Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 1,50 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Willy Brandts ältester Sohn Peter erinnert sich an seinen Vater als Politiker und Privatmann, der noch in den 1980er-Jahren eine der umstrittensten Persönlichkeiten in Deutschland war. Und er schreibt über das "liebevolle, aber nicht ganz einfache Verhältnis zweier sperriger Menschen". Peter Brandt verbindet die familieninterne Sicht mit dem analytischen Blick des Historikers. So entstand zum 100. Geburtstag von Willy Brandt am 18. Dezember 2013 keine Biographie im herkömmlichen Sinne sondern ein Essay, der Privates und Politisches gemeinsam deutet und bislang weniger bekannte Züge dieser Jahrhundertgestalt mit kritischer Zuneigung herausarbeitet.…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Willy Brandts ältester Sohn Peter erinnert sich an seinen Vater als Politiker und Privatmann, der noch in den 1980er-Jahren eine der umstrittensten Persönlichkeiten in Deutschland war. Und er schreibt über das "liebevolle, aber nicht ganz einfache Verhältnis zweier sperriger Menschen". Peter Brandt verbindet die familieninterne Sicht mit dem analytischen Blick des Historikers. So entstand zum 100. Geburtstag von Willy Brandt am 18. Dezember 2013 keine Biographie im herkömmlichen Sinne sondern ein Essay, der Privates und Politisches gemeinsam deutet und bislang weniger bekannte Züge dieser Jahrhundertgestalt mit kritischer Zuneigung herausarbeitet.
Autorenporträt
Peter Brandt, geb. 1948, ältester Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, Prof. Dr., Leiter des Lehrgebiets Neuere Deutsche und Europäische Geschichte und Direktor des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften der FernUniversität in Hagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Privates und Poliertes

Noch war nicht alles über die Jahrhundertgestalt der Sozialdemokratie gesagt. Zum 100. Geburtstag von Willy Brandt meldet sich Sohn Peter zu Wort - und Torsten Körner will allen Mitgliedern der Familie Brandt gerecht werden.

Von Daniela Münkel

Alle mögen Willy" titelte schon 1965 eine große deutsche Zeitung. Willy Brandt ist heute eine Ikone - auch über die Parteigrenzen hinweg. Kaum eine große politische Rede - Bundeskanzlerin Angela Merkel macht da keine Ausnahme - ohne ein Willy-Brandt-Zitat; besonders beliebt ist das Motto der Regierungserklärung von 1969: "Wir wollen mehr Demokratie wagen!" Im Jahr des 100. Geburtstags setzt ein regelrechter "Willy-Boom" ein: 31 Bücher, zahlreiche Jubelfeiern und Konferenzen: "Willy sells." Die meisten der Publikationen, die jetzt auf den Markt kommen, sind Neuauflagen von bereits vor Jahren erschienenen Büchern - es gibt wenig Neues zu berichten über den "Jahrhundertpolitiker" Willy Brandt.

Eines der wenigen Bücher, die etwas anderes und vielleicht auch ein wenig Neues versprechen, ist das Buch von Brandts ältestem Sohn Peter. Der lässt sich auf das Experiment ein, als Historiker ein persönliches Buch über seinen Vater zu schreiben. So viel sei vorweg gesagt: Dieses Experiment ist gelungen. Es ist ein Buch, das die Lebensgeschichte von Willy Brandt mit der Familiengeschichte und der Vater-Sohn-Beziehung auf gelungene Weise verbindet. Es ist auch ein sehr ausgewogenes, ausgeglichenes Buch - wie es wohl dem Naturell von Peter Brandt entspricht. Man sucht vergeblich Zorn oder böse Worte, auch nicht über die Frau, die seiner Mutter nachfolgte, diese von der Beerdigung des Vaters ausschloss und mit der es einige Konflikte um das "schriftliche Erbe" Willy Brandts gab. Vor allem das persönliche Bild von Willy Brandt wird zurechtgerückt. Nichts von dem "fernen Vater". Brandt wird als liebevoller, verständnisvoller Vater gezeichnet - auch in den Auseinandersetzungen mit dem Sohn, als dieser seine linksradikalen Vorstellungen im Zuge von 1968 offensiv vertrat und sogar mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Sätze wie: "Wenn Vater da war und sich für die Familie Zeit nahm, war er auch präsent", unterstreichen das.

