Marktplatzangebote
14 Angebote ab € 3,38 €
Produktdetails
  • Verlag: Pustet, Regensburg / Styria
  • Seitenzahl: 648
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 1472g
  • ISBN-13: 9783791717777
  • ISBN-10: 3791717774
  • Artikelnr.: 09883190
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2002

Größenwahn im Doppelpack
Adolf Hitler und Benito Mussolini – was die beiden Diktatoren miteinander verband
WALTER RAUSCHER: Hitler und Mussolini. Macht, Krieg und Terror, Verlag Styria Graz Wien Köln 2001. 648 Seiten. 34,90 Euro.
Welch ein Thema – diese Doppelbiographie der wahrscheinlich größenwahnsinnigsten Politiker des 20. Jahrhunderts: Einmal nicht nur Mussolini oder Hitler biografisch anzugehen, sondern den Versuch zu machen, über beide an den Kern des europäischen Faschismus heranzukommen, ist eine verlockende historiografische Perspektive. Alan Bullock, der Altmeister der britischen Geschichtswissenschaft, hat vor kurzem vorgemacht, wie man so etwas anlegt. In einer Doppelbiografie Hitlers und Stalins legte er die Wurzeln des Totalitarismus frei.
Allerdings braucht man für einen solchen Versuch ein klares Konzept. Man kann die politischen Beziehungen zwischen Hitler und Mussolini, die Einflussnahme des einen auf den anderen und die sich daraus ergebenden politischen Abhängigkeiten untersuchen. Oder man benutzt die Biografien Hitlers und Mussolinis zu einem politischen Systemvergleich faschistischer Regime, fragt also nach dem jeweils Spezifischen der beiden Führerdiktaturen. Walter Rauscher geht weder den einen noch den anderen Weg. Er hat sich anscheinend wenig Gedanken darüber gemacht, was er eigentlich herausbekommen will. In dem nur wenige Seiten umfassenden Vorwort ist vage vom „dämonischen Charme” und von der „brutalen Ausstrahlung” die Rede, die für beide Diktatoren charakteristisch gewesen seien. Ihr persönliches Verhältnis wird nichts sagend als „höchst ambivalent” bezeichnet. Das ergibt keine Erfolg versprechende Fragestellung.
Auf eine Bibliografie zu verzichten, mag „aus ökonomischen Gründen” gerechtfertigt sein, bei einem Buch mit wissenschaftlichem Anspruch ist es jedoch nicht vertretbar. Dies um so weniger, als Rauscher allzu häufig die einschlägige Forschung nicht zur Kenntnis nimmt.
Obwohl dessen historisch einzigartige Rolle inzwischen aus zahlreichen Untersuchungen bekannt ist, kommt Giuseppe Renzetti, der als Mittelsmann Mussolinis zwischen 1929 und 1934 in Berlin die entscheidenden Kontakte knüpfte, in dem Buch nicht vor. Ebenso unbegreiflich ist, weshalb der Autor das wichtige Buch seiner Wiener Kollegin Brigitte Hamann über „Hitlers Wien” nicht zu kennen scheint. Alle Legenden über den frühen Hitler, die Hamann ausgeräumt hat, werden von Rauscher wiederholt. Ähnlich überholt ist, was er über die nationalsozialistische Besatzungsherrschaft in Italien zwischen 1943 und 1945 schreibt, weil er das gewichtige Buch von Lutz Klinkhammer „Zwischen Bündnis und Besatzung” nicht wahrnimmt. Das scheinbar sichere Wissen über Mussolinis Ende wurde schließlich kürzlich von Sergio Luzzatto in einem vom Autor ebenfalls ignorierten Buch über „Il corpo del Duce” in Frage gestellt.
Man muss deshalb seine Erwartungen schon stark herunterschrauben, wenn man der Lektüre von Rauschers Buch etwas abgewinnen will. Den ersten Teil kann man mehr oder weniger überschlagen. Mussolinis und Hitlers politische Anfänge bis 1933 werden hier ziemlich konzeptionslos nebeneinander gestellt. Weshalb die beiden „menschenverachtenden Einzelgänger” sich überhaupt aufeinander zu bewegten, bleibt im Dunkeln.
Sehr viel interessanter ist dann allerdings der zweite Teil des Buches, in dem Rauscher die krisenhafte außenpolitische Annäherung der beiden faschistischen Diktatoren von 1933 bis zur Entfesselung des Zweiten Weltkriegs darstellt. Rauscher erzählt hier durchaus mit einem Sinn für dramatische Zuspitzungen den Weg Mussolinis und Hitlers von politischer Rivalität zu ideologischer Solidarität. Es gelingt ihm vor allem, die faschistische Allianz sowohl aus deutscher als auch aus italienischer Perspektive darzustellen. Wesentliches Ergebnis seiner Untersuchungen ist die Erkenntnis, dass beide Diktatoren von einem „nicht zu stillenden Expansionsdrang” und dem „permanenten Bedürfnis, sich mit anderen Nationen im Krieg messen zu müssen”, verbunden waren. Der Krieg wird damit als Grundvoraussetzung faschistischer Herrschaft ausgewiesen.
Mussolini und Hitler wollten allerdings unterschiedliche Kriege führen, der eine im Mittelmeer und in Afrika, der andere in Osteuropa. Rauscher erkennt hier den Keim für alle Spannungen und Konflikte. Das kann man so sehen. Trotz allem hat die faschistische „Achse Rom–Berlin” bis zuletzt gehalten. Noch wichtiger ist, dass sie gerade deswegen funktionierte, weil die beiden Diktaturen unterschiedliche imperialistische Interessen hatten. Auch die Tatsache, dass Hitler und Mussolini seit dem italienischen Kriegseintritt von 1940 nicht gemeinsam Krieg führten, sondern separat, ändert nichts an diesem Tatbestand. Ärger bekamen die Diktatoren immer nur dann miteinander, wenn sich ihre expansionistischen Interessen überschnitten, wie in Österreich oder in Griechenland.
Im dritten Teil seines Buches behandelt Rauscher die Zeit des Weltkriegs. Während er das Verhältnis der beiden Diktatoren in der Vorkriegszeit noch in einer gesamteuropäischen Perspektive darstellt, reduziert er dies hier weitgehend auf ihre ganz persönlichen Beziehungen. Endlose Zitate und Paraphrasen von Briefen ersetzen aber keine Analyse. Entsprechend mager sind die Ergebnisse dieses Teils von Rauschers Buch. Dass beide mit der Fortdauer des Krieges „zunehmend den Bezug zur Realität verloren”, ist keine besonders neue Erkenntnis. Ebenso wenig neu ist die Entdeckung, die beiden Diktatoren hätten sich bis zuletzt den „Glauben an das Unmögliche” erhalten. Zustimmen kann man dem Autor, wenn er am Ende die verhängnisvolle Beziehung der beiden Diktatoren als „brutale Freundschaft” charakterisiert. Nur war das schon das Fazit des gleichnamigen Buches des Briten F. W. Deakin aus dem Jahr 1962.
WOLFGANG SCHIEDER
Der Autor ist emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität Köln.
Benito Mussolini sah sich selbst gern mit vielen Orden – oder gleich ganz in Marmor.
Foto: Hoffmann
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2002

