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Ein kleiner Ort im Süden Frankreichs. Füfter Stock. Eine sehr junge Frau mit zwei Kindern. Ein alltägliches, kein gewöhnliches Leben. Emmanuelle Pagano erzählt die Geschichte einer unerwiderten, unerwiderbaren Liebe.Mit der Schule war natürlich Schluss, als das erste Kind zur Welt kam. Ihre Chance auf ein normales Leben dahin. Nun arbeitet sie als Aushilfe in einem Friseurgeschäft, um etwas Geld dazuzuverdienen, und auch, um sich dem Alltag mit Titouan und Pierre wenigstens vorübergehend zu entwinden. Außerdem mag sie Haare, nicht nur die ihrer Söhne.Der jüngere ist ein zappliger Kobold, der…mehr

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Produktbeschreibung
Ein kleiner Ort im Süden Frankreichs. Füfter Stock. Eine sehr junge Frau mit zwei Kindern. Ein alltägliches, kein gewöhnliches Leben. Emmanuelle Pagano erzählt die Geschichte einer unerwiderten, unerwiderbaren Liebe.Mit der Schule war natürlich Schluss, als das erste Kind zur Welt kam. Ihre Chance auf ein normales Leben dahin. Nun arbeitet sie als Aushilfe in einem Friseurgeschäft, um etwas Geld dazuzuverdienen, und auch, um sich dem Alltag mit Titouan und Pierre wenigstens vorübergehend zu entwinden. Außerdem mag sie Haare, nicht nur die ihrer Söhne.Der jüngere ist ein zappliger Kobold, der ältere lebt still in einer eigenen, fremden Welt. Sie sorgt und pflegt und liebt sie, Tag um Tag. Fraglos haben ihre Eltern und manche andere in dem Provinzort eine Meinung zu all dem - und eine Lösung parat. Doch entscheiden muss sie sich allein.In diesem Buch stellt sich Emmanuelle Pagano erneut einem existentiellen Thema: Minimalistisch, präzise und pur erzählt sie die Geschichte einer Liebe ohne Echo.
Autorenporträt
Emmanuelle Pagano, geboren 1969 in Aveyron, unterrichtet Bildende Kunst in der Region Ardèche, wo sie mit ihrem Mann und drei Kindern lebt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2010

Die Magnetkraft der Dinge
Emmanuelle Paganos Roman „Die Haarschublade”
Stecken wir hier moralische Größen wie Heldenmut, Opferbereitschaft, Muttergefühl gleich weg. Emmanuelle Pagano, die in Frankreich vor fünf Jahren mit diesem zweiten von bisher fünf Romanen auf sich aufmerksam machte, setzt ein paar Etagen tiefer an: dort, wo das Denken die zärtliche Geste oder das impulsive Wort noch nicht eingeholt hat. Wenn beispielsweise eine Mutter ihrem fünfjährigen Sohn, den sie auf dem Bett zwischen den Beinen festgeklemmt hält, mit den Fingern durchs üppig blonde Haar streicht. Es ist wie ein Zwang bei ihr. Dem Berühren fremder Haare konnte sie schon als Mädchen kaum widerstehen. Darum wollte sie auch Friseurin werden. Als der Kleine zur Welt kam, musste sie aber die Ausbildung abbrechen. Nun steckt sie dem Kind gedankenverloren bunte Clips, Spangen, Gummibänder und Perlen ins Haar. Von plötzlicher Scham gepackt, löst sie aber alles schnell wieder aus dem Haar und legt den Kleinen ins Bett. „Im Abendlicht sah ich eine vergessene Perle aufblitzen. Nachtlämpchen, dachte ich, und war zu träge, wieder aufzustehen.” Sie ist zwanzig, ihr Sohn Pierre ist schwerbehindert, seit der Geburt. Sein jüngerer Bruder schläft friedlich im Bett nebenan. Doch ist dieser Roman alles andere als eine Sozialstudie über allein erziehende Kindmütter.
   Die Autorin rückt mit ihrem knappen Schreibstil zu nah an die Alltagsdetails des Haareinseifens, Mahlzeitherrichtens oder rauchend vom Balkon Herabblickens, als dass daraus Allgemeinschlüsse zu ziehen wären. Die Beschreibung ist anekdotisch scharf und zugleich archetypisch verflimmert. Aus der Augenblicksgegenwart des Kinderabholens in der Krippe oder des Radiohörens am Küchentisch gleiten wir unmerklich in die Dauergegenwart der Routine und zurück in die gerade aktuelle Empfindung von Langeweile, Müdigkeit oder gedankenleerer Stille. In dieser Zeitdehnung wirken die Gefühle der jungen Frau fern und zugleich eindringlich nah, wie ein gedämpfter Schrei. Selbst die Erinnerung scheint die einer Fremden zu sein, wenn das Mädchen an die Geburt des Kleinen zurückdenkt, die es vor ihren Eltern und vor dem Freund verbergen wollte. „Wie kann man nur so blöd sein, echt”, brummte dieser, als er die Hochschwangere im Kleintransporter vor der Klinik ablud. Die schwere Geburt war dann der Grund für den Hirnschaden des Kleinen. Ein verpfuschtes Baby, „zubetoniert”, wie das Wasserrohr unter der Fahrbahn, in dem sich die Minderjährige während der Schwangerschaft am liebsten aufhielt.
Der schwere Leib des Sohnes
Diese Geschichte mit den rassistischen Eltern, die dem behinderten Kleinen gegenüber den zahlreichen Schwarzbälgern im Dorf immerhin sein Blondsein zugute halten , könnte geradewegs in den Sozialmief führen. Mit einer in der Glut kalt erstarrten Schilderung steuert die Autorin jedoch geschickt daran vorbei. Hier geht es nicht um verpatztes Glück, gehäuftes Unglück und die Gründe dafür. Vorgeführt wird eine Figur, die mit ihrer spontanen Sinnlichkeit die Dinge so nimmt, wie sie kommen. Am groben Freund mag sie die fast weiblich zarte Haarmähne, ihre Mutter hasst sie mit der Wut der Selbstbehauptung, für den zu schweren Leib des missratenen Sohns empfindet sie eine faszinierte Scham, auf die unten im Zigeunerviertel des Dorfs für sich und die zwei Kinder gefundene Wohnung ist sie stolz. Diese Frau bewegt sich mit einem Sinn für die Magnetkraft der Dinge durchs Leben, die vor der Haarschublade im Friseursalon mit den vielfarbigen Mustern besonders ausschlägt. Dort wühlt die Gehilfin mit Wonne in den Vorräten indischen Echthaars. Jene Schublade ist keine Glücksverheißung, allenfalls ein ruhender Pol gegen Depression und Verzweiflung. Man kann diese Heldin weder bewundern noch bedauern, sondern nur auf seltsame Weise normal finden.
Emmanuelle Pagano beherrscht in ihren Büchern die Kunst, über einen gestrafften Erzählstil Normalität in außerordentliche Situationen zu schmuggeln. Die Vergewaltigung einer Minderjährigen durch Schulkameraden oder, wie hier, der Umgang mit einem Behinderten verliert alles Sensationelle. Kein Sozialrealismus also, aber auch keine bloße Stilübung. Die Situationen wirken absonderlich, die Figuren hingegen glaubwürdig. Die heute vierzigjährige Autorin hat sich in Frankreich als eine bedeutsame Vertreterin ihrer Generation bewährt und Nathalie Mälzer-Semlinger ebnet ihr mit einer aufmerksamen Übersetzung auch in Deutschland den Weg.      JOSEPH HANIMANN
EMMANUELLE PAGANO: Die Haarschublade. Roman. Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 136 S., 16,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Emmanuelle Paganos Roman über die Liebe einer Mutter aus einfachen Verhältnissen zu ihrem schwerstbehinderten Kind hat Rezensent Peter Urban-Halle imponiert. Das Buch zeigt Momente aus einem "deklassierten Leben", denen er geradezu gebannt gefolgt ist. Dabei hebt er hervor, dass die Autorin mit Betroffenheit oder Verklärung rein gar nichts am Hut hat. Die Wahrnehmungen und Reflexionen der Mutter, die der Bildung eher fern steht und deren Leben eher stumpf zu verlaufen scheint, wirken auf ihn eindringlich und präzise, machen für ihn das Wesen des Buchs aus. Ja, er sieht in ihr eine wahre Dichterin, wenn sie ihren beiden Kindern selbsterfundene Geschichten erzählt. Mit großem Lob bedenkt Urban-Halle die Sprache der Autorin: wie schon bei ihrem ersten Roman herrscht für ihn auch in der "Haarschublade" ein "stilistisch reiner, einfacher und machtvoller Ton, der von einem Naturtalent zu stammen scheint".

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