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Nach einem Raubüberfall auf ein Schmuckgeschäft wird die knapp zwanzigjährigeHelena 1967 gefasst. Sie weigert sich, den Namen ihres flüchtigen Komplizenund Liebhabers preiszugeben. Monate später bringt sie im Frauengefängniseine Tochter zur Welt, die von der Großmutter Mila, einer ehemaligen Varieté-Tänzerin, hingebungsvoll großgezogen wird. Milas Briefe an die inhaftierteTochter sprechen von ihrem Unverständnis für das kalte Schweigen und versucheneine Verbindung zwischen Tochter und Enkelin zu knüpfen. Als Helenanach fünf Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, nimmt sie zwar die…mehr

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Produktbeschreibung
Nach einem Raubüberfall auf ein Schmuckgeschäft wird die knapp zwanzigjährigeHelena 1967 gefasst. Sie weigert sich, den Namen ihres flüchtigen Komplizenund Liebhabers preiszugeben. Monate später bringt sie im Frauengefängniseine Tochter zur Welt, die von der Großmutter Mila, einer ehemaligen Varieté-Tänzerin, hingebungsvoll großgezogen wird. Milas Briefe an die inhaftierteTochter sprechen von ihrem Unverständnis für das kalte Schweigen und versucheneine Verbindung zwischen Tochter und Enkelin zu knüpfen. Als Helenanach fünf Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, nimmt sie zwar die kleineAngèle zu sich, scheint aber keine Beziehung zur Umwelt mehr zu finden undsteckt das Kind bald in ein Internat.Wer der Vater war, wohin er geflohen ist und warum Helena sich von dieserjugendlichen Liebe ein Leben lang nicht lösen kann, bleibt Angèle unverständlich.Bis sie, nach Helenas Tod im Jahr 2007, auf einen Zeitungsartikel über denProzess von damals stößt. Eine neue Spur tut sich auf und Angèle beginnt ihrenVater - in Übersee - zu suchen.Judith Perrignon erzählt in einer schönen, zurückgenommenen Sprache vonganz unterschiedlichen Lebensgeschichten mit ihren Enttäuschungen, Verletzungenund Kümmernissen, spannend und berührend bis zum hoffnungsvollenSchluss.
Autorenporträt
Judith Perrignon ist Mitte 40 und lebt in Paris. Sie warlange Journalistin bei der Libération, Essayistin und Autorin.»Kümmernisse« ist ihr erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2012

Knastträume
Judith Perrignon erzählt von desertierenden Liebhabern

Schmal, blassblau wie die Augen seiner Heldin, das Kümmernis bereits im Titel tragend, nur eine Kummerfalte fehlte ihm noch: Man sieht diesem Buch das Martyrium an, von dem es Zeugnis ablegt. 1973 wird das Frauengefängnis "La Petite Roquette" im Pariser Bastille-Viertel dem Erdboden gleichgemacht, und manchmal, schreibt Judith Perrignon, "ließ ein halbaufgerissener Turm seine Zellen mit den eingeschlagenen Türen stehen, das wirkte wie das zahnlose Lächeln einer im Sterben liegenden Hexe".

Nur sechs Jahre zuvor, eine "viertel Stunde vor Zapfenstreich", wird in der örtlichen Ambulanz ein Kind geboren. Noch nie ist so etwas in "La Petite Roquette" vorgekommen, niemand hat etwas gemerkt, noch nicht einmal die Mutter, die ihre Schwangerschaft neun Monate lang unter ihren viel zu weiten Pullovern verbirgt. Helena heißt die junge Frau, die fünf Jahre lang einsitzt. 1967 war sie an dem Raubüberfall auf einen Juwelier beteiligt. Seit ihrer Festnahme verschweigt sie den Namen ihres Komplizen. Keine Hafterleichterung, keine Privilegien, fünf Jahre Lebenszeit als Opfer für eine erste große Liebe, einen Jazzmusiker. Die kleine Tochter gelangt in die Obhut der Oma, die in ihrer Jugend selbst einen Musiker geliebt hat. Nach der Schwangerschaft hatte die ehemalige Variété-Tänzerin ihren Traum von der Bühnenkarriere aufgegeben - der Musiker spielte längst in einer anderen Bar.

