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Autoren wie Karl May, Thomas Mann oder T. E. Lawrence, der legendäre Lawrence von Arabien , Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Regisseure wie Ridley Scott oder Pop-Gruppen wie Boney M. haben alle etwas gemeinsam sie beeinflussten und beeinflussen unser Orient-Bild mehr, als dies wissenschaftliche Berichte oder Dokumentationen je könnten. Thomas Kramer entwirft ein Panorama medialer Wahrnehmung des Nahen Ostens in der abendländischen Kultur zwischen Antike und Gegenwart. Er beschränkt sich dabei nicht auf den akademischen Bereich und die Produkte des literarischen Höhenkamms , sondern…mehr

Produktbeschreibung
Autoren wie Karl May, Thomas Mann oder T. E. Lawrence, der legendäre Lawrence von Arabien , Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Regisseure wie Ridley Scott oder Pop-Gruppen wie Boney M. haben alle etwas gemeinsam sie beeinflussten und beeinflussen unser Orient-Bild mehr, als dies wissenschaftliche Berichte oder Dokumentationen je könnten. Thomas Kramer entwirft ein Panorama medialer Wahrnehmung des Nahen Ostens in der abendländischen Kultur zwischen Antike und Gegenwart. Er beschränkt sich dabei nicht auf den akademischen Bereich und die Produkte des literarischen Höhenkamms , sondern erweitert den Blickwinkel um das breite Spektrum der Populärkultur. Der Leser wird überrascht sein, wie sehr Unterhaltungsmedien wie Abenteuerromane, Filme oder Computerspiele landläufige Orientbilder auch heute noch im Zeitalter der aktuellen Berichterstattung prägen.
Autorenporträt
Thomas Kramer, Dr. phil., habilitierte sich 2002 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Untersuchung zu Phänomenen medialer Interaktion (Musiktheater, Comics, TV, Spannungsliteratur etc.). Er ist Spezialist für populäre Medien in Deutschland bis 1945, der DDR und Osteuropa.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2009

Halbwissen ist ja nicht besser als Viertelwissen

In Anlehnung an Edward Saids berühmte Kritik des westlichen Orient-Bildes möchte Thomas Kramer speziell die deutschen Vorurteile über den Nahen Osten darstellen. Das Projekt ist nicht ohne Tücke.

Der Titel ist doppeldeutig. Der Orient-Komplex meint einmal die Gesamtheit aller populären Vorstellungen, die uns Hoch- und Popkultur über den Nahen Osten vermittelt haben, und zum anderen die Schwierigkeiten, die uns der Umgang mit den dortigen Kulturen bereitet, einen Orient-Komplex also wie den Minderwertigkeitskomplex. Oder hier eher ein Höherwertigkeitskomplex, wenn es so etwas gäbe. Denn Thomas Kramer, fünfzigjähriger Medienwissenschaftler aus Berlin, stellt in Deutschland nicht nur ein schiefes Bild vom Orient fest, sondern diesem gegenüber auch eine überhebliche Einstellung. Dass beides nicht die besten Voraussetzungen sind, um sich dem Orient-Komplex in einer dritten Bedeutung, nämlich als kompliziertem Geflecht höchst brisanter politischer und religiöser Interessen, zu nähern, liegt auf der Hand.

Wobei es an Möglichkeiten, sich die Thematik zu erschließen, nicht mangelt: Kaum eine andere Region wird derart beachtet wie der Nahe Osten. Doch Kramer ist überzeugt, dass wir durch jahrhundertealte kulturelle Prägung derart prädisponiert in unserem Verständnis des Orients sind, dass erst einmal dieses für umfassend gehaltene Halb-, wenn nicht gar nur Viertelwissen analysiert werden muss, ehe man wirkliche Kenntnisse erwerben kann.

Neu ist diese Behauptung natürlich nicht; der aus Palästina stammende amerikanische Literaturwissenschaftler Edward Said ist 1978 mit seinem Buch "Orientalismus", das unlängst in einer Neuübersetzung erschien (F.A.Z. vom 28. September), berühmt geworden. Darin entwickelt er genau diese These, und Kramer verweist auch auf sein Vorbild. Doch hält er Said vor, im Gegensatz zur französischen, englischen und spanischen die deutsche Kulturgeschichte kaum beachtet zu haben.

Da Deutschland im Gegensatz zu den anderen genannten Ländern keine koloniale Geschichte aufweist, die den Orient betroffen hätte, kann man Saids Vernachlässigung unseres Kulturraums nachvollziehen. Nur führt Kramer zwei Aspekte an, die seine eigene Forschung mit ihrem Deutschland-Schwerpunkt rechtfertigen: die historische Türkenfurcht, die an den Mythos der Rettung des Abendlands durch Karl Martell im Jahr 732 anknüpft, und - noch weitaus wichtiger - die heutige weltweite mediale Vernetzung, die uns mit all den anderen Orientalismusphänomenen überschwemmt. Sie ergänzen die eigenen kulturellen Vorurteile und ergeben dadurch einen spezifisch deutschen Mix.

Einiges, was dabei für Kramer eine Rolle spielt, scheint arg schlagwortartig. Der Antisemitismus zum Beispiel. Es liegt nahe, aus dem populären Ruhm der orientalischen Geheimbünde (Assassinen und Templer) den Topos einer jüdischen Weltverschwörung erwachsen zu sehen. Das hat Said schon ausgeführt. Kramer ergänzt dessen Beispiele um drei deutsche Gewährsleute aus dem neunzehnten Jahrhundert, in deren Schriften er durch die Verknüpfung der orientalischen mit der sozialen Frage alle Voraussetzungen geschaffen sieht, um zur unseligen "jüdischen Frage" des zwanzigsten Jahrhunderts zu kommen: Karl Marx, Friedrich Engels und den Popularschriftsteller Sir John Retcliffe, der eigentlich Ottomar Hermann Goedsche hieß. Zwar geht Kramer nicht in die Falle, den Erkenntnisstand nach der Schoa auf die Zeit der Entstehung der Werke dieser drei Autoren zu übertragen, aber er greift doch recht kurz, wenn er den abstoßenden, aber damals salonfähigen Antisemitismus des neunzehnten Jahrhunderts als spezifisch deutsches Phänomen würdigt.

Die Materialsammlung Kramers beeindruckt. Seine vorhergegangene intensive Beschäftigung mit Karl May und der Populärkultur der DDR ermöglicht Schwerpunktsetzungen, die tatsächlich weit außerhalb des von Said und dessen Epigonen ausgeschrittenen Themenkreises liegen. Wie heißt es zum Auftakt? "Lara Croft und ihr amerikanischer Kollege Professor Henry Jones jr., besser bekannt als ,Indiana Jones', können die Welt vor dem Missbrauch morgenländischer Mysterien retten, weil sie sich in der gesamten Kulturgeschichte auskennen." Aus demselben Grund kann uns Kramer vor abendländischen Missverständnissen retten.

Schade nur, dass dem Lektorat, so es eines gab, einige Fehler entgangen sind. So wechselt binnen zwei Seiten eine Jahreszahl von 675 zu 677, die Schreibweise des Regisseurs Anthony Mann changiert munter zwischen der korrekten Form und "Man", und Friedrich II. hätte 1730 wohl kaum den geeigneten Bündnispartner für August den Starken abgegeben, weil der Hohenzoller erst 1740 auf den preußischen Thron kam.

Außerdem fehlt dem Buch ein Register, und ein paar Zitate aus dem Werk des Orientalisten Walther Wüst, der Himmler zuarbeitete, hätten sich auch gelohnt. So bleibt nämlich nur der gute Glaube an Kramers starke Behauptung, "niemand sonst" habe sich derart mit "einer verbrecherischen Politik" identifiziert wie Wüst. Nun, vielleicht niemand sonst in der Orientalistik.

ANDREAS PLATTHAUS.

Thomas Kramer: "Der Orient-Komplex". Das Nahost-Bild in Geschichte und Gegenwart. Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2009. 248 S., 8 Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Thema verstanden als "kompliziertes Geflecht brisanter politischer und religiöser Themen" erscheint Andreas Platthaus höchst interessant. Die These von der Prädisposition des Orient-Verständnisses, das weiß Platthaus natürlich, ist nicht neu. An diesem Band von Thomas Kramer schätzt er darum vor allem den Deutschland-Schwerpunkt, den (wenn auch eher spekulativen) Blick auf den spezifisch deutschen Mix der Vorurteile gegenüber dem Nahen Osten. Wenn der Autor dabei auch mitunter zu kurz greift (Stichwort: Antisemitismus), so zeigt sich Platthaus doch beeindruckt. Von der schieren Materialfülle wie von der Perspektivenerweiterung in Bezug auf Kramers großes Vorbild Edward Said. Ein Register und ein besseres Lektorat, so schließt Platthaus seine Besprechung, hätten dem Buch gut getan.

© Perlentaucher Medien GmbH