Spannend sind die Passagen, die das persönliche Umfeld von Brandt jenseits von Egon Bahr und den "üblichen Verdächtigen" beleuchten. Da trifft man auf ganz "normale" Nachbarn, mit denen die Familie gemeinsam Ferien machte, da wird deutlich, dass die Bindung an die Freunde aus dem Exil, der Weimarer Zeit und damit der linkssozialistischen SAP auch nach 1945 Bestand hatte, obwohl Brandt sich schon während der Emigrationszeit politisch von ihnen entfernt hatte. Hervorzuheben ist auch, dass Peter Brandt die Mär, an die sein Vater zeit seines Lebens geglaubt hat und die heute noch von Brigitte Seebacher und Egon Bahr verbreitet wird, dass Herbert Wehner ihn verraten habe und somit für seinen Rücktritt verantwortlich sei, zurückweist. Im Gegenteil, er betont die Gemeinsamkeiten dieser beiden Männer trotz allem Trennenden.

Das Buch endet mit einer in die Zukunft zielenden Frage, "ob die in der langfristig angelegten Ostpolitik Willy Brandts zum Einsatz gekommene Methode der Konfliktbearbeitung und seine Vorschläge für die solidarische Gestaltung des Nord-Süd-Verhältnisses nicht Lehren vermitteln können, die bei den gegenwärtigen Krisen und Kriegen Auswege weisen" - gleichsam ein Willy Brandt fürs 21. Jahrhundert!

Auch Torsten Körner wirft einen anderen Blick auf das Leben und Wirken von Willy Brandt. Der Journalist schreibt über "Die Familie Willy Brandt". Zwar ist auch hierüber schon viel geschrieben und noch mehr spekuliert worden, aber in solch einer dichten Beschreibung hat sich bis jetzt noch niemand dem Thema genähert. Der Autor betont zu Recht, dass der "private" Brandt bereits zu Lebzeiten, nicht zuletzt auch in den eigenen autobiographischen Werken, zunehmend hinter dem Politiker und Staatsmann verschwand. Das Gleiche gilt für die Öffentlichkeit, die den Privatmann, wenn überhaupt, nur noch im Zusammenhang mit gerüchteweise kolportierten Sexaffären wahrnahm. Körner bietet eine Mischung aus Reportage, Chronik und Erzählung - ein spannender Zugang, der ein abwechslungsreiches Lesevergnügen verspricht. Der Autor begibt sich auf eine Reise: Er besichtigt Orte, die im Leben der Familie Brandt bedeutsam waren, und besucht die Söhne, die Tochter, er spricht mit den Enkeln. Weggefährten von Willy und Rut Brandt und auch Freunde der Kinder kommen zu Wort. Er berichtet von den Schwierigkeiten, Lars Brandt überhaupt zu einem Gespräch zu bewegen. An alldem lässt er den Leser teilhaben, als wenn er live dabei wäre. Erzählende Passagen halten die verschiedenen Bausteine des Textes zusammen.

Das Buch ist mit sehr viel Sympathie für die Protagonisten geschrieben - man erfährt viel Privates, ohne dass es voyeuristisch wird. Die Passagen zu den Söhnen sind nicht ausschließlich auf den Vater fokussiert, sondern berichten eine Menge über deren eigenes Leben. Hervorzuheben ist die Würdigung von Brandts Tochter aus erster Ehe, Ninja Frahm, über die man bis jetzt relativ wenig wusste, weil sie in Norwegen aufwuchs und dort noch heute lebt. Sie ist ein wichtiger Teil der Familie Brandt. Der Vater hielt zeitlebens engen Kontakt zu ihr, und sie besuchte die Familie Brandt häufig in den Ferien. Besonders berührend sind Passagen aus bisher unveröffentlichten Briefen, die Willy Brandt an seine kleine Tochter schrieb, als er nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekehrt war und er sie nicht mehr regelmäßig sehen konnte. Hier tritt ein liebevoller Vater, voller Gefühle, zutage, der Angst hat, den Kontakt zu seiner Tochter zu verlieren. Brandt, dem nachgesagt wird, dass er sich nicht emotional öffnen konnte, zeigt hier eine ganz andere Seite.

