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Ein mexikanischer Gesellschaftsroman mit exzentrischen Gestalten, in deren Mitte ein Mord geschieht. Delfina Uribe schart in Mexiko-Stadt einen Kreis von Künstlern, Intellektuellen und Spionen um sich. Ihre Wohnung gilt als Höhle revolutionärer Korruption: schwerer Schmuck, leichtes Geld, frivole Spiele. Als der österreichische Exilant Erich Maria Pistauer eines Abends im Jahr 1942 bei ihr tot aufgefunden wird, gibt sie an, ihn nicht gekannt zu haben. Nur der zehnjährige Miguel behält den Mord in Erinnerung und kehrt Jahrzehnte später, nach Aufenthalten in Rom, Paris und London, nach Mexiko…mehr

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Produktbeschreibung
Ein mexikanischer Gesellschaftsroman mit exzentrischen Gestalten, in deren Mitte ein Mord geschieht.
Delfina Uribe schart in Mexiko-Stadt einen Kreis von Künstlern, Intellektuellen und Spionen um sich. Ihre Wohnung gilt als Höhle revolutionärer Korruption: schwerer Schmuck, leichtes Geld, frivole Spiele.
Als der österreichische Exilant Erich Maria Pistauer eines Abends im Jahr 1942 bei ihr tot aufgefunden wird, gibt sie an, ihn nicht gekannt zu haben. Nur der zehnjährige Miguel behält den Mord in Erinnerung und kehrt Jahrzehnte später, nach Aufenthalten in Rom, Paris und London, nach Mexiko zurück, um die Wahrheit zu erforschen und sie ? zur Geschichte geworden ? weiterzuerzählen. Er betritt damit ein langes Labyrinth.
Sergio Pitol versteht es, seine Figuren mit einer charmanten Gabe zur Lüge auszustatten, was dem Geschichtsprofessor Miguel de Solar die Recherche erschwert und den Lesern einen großen Genuss bereitet.
Autorenporträt
Sergio Pitol, 1933 in Puebla, Mexiko, geboren, studierte in Mexiko-Stadt Jura und Literaturwissenschaft und war als Literaturprofessor und Diplomat in zahlreichen Ländern tätig. Er hat Romane, Erzählungen und Essays geschrieben und gilt als einer der angesehensten Autoren Lateinamerikas. Seine Übersetzungen aus dem Russischen, Polnischen und Englischen haben das Werk von Nikolai Gogol, Anton Tschechow, Witold Gombrowicz, Henry James, Joseph Conrad und Jane Austen in Mexiko bekannt gemacht. Für seine Bücher erhielt er viele Preise, darunter den Premio Herralde de Novela, den begehrten Premio Juan Rulfo und 2005 den Premio Miguel de Cervantes. Pitol lebt heute in Xalapa, Veracruz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Fortsetzung von Seite 14
der eher privat motivierte Versuch, einen Mord aufzuklären, der sich in seiner Kindheit praktisch vor seiner Haustür ereignet hat, schon zu seinem nächsten monumentalen Projekt. Denn hat er erst mit all den Tanten, Nachbarn und Anrainern gesprochen, einem wahrlich bizarren Panoptikum menschlicher Wracks, die einander noch nahe dem Grab in nie erlöschendem Hass zugetan sind, muss er erkennen, dass ihn die Recherche mitten hinein in verdrängte, verleugnete Bereiche der mexikanischen Geschichte führt; in dem vertuschten Mordfall fokussieren sich die Vorkommnisse des ganzen widersprüchlichen und folgenreichen „Jahres 1942”.
Als sarkastischer Porträtist der mexikanischen Oberschicht hat Sergio Pitol eine unverkennbare Vorliebe für skurrile Charaktere, für die fettleibige Tante Eduvige, eine Matrone der Korruption, für die halbseidene greise Kunsthändlerin Delfina, für irre Gelehrte, die ihr Leben krausen Studien widmen und wüsten Verschwörungen auf der Spur zu sein meinen. Alle Zeugen, die del Solar befragt, widersprechen einander, aber nicht etwa, weil ihr Gedächtnis sie im Stich ließe, sondern weil sie sich nur zu gut daran erinnern, dass sie alle irgendwie in das mörderische Geschehen involviert waren und etwas zu verbergen haben. Um den Mord aufzuklären, wird del Solar nichts anderes übrig bleiben, als sich nach der Arbeit am „Jahr 1914” an die Enzyklopädie des „Jahres 1942” zu machen, in dem deutsche Spione, katholische Verschwörer, mexikanische Geheimagenten und allerlei Karrieristen im „Minerva” Partys feierten und dubiose Pläne schmiedeten. Das Haus, in dem er aufwuchs und in dem früher „Maler, Journalisten, eine Boxerin, Schriftsteller, viele Ausländer” und „lauter berühmte Mieter” gewohnt hatten, findet er jetzt in ziemlich verlottertem Zustand vor. Der Hausmeister erklärt es ihm dialektisch lebensweise: „Zu jener Zeit wohnten hier noch besser gestellte Leute. Die von heute sind, wie Sie sehen werden, viel einfacher. Einerseits ist das schade, aber zu-mindest kommen keine Verbrechen aus Leidenschaft mehr vor, und das, versichere ich Ihnen, ist auch ein enormer Vorteil.”
KARL-MARKUS GAUSS
SERGIO PITOL: Defilee der Liebe. Roman. Aus dem mexikanischen Spanisch von Petra Strien. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2003., 263 Seiten, 21,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2003

