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Raubbau an der Natur hat eine lange traurige Geschichte in Lateinamerika, beginnend mit der Kolonialzeit. Auch heute setzen die Regierungen, gerade die vermeintlich linken, massiv auf die Gewinnung von Rohstoffen. Überall auf dem Kontinent wird der Bergbau erleichtert und der mühsam errungene Schutz für Umwelt und indigene Orte ausgehebelt. Dass die Naturressourcen endlich sind und die Rohstoffpreise extrem schwankend, will dabei niemand zur Kenntnis nehmen. Das macht die ungebremst zerstörten Natur- und Lebensräume zu gewaltvollen Konfliktgebieten unter dem Diktat des Weltmarkts.Gleichzeitig…mehr

Produktbeschreibung
Raubbau an der Natur hat eine lange traurige Geschichte in Lateinamerika, beginnend mit der Kolonialzeit. Auch heute setzen die Regierungen, gerade die vermeintlich linken, massiv auf die Gewinnung von Rohstoffen. Überall auf dem Kontinent wird der Bergbau erleichtert und der mühsam errungene Schutz für Umwelt und indigene Orte ausgehebelt. Dass die Naturressourcen endlich sind und die Rohstoffpreise extrem schwankend, will dabei niemand zur Kenntnis nehmen. Das macht die ungebremst zerstörten Natur- und Lebensräume zu gewaltvollen Konfliktgebieten unter dem Diktat des Weltmarkts.Gleichzeitig ist Lateinamerika aber auch eine Werkstatt alternativer Ansätze und kann vielerorts auf gut organisierte zivilgesellschaftliche Bewegungen setzen. Deren Solidarität mit Kleinbauern, Indigenen, aber auch Arbeitern im Bergbau ist ein Garant dafür, dass der Widerspruch gegen dieses gefährliche Spiel mit Lateinamerikas Zukunft nicht verstummen wird.
Autorenporträt
Dawid Danilo Bartelt, 1963 geboren, studierte in Bochum, Hamburg, Recife (Brasilien) und Berlin, wo er als Historiker über den Canudos-Krieg 1897 im Nordosten Brasiliens promovierte. Danach arbeitete er acht Jahre lang als Pressesprecher der deutschen Sektion von Amnesty International. Von 2010-2016 leitete er das Brasilienbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro, ab 2017 leitet er das Büro in Mexiko-Stadt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.08.2017

Der Fisch, der Wald, das Land
Dawid Danilo Bartelt erklärt, warum in Südamerika der Umgang mit der Natur von entscheidender politischer Bedeutung ist
Heutzutage sagt man ja nicht mehr Natur, sondern Biodiversität. Beide Begriffe seien Konstrukte, sagt Dawid Danilo Bartelt in seinem Essay „Konflikt Natur“. Der Autor, der bis 2016 die Vertretung der Heinrich-Böll-Gesellschaft in Rio de Janeiro leitete und kürzlich nach Mexiko wechselte, diskutiert in diesem ebenso schmalen wie inhaltsreichen Band die Ausbeutung der Ressourcen in Lateinamerika. „Unser heutiger Naturbegriff entstand aus dem Nichtmehrhaben. Man könnte sagen, die Natur wurde zur Natur, als die Menschen sie verließen. Stadt ist Welt, Natur ist Um-Welt.“
Die Menschen, die in dieser Natur leben, sprechen selbst nicht von „Natur“, angeblich kennen die meisten indigenen Sprachen keine direkte Entsprechung dieses Begriffs. „Die Natur mag für sie Welt, Mitwelt, Lebenswelt, Wertewelt, Dasein, Kosmos, Arbeitsplatz, Wohnort sein, vieles Alltägliches. Einfach da und funktional für ihre Lebensweise“.
In der urbanen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft gilt Natur hingegen als verletzlich, schützenswert und wertvoll. Doch Biodiversität ist mehr als die Vielfalt der Arten, die es um ihrer selbst willen zu erhalten gilt. Mitgedacht wird, dass die Arten das menschliche Überleben garantieren. Natur ist also eine Ressource, mit der nach technischen und ökonomischen Weisen verfahren werden kann. „Von da aus ist es nur noch ein Schritt zur Dienstleistung, die die Natur – als Ökosystem – anbietet. Und für die man bezahlt.“ Das ist nicht neu, doch was man zusammenfassend die Neue Ökonomie der Natur nennen kann und in Lateinamerika zumeist als „Finanzialisierung von Natur“ diskutiert wird, geht weit darüber hinaus.