Erwähnenswert ist, dass in diesem Buch Rut Brandt einen sehr breiten Raum einnimmt - eine überfällige Würdigung. Der Autor nähert sich ihr mit großer Empathie. Rut Brandt war mehr als die Frau von Willy Brandt und Mutter seiner Söhne. Sie wird als selbstbewusste Frau dargestellt, die Probleme mit ihrem Leben zwischen Deutschland und Norwegen hatte und zugleich eine liebevolle, aber auch kritische Mutter war. Streckenweise ufert der Text ein wenig aus, und so manche Passage gleitet ins Psychologisieren ab. Versucht wird, eine normale Familie zu beschreiben mit ihren Sorgen, Nöten und Freuden. Der Autor bemüht sich, allen Familienmitgliedern und ihrer Geschichte gerecht zu werden, letztlich ist Willy Brandt aber auch in diesem Buch übermächtig, sein Schatten fällt bis heute auf die Familie.

Zwei andere Neuerscheinungen sind konventioneller gestrickt und für jene Leser gedacht, die sich sachkundig und schnell über Brandts Lebenswerk und politisches Wirken informieren wollen. Der frühere Leiter des Ressorts Politik beim Spiegel, Hans-Joachim Noack, hat eine traditionelle politische Biographie über Brandt verfasst, chronologisch gegliedert und flott geschrieben. Auf den ersten Seiten lässt Noack den Leser an seinen persönlichen Erinnerungen teilhaben, die bis auf das Jahr 1970 zurückreichen. Er hat als Journalist Brandt lange Jahre begleitet. Diese wenigen Seiten sind eigentlich die spannendsten dieses Buches, denn sie enthalten einige interessante Aspekte und Einschätzungen jenseits des Mainstreams. So beschreibt Noack, dass die eigene Berichterstattung über Brandt und die großer Teile seiner Kollegen zeitweise ausgesprochen unkritisch gewesen sei. Er räumt ein, "mit welcher Fürsorglichkeit unsereins damals in die Tasten griff, um den ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen". Man sei auch nicht vor der ein oder anderen "polierten Passage" zurückgeschreckt - eine interessante Sicht auf das überschwengliche Medienecho, das die ersten drei Jahre von Willy Brandts Kanzlerschaft begleitet hat. Man hätte sich mehr solche Passagen gewünscht. Besonders für diejenigen Leser, die sich bereits ausführlicher mit Brandt beschäftigt haben, wäre die Biographie dann interessanter.

Ein informatives Bändchen über "die sozialdemokratische Jahrhundertgestalt" hat Bernd Faulenbach in der Reihe "Beck Wissen" vorgelegt. Neben einem chronologischen Zugang entfaltet er kompetent einige Querschnittthemen. So fragt er nach dem "Menschen Willy Brandt" oder nach seiner Rolle als SPD-Vorsitzender und Präsident der "Sozialistischen Internationale". In einem resümierenden Kapitel zur "Bedeutung Willy Brandts" hebt der Autor fünf Politikfelder hervor, auf denen seiner Ansicht nach der Einfluss von Brandt am nachhaltigsten spürbar ist: der Wandel der SPD zur Volkspartei; die Demokratisierung der Gesellschaft und die Entideologisierung der Politik; die Rolle Deutschlands im Hinblick auf eine europäische Friedensordnung sowie der frühe Ansatz zu einem "globalen Denken". Faulenbach betont, es sei das Erbe Willy Brandts im 21. Jahrhundert, ständig nach neuen Wegen zu suchen, um "Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit" zu realisieren.

Was bleibt? Offenbar war doch noch nicht alles gesagt über den Jahrhundertpolitiker Willy Brandt - der "private Willy" hat Konjunktur. Was darüber hinaus noch Neues zu erwarten ist, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls fordern Jahrestage ihren Tribut von Geschichtswissenschaft und Publizistik, insbesondere wenn "große Männer" im Spiel sind. Da ist es unerheblich, ob es viel Neues zu berichten gibt oder nicht.

