Marktplatzangebote
15 Angebote ab € 2,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Das Spezialgebiet des Literaturwissenschaftlers Julio Matasanz sind die Ritter um König Artus. Kurz vor Weihnachten soll er einen Preis erhalten und einen Vortrag über das Traumpaar am Artushof, Erek und Enite, halten. Julios Ehefrau Madrona hätte es lieber gesehen, wenn ihr Gatte sich mehr um die Weihnachtsvorbereitungen kümmern würde, anstatt zu verreisen. Schließlich bemüht sie sich sehr darum, den Sohn Pedro und seine Freundin Myriam, die in Lateinamerika für eine gerechtere Welt kämpfen, zum Fest nach Hause auf den Familiensitz zu holen. Aber Julio fährt, denn zu dieser Veranstaltung…mehr

Produktbeschreibung
Das Spezialgebiet des Literaturwissenschaftlers Julio Matasanz sind die Ritter um König Artus. Kurz vor Weihnachten soll er einen Preis erhalten und einen Vortrag über das Traumpaar am Artushof, Erek und Enite, halten. Julios Ehefrau Madrona hätte es lieber gesehen, wenn ihr Gatte sich mehr um die Weihnachtsvorbereitungen kümmern würde, anstatt zu verreisen. Schließlich bemüht sie sich sehr darum, den Sohn Pedro und seine Freundin Myriam, die in Lateinamerika für eine gerechtere Welt kämpfen, zum Fest nach Hause auf den Familiensitz zu holen. Aber Julio fährt, denn zu dieser Veranstaltung reist, wie zu allen Kongressen auf denen er spricht, auch seine Geliebte Myrna an ...
Autorenporträt
Manuel Vazquez Montalban wurde 1939 in Barcelona geboren. Nach dem Studium der Literatur, Philosophie und Publizistik arbeitete er zunächst als Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften. Vazquez Montalban war Lyriker, Romanautor, Essayist, Kolumnist, Gourmet und Erfinder des Privatdetektivs Carvalho in so berühmten Kriminalromanen wie Die Vögel in Bangkok. Für sein Werk wurde "der wichtigste Chronist des zeitgenössischen Spaniens" (Der Spiegel) mit zahlreichen internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. Manuel Vazquez Montalban starb 2003 in Bangkok.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.01.2004