Desertierende Liebhaber sind die Hauptakteure dieses virtuos verschachtelten Romans. Packend wie einen Krimi, immer wieder die Perspektive wechselnd, gestaltet Perrignon die Suche nach dem Vater der kleinen Angèle. Nach ihrer Haftentlassung nimmt Helena sie zwar zu sich, doch zu Hause herrscht Dauerfrost. In ihrer Nibelungentreue liefert sich Helena einem Liebesideal aus, das jede Fremdwärme, auch die fürs eigene Kind, als Verrat erscheinen lässt. Zusätzlich zur Haftstrafe, die der Richter verhängt, erfindet sie sich mit ihrem Schweigen noch eine härtere: die Pflicht, sich auf ewig zu erinnern. Gegen diesen Eid kann nicht einmal ihre eigene Mutter etwas ausrichten. "Du hast noch nichts gesehen, andere Lieben, andere Kümmernisse warten auf dich, steh wieder auf." Und sie pocht auf das heimliche Versprechen aller Töchter, glücklicher zu werden als ihre Mütter. Mit Mühe und Not vermittelt sie immerhin der Enkelin eine alte Tänzerinnenweisheit: "Fixiere einen Punkt, lass ihn nicht mehr los, und du wirst nicht fallen."

Nach Helenas Entlassung aus der Haft meldet sich ein Journalist bei ihr. Er hatte damals den Prozess im Gerichtssaal verfolgt. Ihm lässt der Juwelendieb kurz nach seiner Tat ein Kuvert zukommen. Es enthält Schmuck und einen Brief, in dem ein gewisser Tom seine Flucht und damit seinen Abschied ankündigt. Als Angèle ihn dennoch findet, wird klar, dass das Vergessen-wollen um jeden Preis das Erinnern-müssen in jeder Lage nicht verhindert, dass die Liebe ein Sündenfall ist und sie deshalb niemals Unschuldige hinterlässt, sondern immer nur Versehrte.

Perrignon, lange Jahre Mitarbeiterin der Tageszeitung "Libération", ist mit "Les Chagrins" ein Debüt in der ehrwürdigen Tradition der Entsagungsromane des siebzehnten Jahrhunderts geglückt. Sublimierte eine "Princesse de Clève" ihre Liebe zum Herzog von Nemours noch hinter Klostermauern, geschieht dies jetzt in einem französischen Gefängnis. Gestochen scharf und dabei völlig unsentimental werden drei aufeinander bezogene Frauenporträts gezeichnet. Das Glücksversprechen von '68 prallt auf gespenstische Weise an allen Generationen ab. Unverhofft überbrückt ein Saxophon die Distanz zwischen Ideal und Wirklichkeit. Im Gegensatz zu seinem Besitzer und zu allen anderen, die diesen Roman bevölkern, beherrscht es die Sprache der Liebe.

KATHARINA TEUTSCH.

Judith Perrignon: "Kümmernisse". Roman.

Aus dem Französischen von Karin Uttemdörfer. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011. 184 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Katharina Teutsch zeigt sich außerordentlich eingenommen vom Romandebüt Judith Perrignons, die darin die "Tradition der Entsagungsromane" des 17. Jahrhunderts auf beeindruckende Weise aufleben lässt. Erzählt wird die Geschichte von drei Frauengenerationen, der im Frauengefängnis "La Petite Roquette" geborenen Angele auf der Suche nach ihrem Vater, ihrer sich für die erste Liebe aufopfernde Mutter und der ebenfalls einst unglücklich liebenden Großmutter, erfahren wir. Kunstvoll verschachtelt, ohne jede Sentimentalität und sehr genau werden hier drei miteinander verknüpfte Frauenschicksale entfaltet, lobt die Rezensentin begeistert.

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