Produktdetails
  • Verlag: Sauerländer
  • Seitenzahl: 162
  • Altersempfehlung: 11 bis 13 Jahre
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 395g
  • ISBN-13: 9783794145928
  • ISBN-10: 3794145925
  • Artikelnr.: 10203506
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Ju-Ju-Zauber
Kindheitserinnerungen an Liberia
Liberia heute, ein verwüstetes Land, die Infrastruktur ist weitgehend zerstört. Monrovia, die Hauptstadt, ist ohne Strom- und Wasserversorgung. Der Bürgerkrieg, der von 1989 bis 1996 dauerte, hat die alten Stammeshierarchien verändert. Die in den sechziger Jahren noch intakten Regenwälder wurden abgeholzt. Als Sarina, die Heldin aus Wo der Mangobaum singt, mit ihren Eltern Anfang der 80er Jahre nach Liberia kommt, herrscht der Diktator Samuel Doe. Als blutjunger Oberfeldwebel war er an der Ermordung von Präsident Tolbert beteiligt und ließ am Strand von Monrovia die Führungsriege der damaligen Regierung erschießen, fast ausnahmslos Ameriko-Liberianer, Nachkommen von ehemaligen Sklaven, die einst die Republik Liberia gründeten.
Die politische Situation ist in der Handlung nicht direkt zu spüren. Sarina ist überwältigt von den neuen Eindrücken, die sich ihr durch die Freundschaft mit Boima erschließen, einem Jungen, der auf dem Markt „Joe Bar” für seine Mutter Früchte verkauft. „Joe Bar” zeigt die Vielfalt der afrikanischen Märkte mit ihren schreienden Farben, dichtem Gedränge und exotischen Gerüchen, mit Frauen in bunten, knöchellangen Kleidern, den Lappas, die ihre Babys auf dem Rücken tragen.
Mit großem Einfühlungsvermögen beschreibt die Autorin Amy Bronwen Zemser aus eigenen biografischen Erfahrungen die Menschen. Sie beobachtet sehr genau und es gelingt ihr, die Magie Afrikas zu vermitteln. Sie erzählt vom Hauspersonal von „Oldman Jacob”, vom Koch „Thomas Scott” und der jungen Liberianerin „Te Te”, die sich um das Mädchen kümmern soll. Denn Sarina darf das Haus fast nie verlassen, weil ihr der Vater die Verantwortung für die kranke Mutter aufgebürdet hat. Sie flüchtet in die Welt der Afrikaner mit ihren Mythen. Hier erfährt sie zum ersten Mal von „Ju Ju”, dem großen Zauber, an den fast alle Liberianer glauben. Um ein drohendes Unheil oder eine Krankheit abzuwenden, muss ein Ju-Ju-Mann aufgesucht werden, der den Ahnen ein Opfer dabringt und so ihren Zorn besänftigt. Denn ständig muss man auf der Hut sein vor den düsteren Machenschaften der Menschen, die einem nicht gut gesinnt sind, vor Dämonen, die überall hausen, und vor den Ahnen, die weiterleben in Bäumen und Tieren.
Erstaunlich, wie Sarina durch die Freundschaft mit Boima auf die Menschen in diesem für sie so fremden Land zugeht und sich öffnet. Menschen, die weder lesen noch schreiben können, die von gefährlichen Krankheiten wie Malaria und Lepra heimgesucht werden. Sie ist fasziniert von meilenweiten, leeren Stränden und einsamen Urwaldflüssen, die über tosende Stromschnellen stürzen. Und von den Maskengestalten, die an lodernden Feuern zu dem dumpfen Rhythmus der Trommeln tanzen.
Am Ende des Buches verläßt Sarina Liberia. Wenige Jahre nach ihrer Rückkehr in die Staaten werden Jungen wie Boima zu Tausenden rekrutiert und zu Kindersoldaten ausgebildet, lernen unter Drogeneinfluss erbarmungslos zu töten, für einen elenden Bürgerkrieg, der gerade wieder aufgeflammt ist. In einem Land, in dem die Menschen ursprünglich fröhlich, ohne Hass auf den unvorstellbaren Reichtum der Weißen, in ihrer eigenen Welt der überlieferten Mythen leben. ( ab 12 Jahre)
SIEGFRIED WOLFRAM
AMY BRONWEN ZEMSER: Wo der Mangobaum singt. Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Krutz-Arnold. Sauerländer Verlag 2002. 168 Seiten, 12,80 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das "Problembuch" ist in Missgunst geraten, bemerkt die Rezensentin Christina Thurner, und das aufgrund des "Voyeurismus", der sich oftmals hinter vorgetäuschter Anteilnahme und Aufklärungsabsicht verbirgt. In einer Doppelbesprechung geht die Rezensentin auf zwei amerikanische Romane ein, die eine willkommene Ausnahme dazu bilden, da sie "äußerst differenziert und erzählerisch feinfühlig" an den "Umgang mit Psychosen" herangehen, ohne den Blick ausschließlich auf die Probleme zu lenken. In Amy Bronwen Zemsers Roman "Wo der Mangobaum singt", berichtet die Rezensentin, muss die zwölfjährige Protagonistin den Panikattacken ihrer Mutter begegnen. Dies, so Thurner, tut sie so gut ihre Situation es ihr erlaubt - Mutter und Tochter wohnen im fremden Liberia, der Vater ist weit weg -, mit einer Mischung aus "altruistischer Anteilnahme und selbstischer List". Dabei gefallen der Rezensentin besonders die "differenzierte Figurenzeichnung" und die subtil entwickelte Perspektive". Bemerkenswert findet Thurner ebenfalls, dass das Buch nichts "beschönigt": weder die "kulturellen Unterschiede und die kolonialistischen Herrschaftsverhältnisse", noch das Verhalten von Kind und Eltern.

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