Der große und der kleine Diktator
Walter Rauscher vergleicht den nationalsozialistischen "Führer" mit dem faschistischen "Duce"

Walter Rauscher: Hitler und Mussolini. Macht, Krieg und Terror. Verlag Styria, Graz/Wien/Köln 2001. 648 Seiten, 34,90 Euro.

Noch immer nimmt die Literatur über die Diktatoren des verflossenen, doch noch kaum bewältigten Säkulums unaufhörlich zu. Auch nach dem Zeitenbruch von 1989 kommt bei den fortdauernden Kontroversen um Erklärung und Deutung autoritärer oder totalitärer Herrschaftssysteme in der Tat nicht zuletzt einer vergleichenden Darstellung der Urheber und Vollzieher solcher Regime erste Bedeutung zu: der kommunistischen wie der faschistischen und nationalsozialistischen samt ihren Satelliten.

Der Streit über die Unter- oder Überschätzung ihrer Rolle beherrscht nach wie vor die politischen wie historischen Debatten. So ist das Erscheinen des umfangreichen vergleichenden Werkes von Walter Rauscher, das sich auf eine lange Forschungs- und Deutungsgeschichte stützen kann, durchaus zu begrüßen. Es macht den Versuch eines Vergleichs nicht etwa der beiden konträren totalitären Diktatoren Stalin und Hitler wie Alan Bullock (1991), sondern eben des Begründers des italienischen "Faschismus", Benito Mussolini, und seines anfänglichen, zeitweiligen Nachahmers Adolf Hitler, der ihn freilich bald mit seinem höchsteigenen Anspruch als Schöpfer eines deutschen "Nationalsozialismus" inhaltlich wie schließlich machtpolitisch weit und radikal überholen und dominieren sollte.

Das fortwährende Gerede von einem "deutschen Faschismus" verzeichnet, ja bagatellisiert die radikale Eigenständigkeit von Hitlers Nationalsozialismus, seines genuin deutschen Volkssozialismus und Rassismus. Das Buch Rauschers ist übersichtlich historisch aufgebaut, mit den großen Zäsuren von 1933 und 1939. Es bemüht sich zunächst jedoch Kapitel für Kapitel um die parallelen, doch zeitversetzten Wege der beiden erklärten "Führer" zur Machtergreifung, die dem einen im nationalistischen Italien mit dem Marsch auf Rom schon 1922 gelang, während Hitlers nachahmender, doch mißglückter Novemberputsch von 1923 die Wende zum langwierigen "Legalitätskurs" bis 1933 zur Folge hatte - ein ganz wesentlicher Unterschied schon in den Vorbedingungen wie hinsichtlich der Formen und Folgen der Herrschaftsweise.