Artus wird auch nicht jünger
Darauf einen Schluck Mimosa: Manuel Vázquez Montalbáns letzter Roman „Hof der Lust”
Nein, er hätte keinen Spaß daran, so bekannt zu sein wie Julio Iglesias, sagte Manuel Vázquez Montalbán in einem seiner letzten Interviews. Aber eine Berühmtheit war der spanische Schriftsteller schon lange: als Erfinder des Privatdetektivs Pepe Carvalho, als Journalist und als Kritiker von Ministerpräsident Aznar. Sein intellektueller Lebenslauf wirkt geradezu mustergültig: Geboren 1939 in kleinen Verhältnissen, engagierter Gegner der Franco-Diktatur, zeitweiliges Mitglied der Kommunistischen Partei Kataloniens, anderthalb Jahre Gefängnis für die Unterstützung eines Bergarbeiterstreiks. Seit den sechziger Jahren veröffentlichte „MVM”, wie man ihn in Spanien abkürzt, Essays, Romane und Gedichte, der leidenschaftliche Feinschmecker Carvalho wurde zu seinem Markenzeichen und Alter ego. Im Oktober ist der Vierundsechzigjährige an einem Herzinfarkt auf dem Flughafen von Bangkok gestorben, dort, wo auch Carvalho schon ermittelt hatte.
Montalbáns neununddreißigster Prosaband „Hof der Lust” spielt nicht im kriminellen, sondern im akademischen Milieu, das mit interessanten seelischen Untiefen aufwarten kann. Der Protagonist Julio Matasanz ist Professor für mittelalterliche Literatur und begeistert sich ebenso für die Artusromane des Chrétien de Troyes wie für wohlgeformte Kolleginnen und Studentinnen – ein alternder Narziss, der mit Selbstironie und ungebremster Eitelkeit auf die erotisierende Wirkung seiner schneeweißen Haarpracht hofft. Der Blutzucker steigt, das männliche Stehvermögen sinkt, die Geliebte Myrna mit dem Spitznamen „War Breast” ist nicht mehr taufrisch. Zuhause wartet die Gattin Madrona, von außen eine versnobte Langweilerin der katalanischen High Society, die wider Erwarten durch Herz und Sensibilität besticht.
Ein dritter Erzählstrang kontrastiert Julios Kongress- und Madronas Kaviargeschichten mit dem Lebensstil ihres Adoptivsohns Pedro und seine Freundin Myriam, die in Guatemala für „Ärzte ohne Grenzen” arbeiten und sich aus mörderischen Gefahren retten müssen. Überdeutlich sind die Paare des Romans über die Artussagen miteinander verknüpft. Während Julio beim Symposion zum Abschluss seiner Universitätskarriere in seinem Vortrag über „Érec und Énide” das höfische Traumpaar aus Chrétiens erstem Artusroman zum idealen Mythos der Gegenwart erklärt, lernen Pedro und Myriam im Dschungel gute und böse Zwerge kennen, stoßen auf paramilitärische Wegelagerer und kämpfen gegen den Schurken Limours, der seinen Namen aus der Artusgeschichte bezieht.
Julios Vortrag führt die Fäden des Romans zusammen: In seiner Lesart wagen Érec und Énide eine für das Mittelalter ungewöhnliche Synthese von Liebe, Ehe und Rittertum, indem sie ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und tagtäglich um ihre Liebe kämpfen. Mit einem Zitat von Marie de Champagne zieht der Professor seine melancholische Bilanz: Dass „die Liebe ihr Recht nicht auf verheiratete Personen auszudehnen vermag”, gilt vor allem für seine eigene Ehe. Aber auch als moderner Minnesänger und Kongresshüpfer sieht er alt aus, denn auf dem Gipfel des Ruhmes wird er sich seiner Einsamkeit bewusst.
Obwohl der Roman streckenweise etwas ungelenk daherkommt, trifft seine Parodie des selbstgefälligen Campusbetriebs und der offiziellen Kulturmaschinerie an vielen Stellen ins Schwarze. Der Präsident der autonomen galicischen Landesregierung beginnt seine Festrede auf Julio so: „Es gibt zwei Arten von Intellektuellen, solche, die vorgeben, welche zu sein, ohne es zu sein, und solche, die es tatsächlich sind, wie beispielsweise auch ich. Unsere Intelligenz ist so sichtbar wie die am Ellbogen durchgescheuerten Pullover, von den vielen Stunden, in denen wir Wissen von anderen aufgesaugt und uns neues eingeprägt haben.”
Wie in seinen Kriminalromanen würzt Vázquez Montalbán auch hier das fiktive Geschehen mit Anspielungen auf real existierende Größen. Der Professor ist (wie auch sein Autor) ein Schüler des Mediävisten Martín de Riquer, speist mit José María Aznar (was bei Montalbán eher unwahrscheinlich gewesen wäre) und plaudert mit dem König über Katalonien. Die Abenteuer der „Ökomarxisten”, so Julios boshafte Bezeichnung für Pedro und Myriam, sind gespickt mit realistischen Details aus Lateinamerika.
Wenn auf dem Familienlandsitz Alegría de la Corte Weihnachten gefeiert wird, sind die traurigen Töne unüberhörbar. Das nach den mittelalterlichen Hofesfreuden benannte Anwesen, das den deutschen Romantitel liefert, beherbergt vor allem gestrandete Kämpfer. Vázquez Montalbán hat einen facettenreichen Roman über das Älterwerden und die Liebe im 21. Jahrhundert geschrieben. Am Rande grüßt ein carvalhereskes Rezept: Mimosa heißt das Getränk aus Orangensaft und Champagner, das gegen Altersdepressionen helfen soll.
JUTTA PERSON
MANUEL VÁZQUEZ MONTALBÁN: Hof der Lust. Roman. Aus dem Spanischen von Theres Moser. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2003. 286 Seiten, 22,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2004