Peter Brandt: Mit anderen Augen. Versuch über den Politiker und Privatmann Willy Brandt.

Verlag J. H. W. Dietz, Bonn 2013. 304 S., 24,90 [Euro].

Torsten Körner: Die Familie Willy Brandt.

Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 510 S., 22,99 [Euro].

Hans-Joachim Noack: Willy Brandt. Ein Leben, ein Jahrhundert.

Rowohlt Verlag, Berlin 2013. 352 S., 19,95 [Euro].

Bernd Faulenbach: Willy Brandt. Die sozialdemokratische Jahrhundertgestalt.

C. H. Beck Verlag, München 2013. 128 S., 8,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Recht knapp bespricht Hartmut Palmer Peter Brandts Erinnerungen an seinen Vater. Dies, obgleich das Buch für ihn Überraschungen bereithält. Vor allem des Sohnes nachsichtiger Umgang mit Brandts letzter Ehefrau Brigitte verblüfft den Rezensenten. Aber auch der milde Blick auf die politischen Weggefährten Schmidt und Wehner. Einen möglichen Grund findet Palmer in der Perspektivik: Indem der Autor als Historiker spricht, weniger als Sohn, wirkt sein Urteil objektiv. Dass Peter Brandt dennoch mitunter auch als Sohn spricht, macht die Lektüre für Palmer noch spannender. Schließlich weiß der Sohn Dinge, die jedem Historiker verborgen bleiben müssen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.12.2013