Bartelt kritisiert diese Denkweise „Kyoto hätte der Beginn eines Umdenkens sein können.“ Man müsse am Produktions- und Konsummodell der Industriestaaten, das die Emissionen potenzierte, ansetzen, um den Klimawandel zu stoppen und Emissionen zu senken. Bartelt untersucht deswegen mögliche Wege aus dem Extraktivismus, der Ausbeutung des Kontinents, der den größten Regenwald der Erde beheimatet und von Mexiko bis Feuerland eine atemberaubende biologische Vielfalt hat. Nie haben private und staatliche Akteure den Böden Lateinamerikas mehr Rohstoffe entzogen, als dies heute geschieht.
Lateinamerika entstand als kulturpolitischer Kampfbegriff und blieb doch eine Fiktion. „Ein Missverständnis. Aber eines, das funktioniert.“ Seit mehr als 200 Jahren sind die ehemaligen Kolonien unabhängig. Zwanzig Nationalstaaten, verschiedene Klimazonen, knapp tausend gesprochene Sprachen und mehr als 400 Ethnien gibt es zwischen Mexiko und Patagonien. Der Blick von innen zeigt den Kontinent zersplittert, doch die Wahrnehmung von außen gehorcht noch immer einem homogenen Bild.
Bartelt ordnet diese Vielfalt zugleich nach zeitgeschichtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Die Diktaturen, die noch keine Generation entfernt sind, die Finanzkrisen, den Linksruck, der um die Jahrtausendwende den Kontinent durchzog und zuletzt die Rückkehr konservativer Kräfte. Der postkoloniale Rassismus, Populismus und die Ausbeutung der Ressourcen. „Darum dieses Buch“, schreibt Bartelt, „es ist dringend notwendig, über den Umgang mit Natur in Lateinamerika zu reden“. Nicht über das Faszinosum Natur, das Entdeckern, Forschern und Reisenden schon immer die Sprache verschlug. Sondern über den Extraktivismus und in diesem Zusammenhang über Territorium. Natürlich geht es um Profit. Um Bergbau, exzessive Goldsuche, um quecksilberverseuchtes Land. Öl, Gas, Soja, Fleisch, Zucker. Um den Kampf zwischen Natur und Nutzen. Im Kern geht es aber um die Frage: Wer verfügt über das Land, und wie gehen die unterschiedlichen Akteure um mit den Naturelementen, der Kultur und den Lebensweisen, die sie auf dem Territorium vorfinden? Will auch heißen: mit den Menschen.
Extraktivismus verspricht Entwicklung, Wohlstand, Bildung, Sozialprogramme, Infrastruktur und den Abbau von Staatsschulden. Doch er vernichtet Existenzgrundlagen und löst so verheerende sozial-ökologische Konflikte aus. So wird die Natur zur Ware. Wie etwa das Wasser, das kein freies Gut mehr ist. Eine mittelgroße Goldmine setzt am Tag 32 000 Kubikmeter Wasser ein. Damit lassen sich 800 Hektar Anbaufläche bewässern. „Lateinamerikas Natur verwandelt sich in Naturkapital und sogar in eine Art Währung, die für Klimaschutz, Entwicklung und die Förderung armer, in Naturräumen lebender Menschen eingelöst werden soll.“
In die neue globale Rechnung der „Grünen Ökonomie“ hat Lateinamerika das Amazonasgebiet einzubringen. Zwei Drittel des Amazonasgebiets, der grünen Lunge der Erde, liegen auf brasilianischem Staatsgebiet. Der Subkontinent ist also die wichtigste Weltregion für „REDD“, dem von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen Konzept zur Minderung von Emission aus Entwaldung und Waldschädigung.
Aber wer kann schon garantieren, dass Emissionszertifikate halten, die mindestens 30 Jahre gelten sollen? Dass diese Bäume tatsächlich nicht gefällt werden? Das sind sechs oder sieben Legislaturperioden. Und mit jeder Wahl kann ein Abkommen kippen. Aber das ist nicht nur in Lateinamerika so, wie man weiß.
MICHAELA METZ
Dawid Danilo Bartelt: Konflikt Natur. Ressourcenausbeutung in Lateinamerika. Wagenbach, Berlin 2017, 138 Seiten, 12 Euro.
So wird die Natur zur Ware. Das
Wasser ist kein freies Gut mehr
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