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Früh- und hochmittelalterliche Bilder von Frauen, die Bücher religiösen Inhalts verfassten, kopierten, malten oder stifteten, stehen im Zentrum dieser Untersuchung: Bilder von Frauen, die an der Herstellung illuminierter Bücher im weitesten Sinne beteiligt waren - von der literarischen Komposition bis zur Dedikation. Die Publikation stellt die erste umfassende Studie dieses Themas dar.
Untersucht werden Bilder in religiösen Schriften, die in erster Linie für geistliche, in Klöstern lebende Frauen und Männer bestimmt waren. Neben mittelalterlichen Malerinnen, Kopistinnen und Autorinnen
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Produktbeschreibung
Früh- und hochmittelalterliche Bilder von Frauen, die Bücher religiösen Inhalts verfassten, kopierten, malten oder stifteten, stehen im Zentrum dieser Untersuchung: Bilder von Frauen, die an der Herstellung illuminierter Bücher im weitesten Sinne beteiligt waren - von der literarischen Komposition bis zur Dedikation. Die Publikation stellt die erste umfassende Studie dieses Themas dar.

Untersucht werden Bilder in religiösen Schriften, die in erster Linie für geistliche, in Klöstern lebende Frauen und Männer bestimmt waren. Neben mittelalterlichen Malerinnen, Kopistinnen und Autorinnen werden Darstellungen von Sibyllen einbezogen, den Autorinnen der weitverbreiteten sibyllinischen Prophetien. Im Gegensatz zur modernen Forschung zweifelte das Mittelalter nicht an der historischen Existenz der Sibyllen und bildete sie deshalb sehr ähnlich ab wie ihre zeitgenössischen Kolleginnen.

Die früheste behandelte Abbildung schreibender Frauen findet sich auf dem Hieronymus- Frontispiz in der ersten Bibel Karls des Kahlen, die spätesten sind die berühmten Bildnisse Hildegards von Bingen aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zwischen diese Darstellungen reihen sich Bildnisse Baudonivias aus Poitiers, Herrads von Hohenburg, Elisabeths von Schönau und anderer mehr.

Dank der Abbildungen, die hier erstmals zusammengestellt sind, ist es möglich, wiederkehrende Bildmotive zu erkennen und zu analysieren und der Frage nach der Existenz einer besonderen Ikonographie weiblichen Schreibens nachzugehen. Wo der literarische Kontext es erlaubt, werden die Bilder im Zusammenhang mit der Topik der Prologe analysiert und die Beziehung zwischen Bild- und Textmetaphern aufgezeigt. Weiter wird der Versuch unternommen, die weiblichen Bildnisse in die Geschichte des mittelalterlichen Schreiber- und Autorenporträts einzuordnen. Dabei stellt sich heraus, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit weit mehr Frauen Buchkünstlerinnen darstellen, als in der Forschung bisher angenommen wurde. Der Vergleich zwischen weiblichen und männlichen Autoren zeigt ausserdem, welch immenses Prestige gewisse Autorinnen genossen. So ist zum Beispiel die Ikonographie Hildegards von Bingen und der Sibylle eng verwandt mit derjenigen der bedeutendsten göttlich inspirierten Visionäre, die das Mittelalter kannte: Moses, der Johannes der Apokalypse und Gregor der Grosse.

Es ist davon auszugehen, dass die Teilnahme von Frauen an der Literaturproduktion und Buchherstellung in den mittelalterlichen Klöstern von der Forschung bis anhin häufig unterschätzt wurde.
Autorenporträt
Katrin Graf, geboren 1961 in Basel, studierte Literatur, Kunstgeschichte und Geschichte des Mittelalters an der Universität Basel und promovierte an der Universität Genf. Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Fassung ihrer Dissertation. Katrin Graf ist als Lehrerin in Lausanne tätig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.03.2003

Von Gott inspiriert
Katrin Graf über Bildnisse schreibender Frauen im Mittelalter
Das Mittelalter war eine Männergesellschaft. Die Texte und Bilder, in denen die mittelalterliche Gesellschaft uns eine Beschreibung von sich überliefert, weisen dem Weib in der Öffentlichkeit sehr wenige, eng umgrenzte Rollen zu. Wer mehr über das Leben und Wirken mittelalterlicher Frauen erfahren möchte, muss eine erkleckliche Portion Ausdauer, Einfühlungsvermögen und Fantasie mitbringen. Katrin Graf verfügt über solche Eigenschaften.
Sie macht sich auf die Suche nach Schreiberinnen in hochmittelalterlichen Bildnissen. Das ist nicht einfach, denn es gibt nur wenige Darstellungen von schreibenden Frauen. Dafür erscheinen sie oft mit Schreibmaterial in den Händen in Widmungs- oder Repräsentationsszenen, meistens allerdings als Randfiguren. Mittels ikonographischer Vergleiche kann Graf zeigen, dass weibliche Gestalten wie auf dem Hieronymus-Frontispiz der ersten Bibel Karls des Kahlen nicht als passive Empfängerinnen der Werke geistlicher Autoren angesehen werden müssen. Sie können stattdessen als Hinweise auf die aktive Beteiligung von Frauen an der Buchherstellung, sei es als Autorinnen oder sei es als Buchkünstlerinnen, gedeutet werden. Graf deckt auf diese Weise eine geradezu subversive Bildsprache auf, mit deren Hilfe Frauen die ihnen auferlegten Rollenschranken umgingen und verschlüsselte Botschaften zu Pergament brachten.
Literarische und künstlerische Urheberschaft wurde im Mittelalter weniger dem Künstler zugerechnet als dem Heiligen Geist. Dem Schreibenden kommt daher im Schaffensprozess eine eher passive Rolle zu. Die Ikonographie schreibender Frauen konnte sich daher aus der Darstellung männlicher von Gott inspirierter Autoren bedienen. Auch die Sibyllen als heidnische Prophetinnen der Menschwerdung und des Jüngsten Gerichts dienten als Vorbild. Graf untersucht drei Bildnisse von Sibyllen mit Schreibutensilien in den Händen. Die Analyse bestärkt den Eindruck, dass sie im Mittelalter hohe Autorität genossen. Wie überhaupt Frauen, wohl gerade weil sie außerhalb der kirchlichen Hierarchie standen, größere Chancen hatten als Männer, von ihren Zeitgenossen als unmittelbar von Gott inspirierte Visionärinnen und Autorinnen anerkannt zu werden.
CHRISTIAN JOSTMANN
KATRIN GRAF. Bildnisse schreibender Frauen im Mittelalter. 9. bis Anfang 13. Jahrhundert. Schwabe & Co. Verlag, Basel 2002. 298 Seiten, 59 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Katrin Graf hat sich auf die Suche nach hochmittelalterlichen Bildnissen gemacht, die Frauen einmal nicht nur als passive Empfängerinnen geistlicher Werke darstellen, sondern selbst als Autorinnen oder Buchkünstlerinnen. Dank einer erklecklichen Portion "Ausdauer und Fantasie" war der Anstrengung der Kunsthistorikerin Erfolg beschieden, freut sich Christian Jostmann. Denn Graf ist es seiner Meinung nach absolut überzeugend gelungen, die geradezu "subversive Bildsprache" aufzudecken, mit deren Hilfe Frauen im Mittelalter die ihnen auferlegten Beschränkungen umgingen. So komme Grafs präzise Analyse etwa dreier Sibyllen-Darstellungen zu dem Schluss, dass schreibende Frauen als unmittelbar von Gott inspirierte Visionärinnen durchaus hohe Autorität genossen.

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