Mit Nachsicht
und ohne Groll
In den Erinnerungen an seinen Vater Willy Brandt
will Peter Brandt einiges klarstellen
VON HARTMUT PALMER
Sohn eines Bundeskanzlers zu sein ist kein Vergnügen. Peter und Walter Kohl – beide dem Vater entfremdet – haben das erfahren. Den Söhnen Willy Brandts erging es ähnlich: Auch sie hatten einen Vater, der ihnen nie allein gehörte. Auch sie mussten damit fertigwerden, dass die Ehe ihrer Eltern unter der Last des öffentlichen Amtes zerbrach und der Vater mit einer anderen Frau ein Leben begann, in dem für sie noch weniger Platz war als zuvor in der früheren Ehe.
  Matthias Brandt, der jüngste Sohn, war 19 Jahre alt, als seine Eltern sich scheiden ließen. Er hat – inzwischen ein berühmter Schauspieler – über diese frühere Ehe gesagt, sie sei nicht einfach geplatzt, sondern „sie verwitterte über die Jahre in eine immer größere, bittere, dann finale Stille hinein“. Und über Brigitte Seebacher, Brandts dritte Ehefrau: „Die Frau ist das Grauen.“ Sie habe dafür gesorgt, dass Brandts frühere Gattin, seine Mutter Rut, zur Beerdigung des Vaters nicht eingeladen wurde. Die Empörung des Sohnes darüber, dass und wie resolut die Nachfolgerin den großen Staatsmann zu ihrem Privateigentum machte, wird von vielen geteilt.
  Peter Brandt, 13 Jahre älter als Matthias, stimmt in diesen Chor nicht ein. Im Gegenteil: Zur Verblüffung so gut wie aller, die mit dem Politiker Brandt zu tun hatten, kommt er zu einem völlig anderen Befund. Brigitte Seebacher-Brandt habe „in meines Vaters unausgesprochenem oder ausgesprochenem Auftrag“ gehandelt, habe ihn „aufopferungsvoll“ gepflegt, „was ich ihr bis heute hoch anrechne“. Sie habe seine „Besuche geordnet, damit sie ihm nicht zu viel wurden“ und so weiter. Kein böses Wort also über die Frau, die es seinerzeit schaffte, über die Sprechanlage den Besucher Michail Gorbatschow an der Gartentür in Unkel abzuwimmeln, weil sie nicht glauben mochte, dass es wirklich Gorbatschow war, und die auch Brandts Tochter aus erster Ehe, Ninja, nicht zum sterbenden Vater vorließ.
  Stattdessen zeigt der älteste Sohn größtes Verständnis dafür, dass Brigitte (wie er sie durchgängig nennt) seiner Mutter Rut den Zutritt zum Staatsakt verwehrte: „Ich neige bis heute zu der Auffassung, dass mein Vater das so gewollt hatte oder gewollt hätte.“ Immerhin hat der Sohn inzwischen öffentlich eingeräumt, dass er dies „nicht ansprechen konnte, solange meine Mutter noch lebte“. Es hätte ihr, so darf man ihn verstehen, das Herz gebrochen.
  Man kann nur rätseln, warum Peter Brandt so nachsichtig mit der dritten Frau seines Vaters umgeht, die – nur zwei Jahre älter als er – seine Schwester sein könnte. Eine mögliche Erklärung liefert er selbst: Er habe sich „vorbehaltlos um ein gutes Verhältnis zu Brigitte“ bemüht, „weil ich den Vater-Sohn-Faden in Eintracht weiterspinnen wollte“.
  Es könnte aber auch damit zu tun haben, dass der Historiker Brandt beweisen wollte, dass er, obwohl als Sohn befangen, objektiv über den Vater urteilen kann. Er lässt zwar den Sohn hinter dem Historiker zurücktreten, aber ab und zu eben doch zu Wort kommen. Dieser Perspektivwechsel, der schon in dem Titel „Mit anderen Augen“ zum Ausdruck kommt, macht die Lektüre spannend. Schließlich hatte der Sohn Einblicke in das Leben seines Vaters, um die ihn jeder Historiker nur beneiden kann.
  Der nachsichtige Umgang mit der Witwe ist keineswegs die einzige Überraschung, die Brandt jr. bei der Würdigung des politischen Lebens seines Vaters zu dessen 100. Geburtstag gelang: Er bedient keine Feindbilder. Er erschüttert sie. Und dies nicht nur bezogen auf Brigitte Seebacher, sondern auch in der Beurteilung der Politiker, die seinen Vater ständig umgaben – Helmut Schmidt ist ein Beispiel, Herbert Wehner ein anderes, dem er ein eigenes Kapitel widmet. Aus dem Blickwinkel des Sohnes erscheinen sie in einem anderen Licht. Selbst der Kanzlerspion Günter Guillaume tritt nicht als die Inkarnation des Bösen auf, sondern als freundlicher Biedermann, der mit den Kindern Scherze machte und den absolut nichts Dämonisches umgab.
  Brandts Urteil über Herbert Wehner fällt geradezu liebevoll versöhnlich aus und unterscheidet sich damit völlig von dem Egon Bahrs. Ausführlich schildert Peter Brandt, wie er selbst den oft knurrigen Zuchtmeister erlebt habe, als dieser einmal die Familie Brandt im norwegischen Ferienhaus Vangsåsen besuchte, und zwar nach der triumphal gewonnenen Wahl 1972, als das Verhältnis zwischen Wehner und Brandt bereits als abgekühlt galt: „Er wurde empfangen wie ein hochrespektierter, aber auch emotional geschätzter Gast.“ Erst später, nach dem Rücktritt, sei das Verhältnis „nicht mehr reparabel“ gewesen. Willy Brandt habe bis zu seinem Tod geglaubt, „er sei von Herbert Wehner im Zusammenspiel mit Ost-Berlin gestürzt worden“. Diese Annahme aber, schreibt der Sohn und widerspricht damit als Historiker dezidiert nicht nur dem Vater, sondern auch dessen Weggefährten Egon Bahr, „ist weder beweisbar noch plausibel“.
Peter Brandt: Mit anderen Augen. Versuch über den Politiker und Privatmann Willy Brandt. Dietz-Verlag, 2013. 280 Seiten, 24,90 Euro.
Hartmut Palmer arbeitete lange für die SZ und den Spiegel . Heute ist er Chefkorrespondent bei Cicero .
Über die dritte Ehefrau,
Brigitte Seebacher-Brandt, hat
Peter Brandt nur Gutes zu sagen
Am 18. Dezember wäre Willy Brandt hundert Jahre alt geworden.
Sein Sohn, der Historiker Peter Brandt, nimmt nun zwei Leute in Schutz,
von denen viele sagen, sie hätten sich Brandt gegenüber illoyal verhalten:
Herbert Wehner und Helmut Schmidt.
Zeichnung: Schopf
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr