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Welcher Arzt will nicht ein "guter Arzt" sein? Denken und Handeln jeden Arztes sind darauf ausgerichtet und von dieser unausgesprochenen Grundhaltung geprägt. Das Bestreben, ein guter Arzt zu sein, braucht man also wohl nicht zu lehren, doch kann man lernen, ein besserer Arzt zu werden. In diesem Sinne will das Buch ein Lehrbuch - eine Hilfe zum praktischen ärztlichen Handeln - sein, wohl erstmals übrigens mit Hilfe der Philosophie von Emmanuel Levinas. So zählt es beispielsweise zu den Voraussetzungen einer guten Arzt-Patient-Angehörigen-Beziehung, daß es nicht Aufgabe des Arztes ist, den…mehr

Produktbeschreibung
Welcher Arzt will nicht ein "guter Arzt" sein? Denken und Handeln jeden Arztes sind darauf ausgerichtet und von dieser unausgesprochenen Grundhaltung geprägt. Das Bestreben, ein guter Arzt zu sein, braucht man also wohl nicht zu lehren, doch kann man lernen, ein besserer Arzt zu werden. In diesem Sinne will das Buch ein Lehrbuch - eine Hilfe zum praktischen ärztlichen Handeln - sein, wohl erstmals übrigens mit Hilfe der Philosophie von Emmanuel Levinas.
So zählt es beispielsweise zu den Voraussetzungen einer guten Arzt-Patient-Angehörigen-Beziehung, daß es nicht Aufgabe des Arztes ist, den Anderen besser zu verstehen, sondern daß es seine Aufgabe ist, seine Beziehung zum Anderen so zu gestalten, daß dieser sich selbst besser versteht. Daraus leitet Dörner die Grundhaltung einer ärztlichen Verantwortung ab, die zwar aus Sorge um sich selbst wie um andere entsteht, die aber das Arztsein nicht vom Arzt her, sondern vom Anderen, vom Patienten, her begreift.
In der 2. Auflage entwickelt der Autor diese Gedanken weiter und erläutert sie durch aktuelle gesellschaftspolitische Ereignisse und Diskussionen.
Dörner geht auf die Reaktion von Habermas auf den 11. September 2001 und auf die biotechnische Entwicklung der Medizin ein. Dem heute überwertigen Grundbedürfnis der Menschen nach Selbstbestimmung stellt er das ebenso vitale Grundbedürfnis komplementär gegenüber, Bedeutung für andere zu haben. Daneben nimmt er kritisch Stellung zu den Diskussionen um die Gesundheitsreform, bei der er die Gefahren einer nicht optimalen, sondern eher maximalen Vermarktwirtschaftlichung der Medizin mit der Folge einer geradezu kostentreibenden Gesundheitsvernichtungsmaschine sieht.
Für alle Ärzte, aber auch Pflegende sowie Angehörige der anderen Gesundheits- und Sozialberufe, für Pädagogen, Erzieher und schließlich für alle, die an Medizinethik interessiert sind.
"Dieses Buch gibt zu denken - und zwar vornehmlich jenen, die in der täglichen Arbeit stehend durchaus bemerken, dass Nachdenklichkeit von schierem Nutzen wäre, dafür aber weder Zeit noch Gelegenheit finden."
Deutsches Ärzteblatt
"Gerade in Zeiten neuer Machbarkeitseuphorie wie in der Biomedizin ist dieses Buch eine unendlich wichtige Lektüre für angehende oder selbstkritisch gebliebende Ärzte."
Die Zeit
Autorenporträt
Prof. Dr. Klaus Dörner, geboren 1933, ehemals leitender Arzt des Psychiatrischen Landeskrankenhauses Gütersloh und Professor für Psychiatrie der Universität Witten-Herdecke, Mitinitiator der Reformbewegung in der Psychiatrie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2002

Der hippokratische Schneid
Klaus Dörner lehrt die hohe Kunst der ärztlichen Grundhaltung

Medizinische Praxis ist immer mehr als die bloße Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis. Um diesen Mehrwert geht es Klaus Dörner in seinem "Lehrbuch der ärztlichen Grundhaltung". Dabei weiß der Autor um die Ironie dieser Bezeichnung. Denn sein Lehrbuch kumuliert kein abfragbares Wissen, sondern nähert sich in acht Abschnitten dem nichtrationalisierbaren Kern ärztlicher Tätigkeit. Ihm ist ein großer hermeneutischer Wurf gelungen. Wer sich ernsthaft für die Philosophie der Medizin interessiert, kommt um Dörners Ausführungen nicht herum. Der Autor erweist sich als profunder Kenner der Philosophie der zweiten Hälfte des gerade vergangenen Jahrhunderts. Viel verdankt er dem radikal ethischen Denken Emanuel Levinas' einerseits und der Hermeneutik Gadamers. Auch die Bedeutung kommunitaristischer oder feministischer Ansätze für die Versprachlichung der Selbstsorge als Brücke zum bloß abstrakten Menschenbild einer Prinzipienethik werden gewürdigt.

Ausgangspunkt für die ärztliche Haltung ist nach Dörner die Frage nach dem guten Leben und eine Anthropologie, die das Beziehungsgeflecht menschlicher Existenz hinreichend berücksichtigt. Dazu stellt er fünf von ihm als beziehungsanthropologisch bezeichnete Thesen vor. Diese erweisen sich als höchst bedenkenswert und intuitiv "richtig" im ärztlichen Alltag. Die vierte These behauptet in Anlehnung an Levinas, daß Menschen nur als moralisch handelnde Subjekte vorkommen, indem sie einem vom anderen ausgehenden Anspruch Antwort geben, der selbst passiv erlebt wird. Nur im Schutz eines solchen Rahmens sei es gerechtfertigt, andere Menschen auch als Objekte anzugehen, wie es etwa im Rahmen medizinischer Eingriffe notwendig ist. Damit wird eine Erfahrung des ärztlichen Alltags trefflich beschrieben. Nicht selten ist von einer Diagnose, also etwa vom "Myokardinfarkt" oder der "Galle", auf der Station die Rede und nicht von Personen als Träger der Krankheit.

Die Sprache offenbart die im Alltag notwendige Reduktion des Patienten auf physiologische Zusammenhänge. Sie ist aber nur moralisch gerechtfertigt, wenn sie eingebettet ist in eine moralische Beziehung. Diese verwirklicht sich nicht in einer oberflächlichen Wechselseitigkeit, wie sie zur Stärkung der Autonomie des Patienten allenthalben gepredigt wird: "Wenn wir darüber hinaus an die Geschichte der Medizin und ihre wesentlichen Wurzeln in der Gastlichkeit des Hospitals erinnern, könnte es in der Tat sein, daß gerade für uns Ärzte die asymmetrische Philosophie des Dem-Gast-Dienens die symmetrische Philosophie der Wechselseitigkeit des Dialogs zu ersetzen und einzubetten geeignet ist." Daher wehrt sich der Autor gegen die verbreitete Mode einer ausschließlich in Prinzipien gegründeten Moralität. Bis in die Sprache hinein hebt sich Dörners Buch wohltuend von den Ausführungen der sogenannten "Bioethiker" ab. Während letztere nicht selten die Naturwissenschaften nachahmen und uns Kopfgeburten wie etwa die "bioethische Expertise" zumuten, verweist Dörner auf die Grundhaltung als Ausgangspunkt jeder ärztlichen Ethik.

Jeder Wirklichkeitsbereich besteht in unserer Wahrnehmung aus harten und aus weichen Daten. Das Unaussprechliche und Nichtrationale darf nicht verschämt ins Abseits gestellt und verdrängt werden. Vielmehr gilt es, diese Anteile der ärztlichen Existenz "behutsam zu beschreiben". In ihnen manifestiert sich, was als Grundhaltung bezeichnet werden kann. Dörners Ausgangspunkt ist die Sorge, die als Selbstsorge mit der Frage nach dem guten Leben eng verknüpft ist. In der Begegnung des Arztes mit dem anderen, dem Fremden, manifestiert sich der moralische Anspruch des Patienten, der die Grundlage jeglicher Verantwortung ist. Der Kontakt zwischen Arzt und Patient muß ergänzt werden um die Sorge für Angehörige. Im Falle chronischer Krankheit wird auch den Angehörigen der Boden unter den Füßen entzogen, wenn Lebenspläne scheitern. Dörner weist zu Recht darauf hin, daß es im Vergleich zur Beziehung zum Patienten etwas grundsätzlich anderes ist, sich den Angehörigen auszusetzen. Diese Aufgabe zählt er aber ebenso zu den Verpflichtungen ärztlicher Tätigkeit. Daher erinnert er an die Tradition der Hausärzte, die die Patienten in ihren Beziehungsgeflechten kannten. Er beklagt den fast "hundertjährigen Irrweg", auf dem nur der Patient im Mittelpunkt stand.

