateten "Steppenwolfs". Der wird plötzlich von einer verbotenen Leidenschaft gepackt. In immer neuen Ansätzen versucht der Erzähler die Handlung zu entwickeln und neu zu strukturieren und dabei in verschiedenen Anfangsworten implizit Pitols eigenen Stil zu parodieren. Nostalgie und verdrängte Schuldgefühle, Autobiographie und Projektion verschränken sich immer mehr, zugleich aber verschwimmen Protagonist, Erzähler und Autor nach einigem kuriosen Changieren immer mehr miteinander - bis der Erzähler dieses Textes aus dem Jahr 1980 am Schluss in gespenstisch präziser Weise die Zukunft des Autors Pitol prognostiziert, "während er diesen vergessenen Text erneut liest. Dank ihm konnte er zu neuen Formen übergehen; leider aber nur für kurze Zeit, denn seit vielen Jahren schon schreibt er nur noch Essays, Artikel und Vorträge."

Seit den neunziger Jahren schreibt Pitol keine fiktionale Prosa mehr. Im öffentlichen Leben ist er verstummt. Als vor einigen Tagen die Crème des mexikanischen Literaturlebens ihm zum Jubiläum einen Festakt widmete, war er persönlich zugegen. Mal glücklich lachend, mal vor Rührung weinend. Doch stets mit dem enigmatischen Schweigen dessen, der weiß, dass er alles Entscheidende bereits gesagt hat.

FLORIAN BORCHMEYER

Sergio Pitol: "Drosseln begraben". Die schönsten Erzählungen.

Aus dem Spanischen von Angelica Ammar. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2013. 160 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Für Katharina Döbler ist der Fall klar: Sergio Pitol ist ein Schriftsteller, der das Zeug hat, den "Glauben an die Literatur" wiederherzustellen. Die im Band "Drosseln begraben" gesammelten Erzählungen bieten eine gute Gelegenheit, sich von diesem Vermögen zu überzeugen, meint die Rezensentin. Der Band umfasst Texte, die zwischen 1957 und 1980 entstanden, und lädt so dazu ein, den mexikanischen Autor dabei zu begleiten, wie er seine schriftstellerische Stimme entwickelt, findet Döbler, die die verschiedenen Erzählungen mal an Rulfo, mal an Borges oder Cortazar und dann wieder an Fuentes erinnern, bevor Pitol seinen höchsteigenen Stil findet. Dass er Geschichten weniger erzählt als vielmehr die verschiedenen Potenziale der Geschichte aufscheinen lässt, erscheint der Rezensentin wie die literarische Version einer "musikalischen Improvisation".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein sehnsüchtiges Mehr!