Warten auf Viagra
Artus im Geiste: Manuel Vázquez Montalbáns Vermächtnis

Was, so mag man sich fragen, soll den Leser von heute für einen Roman einnehmen, der die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Artus-Stoff zum Thema hat? Der von einem spanischen Gelehrten erzählt, dessen lebenslanges Forschen der Artus-Sage unter besonderer Berücksichtigung der beiden Figuren Erek und Enite gilt? Nichts, möchte man meinen - und ist schon bald fasziniert von der Figur des Literaturprofessors Julio Matasanz. Dies allerdings nicht des abgehobenen Forschungsgebiets wegen, sondern weil von einem älteren Mann die Rede ist, der sich am Vorabend einer großen Ehrung gezwungen sieht, Bilanz zu ziehen. Allein im Hotelzimmer auf seine Geliebte Myrna wartend, hält er Rückschau auf sein Leben, das er, wie er immer glaubte, mit feuriger Mätresse auf der einen und treusorgender Gattin auf der anderen Seite fest im Griff hatte. Woran es liegt, daß das Arrangement brüchig wurde, ist schwer zu sagen. Sicher ist: Die heimlichen Treffen mit der ebenfalls im Artus-Business tätigen Geliebten haben unter der Macht der Gewohnheit viel vom Prickeln des Anfangs verloren. Mit der Potenz ist es auch nicht mehr zum besten bestellt. Und die Ehefrau Madrona, deren Familie man Ansehen und Wohlstand verdankt, bei Laune zu halten, fällt von Jahr zu Jahr gleichfalls schwerer.

Während Matasanz die Rede memoriert, die er auf dem zu seinen Ehren veranstalteten Symposion halten will, und darauf wartet, daß das Viagra wirkt, gewinnt eine Figur Profil, die mit dem Autor des Buchs vielleicht mehr als nur das Alter gemeinsam hat. Daß ausgerechnet dieser Roman zu einer Art Vermächtnis werden würde, konnte allerdings niemand wissen. Manuel Vázquez Montalbán ist im vergangenen Oktober, von einer Lesereise durch Australien kommend, auf dem Flughafen Bangkok an einem Herzinfarkt gestorben. Damit bekommen die melancholischen Reflexionen des alternden Professors ein ganz besonderes Gewicht - und mit ihnen auch andere Passagen des Romans, in denen der Autor neben der Ehefrau von Julio Matasanz auch den Ziehsohn der beiden mit seiner Frau Myriam zu Wort kommen läßt.

Manuel Vázquez Montalbán, einer breiteren Leserschaft bekannt als Erfinder des inzwischen in über zwanzig Kriminalromanen ermittelnden Privatdetektivs Pepe Carvalho, erweist sich in dem Roman "Hof der Lust" als äußerst raffinierter Erzähler. Er hat seine Geschichte von Liebe und Treue, von Abenteuer und Gerechtigkeit, von Vergänglichkeit und Tod auf drei Ebenen angesiedelt: Die erste ist die des Professors, der in seinem Hotelzimmer sowohl der Krönung seines wissenschaftlichen Lebenswerks wie dem, wie sich zeigen wird, letzten Besuch seiner Geliebten Myrna entgegensieht. Auf der zweiten widmet sich Ehegattin Madrona zwischen Treffen mit Freudinnen und Arztbesuchen den anspruchsvollen Vorbereitungen einer Weihnachtsfeier im Kreise der Familie. Und schließlich entführt der Autor seine Leserschaft noch nach Lateinamerika, wo Pedro und seine Frau Myriam bei einem humanitären Einsatz nur knapp den Nachstellungen einer Militärjunta entgehen. Auf diese Weise erzählt Montalbán die Geschichte der Familie Matasanz aus drei verschiedenen Blickwinkeln. Drei Stimmen werden laut, drei Wahrheiten widersprechen und ergänzen sich. Am Ende treffen sich alle Beteiligten beim prunkvoll inszenierten Weihnachtsfest auf dem Landgut der Familie zu einem Finale, das Erfüllung und Abgesang zugleich ist. Noch erstrahlt der "Hof der Lust" im alten Glanz, doch die Risse in der schönen Fassade künden vom Verfall.

Pedro und Myriam beginnen, geschockt von den traumatischen Erfahrungen ihres letzten Einsatzes, am Sinn ihres humanitären Engagements zu zweifeln. Im Zenit seines beruflichen Erfolgs, sieht Julio seine Existenz als Mann in Frage gestellt. Und die kluge und umsichtige Madrona ist krank auf den Tod. Noch weiß das allerdings nur der Leser. Julio wird kaum mehr Zeit haben, gut zu machen, was er seiner Frau über die Jahre hinweg angetan hat.

Manuel Vázquez Montalbán hat sich während der letzten vierzig Jahre in Spanien als Journalist, Erzähler und Krimiautor einen Namen gemacht. Der Autor, der unter Franco kurze Zeit im Gefängnis saß, hat dabei niemanden geschont, weder die franquistischen Eliten noch die späteren Wendehälse und auch nicht die Regierenden von heute, die wie ihre Vorgänger alles tun, um an der Macht zu bleiben. Mit scharfem Blick und noch schärferer Zunge entlarvt er Verlogenheit, wo er sie findet, und kämpft gegen jene Verdrängungsmechanismen, mit denen man sich in Spanien wie anderswo der Konfrontation mit der eigenen Geschichte zu entziehen versucht.

Auch wenn in diesem jüngsten und letzten Roman von Vázquez Montalbán die melancholisch-resignativen Töne überwiegen, so besticht doch auch dieses Buch durch die Schärfe des Blicks und die Ironie, mit der Menschen und Milieus beschrieben werden. Dabei bewegt sich der Autor durch des Professors abgehobene Gelehrtenwelt ebenso kenntnisreich und leichtfüßig wie durch die Salons der in ihren Alltagssorgen aufgehenden Gattin. Nur bei der Schilderung der Verfolgungsszenen im Politdschungel Lateinamerikas fehlt ihm offenbar die eigene Anschauung. Da trägt er allzu dick auf und läßt viel von der Differenziertheit vermissen, die man sonst so an ihm schätzt.

Die Welt jedoch, die er kennt, das Spanien, das sich noch immer scheut, der eigenen Wahrheit ins Gesicht zu schauen, versteht Vázquez Montalbán auch in diesem Roman wieder hervorragend zu porträtieren: nicht in der direkten Form einer politischen Analyse, sondern indirekt über die Begegnung mit Menschen, deren Charaktere er mit spitzer Feder zeichnet, schonungslos, doch ohne sie je an den Leser zu verraten. Zu gut weiß er wohl selbst um die Unzulänglichkeiten menschlichen Strebens, um die Kompromisse, die man über die Jahre eingeht, aber auch um die Ängste, die jeden überkommen, wenn er sich dem Ende nah sieht. Der zärtliche Respekt, den er seinen Figuren entgegenbringt, läßt ihn vieles erkennen, was sonst meist hinter der Fassade bürgerlicher Contenance verborgen bleibt.

KLARA OBERMÜLLER

Manuel Vázquez Montalbán: "Hof der Lust". Aus dem Spanischen übersetzt von Theres Moser. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2003. 288 S., geb., 22,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Jutta Person gefällt dieser Roman der unlängst verstorbenen spanischen Autors Manuel Vazquez Montalban, der anders als viele seiner Geschichten kein Krimi ist. Ihrer Meinung nach ist es "ein facettenreichen Roman über das Älterwerden und die Liebe im 21. Jahrhundert" geworden. Da sich der Autor damit auf etwas ungewohntem Terrain bewegt, verzeiht Person auch gerne, dass "der Roman streckenweise etwas ungelenk daherkommt". Den Helden, ein Professor für mittelalterliche Literatur, nennt sie einen "alternden Narziss", der sich mit einer Mischung aus "Selbstironie und ungebremster Eitelkeit" durchkämpft. Doch ist der Roman für sie auch eine gelungene Parodie auf das akademische Leben und die "offizielle Kulturmaschinerie", die an vielen Stellen ins Schwarze trifft - die zahlreichen Anspielungen auf "real existierende Größen" sind da nur das Tüpfelchen auf dem i.

© Perlentaucher Medien GmbH