Besonders lesenswert sind seine Erfahrungsregeln für die Beziehung zu Angehörigen. Die Behandlungseinheit, so Dörner, sei die Familie. Erfahrungshungrige Leser werden mit dieser theoretischen Kenntnis nicht alleine gelassen. Dörner empfiehlt Klinikstationen und Arztpraxen, "Angehörigengruppen" einzurichten. Zwar kosteten sie kurzfristig Zeit, auf lange Sicht werde aber Zeit gespart. Es gebe keine bessere Methode, sich über die Andersheit der Angehörigen die Augen öffnen zu lassen. Klaus Dörner läßt den Leser an seiner reichen Erfahrung im Umgang mit Angehörigen teilhaben. Hier schreibt ein philosophischer Kopf, der in der Praxis verwurzelt ist: Die Theorie ist geerdet. Das macht den "guten Arzt" zu einer gewinnbringenden Lektüre, die über den Spezialfall der Medizin hinausweist.

Das zeigt sich etwa in den Ausführungen über das Gewissen. Wer es aus seiner "Verankerung in einem Anderen" herauslöst, weil er es aus vermeintlichen Fesseln glaubt befreien zu müssen, schläfert es ein. Dörner spricht von einer "exteriophoben" Freigabe des Gewissens. Dann werde die durch das Gewissen verursachte Beunruhigung lediglich betäubt; die interessengeleitete Rationalität kann sich leicht systemimmanent breitmachen. Eine Beobachtung, die sich auch in aktuellen Debatten der Biopolitik zu bewahrheiten scheint. Wer sein Gewissen als verankert bekennt, wird leicht ein Fundamentalist gescholten. Klaus Dörner warnt eindringlich vor einer "markt- und weltläufig" gewordenen utilitaristischen Bioethik. Sie geht nicht vom anderen aus, sondern verkündet den Austausch von Interessen gleich dem von Waren. Damit laufe sie immer die Gefahr, zur bloßen "Akzeptanzbeschaffung" eines medizinisch-technischen Fortschritts zu verkommen.

Vor dieser Folie erweist sich Klaus Dörners Kritik am Konzept des Hirntodes als bedenkenswert. Bleiben doch fundamentale anthropologische Erfahrungen von Angehörigen und Pflegenden unberücksichtigt, die Hirntote als Sterbende erleben. Daß solche Einwände sich nicht nur der Ablehnung medizinischer Technik verdanken, beweist ein Blick nach Japan. Dort müssen Angehörige einer Organentnahme zustimmen, selbst wenn sie vom Spender zuvor verfügt wurde. Bis zum Sommer diesen Jahres wurden in Japan ganze vierzehn Organentnahmen bei Hirntoten berichtet.

Man kann die Assistenzärzte, die von dem ehemaligen Leiter einer großen psychiatrischen Klinik ausgebildet wurden, im nachhinein nur beneiden. Denn Grundhaltung wird nicht zuletzt durch die Erfahrung geprägt. Und die kann man nicht lernen, sie muß man, wie Dörner betont, "machen". Dörners "Der gute Arzt" darf man schon jetzt die Qualitäten eines Standardwerks der Philosophie der Medizin bescheinigen, dem man gar nicht genug Leser wünschen kann. Es richtet sich an alle Berufsgruppen, die sich um Patienten bemühen. Nicht zuletzt diese selbst können davon profitieren.

STEPHAN SAHM

Klaus Dörner: "Der gute Arzt". Lehrbuch der ärztlichen Grundhaltung. Schattauer Verlag, Stuttgart 2001. 334 S., geb., 35,28 .

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