Ein Sonntagsmarsch mit Pauken und Trompeten
Liebesentzugsparade auf mexikanisch: In seinem neuen Roman verführt Sergio Pitol zu einem mysteriösen Maskenspiel

Was haben Dr. Motte, Ernst Lubitsch, die lateinamerikanische Gegenwartsliteratur und der mexikanische Nationalsozialismus miteinander gemein? Auf die an sich schon groteske Frage findet sich eine noch befremdlichere Antwort: die Love Parade. Doch so paradox es auch erscheinen mag, existiert ein verborgener Zusammenhalt. Ernst Lubitsch drehte im Jahr 1929 seinen ersten Tonfilm "The Love Parade". Triumphe feierte die Kinolegende in Mexiko unter dem Titel "El desfile del amor", was auf deutsch etwa "Defilee der Liebe" ergibt. Als glühender Lubitsch-Verehrer übernahm der mexikanische Romancier Sergio Pitol diesen Titel für einen grandiosen Gesellschaftsroman, der in die Verstrickungen Mexikos mit dem Dritten Reich eindringt. Was Dr. Motte mit alledem zu tun hat? Eigentlich nichts. Dennoch läßt es sich nicht leugnen, daß alljährlich zigtausend mexikanische Jugendliche sich unter einem goldenen Engel zu einem Defilee der Liebe mit Namen "Love Parade" in ihrer Hauptstadt versammeln.

Zufall oder Zusammenhang? Logik oder Spitzfindigkeit? Exemplarisch ist die nur ungenügend beweisbare Verknüpfung für das mysteriöse Spiel von Verschwörung und Verschweigung, von Hintersinnen und Hirngespinsten, in das Sergio Pitol gleichermaßen seine Protagonisten wie Leser einspinnt. Mit Spielfilmen und der fünften Kolonne hat sein Held, der im englischen Bristol unterrichtende Geschichtsprofessor Miguel del Solar, auf den ersten Blick ebensowenig am Hut wie Dr. Motte. "An einem Januarnachmittag im Jahre 1973", so das Romanincipit, ist der Historiker eigentlich nur in die Heimat Mexiko zurückgekehrt, um das fertige Manuskript seines Buches "Das Jahr 1914" vorzulegen. Dennoch erfahren wir in der Folge herzlich wenig von Zapata und dem Schicksalsjahr der mexikanischen Revolution. In Wirklichkeit kreisen del Solars Obsessionen um das Jahr 1942 und das prachtvolle Minerva-Gebäude, Treffpunkt von Mexikos Macht, Mafia und Intellektualität, das er, damals ein kleiner Junge, selbst bewohnte. Nach einer rauschenden und etwas zwielichtigen Party im Salon der Revolutionärstochter Delfina Uribe wurde dort in jenem Jahr ein österreichischer Exilant namens Erwin Maria Pistauer erschossen. Ein tragischer Unfall? Oder ein vertuschter politischer Mord?

Aus uns verborgenen Gründen beginnt der Historiker, die Wurzeln des Verbrechens freizulegen. Statt auf eine heiße Spur stößt der Hobbydetektiv im Umkreis des Minerva-Gebäudes auf ein Panoptikum schräger Persönlichkeiten, die hinter ihrer teils sympathischen, teils gespenstischen Exzentrität etwas Dunkles zu verbergen scheinen, allen voran del Solars offenkundig nervenkranke Tante Eduviges. Hinter den Mord projiziert sie die fixe Idee einer Verschwörung des Buchhändlers Balmoral. Dieser wiederum, selbst durch besagte Schießerei verkrüppelt, mutmaßt einen Komplott um einen syphiliskranken mexikanischen Décadence-Lyriker und die gescheiterte Europa-Karriere eines Indio-Kastraten. Verwickelt darin ist die übergewichtige jüdische Literaturwissenschaftlerin Ida Werfel, deren gänzlich ungeistiger Hang zum fäkalen Humor nach dem Motto "Der Mensch lebt nicht vom Kot allein" zu ungeahnten Peripetien führt.

In diesem schwer zu ordnenden Defilee der Monstrositäten führen alle Fährten immer wieder zu Eduviges' Bruder Arnulfo Briones und seinen zwielichtigen Beziehungen zum mexikanischen Rechtsradikalenmilieu, ja, zum Dritten Reich selbst. Doch worum genau drehten sich seine zahlreichen Reisen nach Nazi-Deutschland? Warum heiratete er als NS-Sympathisant in zweiter Ehe eine deutsche Jüdin, Pistauers Mutter, um ihr und ihrem Sohn die Flucht zu ermöglichen? Worin bestand sein Verhältnis zu Delfina Uribe, die, bis heute die "perfekte Gastgeberin" in Person, gegenüber jeglichen Zweifeln unantastbar bleibt? Die einzige Figur, die nach dem mysteriösen Hinscheiden Arnulfos als Wegweiser in diesem finsteren Reigen dienen könnte, der Winkeladvokat und Erpresser Martínez, bleibt ungreifbar. Hinterlassen hat er allein seine groteske Vision zur Rettung der Menschheit und des Minerva-Gebäudes: "Ich bin geboren, um der Welt Frieden zu bringen. Sonntags würden wir schon mal mit einer Posaune und einer Pauke vorbeikommen, und ausnahmslos alle Mieter würden in einer Parade hinter der Musik hermarschieren, auf den Galerien defilieren. Es wäre die Liebesparade, der Marsch der Eintracht, und ich ihr Tambourmajor. Aber die Welt kennt keine Erlösung."

Als einen politischen und gesellschaftlichen Karnevalszug enttarnt Miguel de Solar das Mexiko des Zweiten Weltkrieges, gespalten zwischen Nepotismus, revolutionärer Tradition und faschistischer Infiltration. Mehr und mehr fühlt sich der detektivische Professor in die Verwirrungskomödie Tirso de Molinas versetzt, in der "niemand ist, wer er zu sein vorgibt, und die Personen sich unaufhörlich aufspalten und sich die absurdesten Masken zulegen, als sei das die einzige Möglichkeit, mit den anderen auszukommen". Doch einer heuchlerischen Gesellschaft die Masken abzureißen empfiehlt sich nicht, denn, wie schon Büchners Danton zu sagen wußte, da werden die Gesichter mitgehen. Vor allem weiß del Solar eine Maske besonders schwer zu lösen: seine eigene, die ihm der Vorwand liefert, in den dunklen Winkel des Defilees zu stöbern.

Mit geradezu uhrmacherischer Präzision verwindet Sergio Pitol die zeitlich und inhaltlich verstreuten Handlungsstränge zu einem Kranz, dessen Mitte immer leer bleibt, um Platz für ein Haupt zu lassen, das sich nicht offenbaren möchte. Wenn schließlich allein der Autor lorbeerbekränzt vor unseren Augen steht, im Glanz seiner Meisterschaft und mit einem chimärischen Lächeln auf den Lippen, ahnen wir den Verrat und wissen uns doch nicht zu wehren. Als perfekter Verführer und Tambourmajor jenes Zugs von unwillentlich Liebenden mit ihren heimlichen sexuellen Passionen und Impotenzen unter makellos-puritanischer Oberfläche weiß Pitol, daß Liebesentzug das beste Mittel ist, um Leidenschaften zu schüren. Trotz seines unbändigen Grolls seufzt daher der hörige und um seine Lust betrogene Leser dem großen Romancier ein sehnsüchtiges "Mehr!" entgegen. Einem Großteil von Pitols zeitgenössischen Zunftgenossen in Europa wird das wohl auf ewig verwehrt bleiben.

Sergio Pitol: "Defilee der Liebe". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Petra Strien. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2003. 272 S., geb., 21,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Steffen Richter zeigt sich sehr angetan von Sergio Pitols Roman um Miguel del Solar, einen Professor für lateinamerikanische Geschichte, der die Ermordung des Österreichers Erich Maria Pistauer während eines Festes der mexikanischen Oberschicht im November 1942 aufklären möchte. Pitol schildere einen "prächtigen Umzug skurriler Gestalten", die vor allem im festen Willen verbunden seien, das Geheimnis vom Mord an dem jungen Österreicher zu bewahren. Dass es del Solar trotz aller Anstrengungen nicht gelingt, aus den unterschiedlichen Versionen eine zusammenhängende Geschichte zu bilden, verwundert Richter nicht weiter, da er selbst bei den unübersichtlichen Verwandtschaftsverhältnissen auch nicht mehr ganz durchblickt. Zur Freude des Rezensenten belohnt Pitol den Leser aber mit einem "poetisch fein ziseliertem Geschichtsbild": Solar scheitere zwar als Historiker, nicht aber als Schriftsteller. Als solcher setze er dem Großdiskurs der Geschichte, die nie ohne Begradigungen und gewaltsame Interpretationen zu haben sei, zahlreiche Biografien mit ihren ganz eigenen Motiven und Perspektiven entgegen. "Sie sind es", schließt der Rezensent, "die Pitol in seinem Roman auf bewundernswerte Weise bewahrt".

© Perlentaucher Medien GmbH