Der Unterschied zwischen Faschismus und Nationalsozialismus sollte begrifflich keineswegs einem irreführenden allgemeinen Faschismusbegriff geopfert werden - vergleichen heißt unterscheiden, was gerade der konkreteren Bestimmung des jeweiligen Falls dient. Faschismus und Nationalsozialismus unterschieden sich von Anfang an in der Ideologie, in ihrer historischen Begründung wie praktisch-politischen Anwendung zur Rechtfertigung künftiger Diktaturverbrechen. Während der Faschismus sich an der neuerweckten Idee des römischen Imperiums orientierte und den starken "stato totalitario" forderte, freilich nie erreichte und die Macht mit der Monarchie und dem Militär teilen mußte, strebte der Nationalsozialismus als völkisch-rassisch begründeter Nationalimperialismus über den traditionellen Staat weit hinaus auf totalitäre Weltherrschaft zu.

Vor allem aber hebt der Verfasser als entscheidend für die Herrschaftssysteme jeweils die Affinitäten wie die Unterschiede der Führerpersonen selbst hervor, die entgegen einer vorwiegend strukturalistischen Betrachtungsweise dezidiert mehr waren als "demagogische Galionsfiguren". Rauscher schreibt: "Der Faschismus war nicht ohne Mussolini, der Nationalsozialismus nicht ohne Hitler denkbar. Im Gegensatz zu den politischen Bewegungen des linken Spektrums basierte die radikale Rechte in Deutschland und Italien nicht auf Theorien intellektueller Ideologen, sondern maßgeblich und vorrangig auf den Ideen, Taten und der Anziehungskraft ihrer beiden Führergestalten."

Es ist hier in einer kurzen Besprechung nicht möglich, die Fülle der ausführlich, detail- und zitatenreich geschilderten Geschichte im einzelnen zu erörtern. Faszinierend, aber auch betrüblich ist es zu sehen, wie wirkungsvoll der romantisch getönte Radikalnationalist Mussolini mit seiner Symbolik einer betont "totalitären Bewegung" zunächst für Hitler als Ansporn und Wegweiser dient, wobei allerdings beide sich keineswegs als Freunde sehen. Dann freilich wandelt sich ein loses Zweckbündnis in den dreißiger Jahren dank der inneren und äußeren Erfolge Hitlers, des nun eigentlich totalitären Herrschers, zu einem Zwangsbündnis, als Mussolini seinerseits erfolgssüchtig in Abessinien einmarschiert und nach dem mit Giftgas errungenen Sieg am 9. Mai 1936 vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom einer tobenden Menge verkündet: "Endlich hat Italien sein Imperium. Ein faschistisches Imperium, denn es trägt die unzerstörbaren Merkmale des Willens und der Macht des römischen Rutenbündels."

Damit aber war er in Abhängigkeit von Hitler und in Feindschaft zum Westen geraten, der den "Duce" bisher toleriert oder gar - wie viele Intellektuelle und selbst Churchill seit den zwanziger Jahren - bewundert hatte. An der Zerschlagung der europäischen Ordnung hatte Mussolini großen Anteil. Katastrophal wirkte sich dies schließlich seit 1938 (Rassegesetze auch in Italien) und im Zweiten Weltkrieg aus, den Hitler zunehmend als rassistischen Vernichtungsfeldzug gegen Juden und Slawen führte.

Es schwindet der Unterschied zwischen den beiden Diktatoren, von denen der erste, Mussolini, der zunächst noch über Hitlers "Rassenkult" gespottet hatte (1934), nun als Miteroberer selbst mitschuldig in die Lage gerät, nicht als römischer Imperator zu enden, sondern als Verbrecher das Schicksal Hitlers zu teilen. Im tiefsten verantwortungslos waren beide, so groß der Unterschied ihrer Charaktere und Regime sein mochte.

Die gut geschriebene und quellengesättigte Darstellung Rauschers stützt sich auf eine umfangreiche Forschungsliteratur. Nicht immer freilich, wie etwa auch bei der durchaus umstrittenen Rolle Heinrich Brünings am Ende der Weimarer Republik oder bei der Reichstagsbrandfrage, geht der Verfasser auf die verschiedenen Auseinandersetzungen und Deutungen ein. Auch die große Kontroversliteratur über die Diktatoren selbst wird nicht immer berücksichtigt, und man vermißt doch in einem so umfassenden Werk, anders als der Verfasser meint, die keineswegs entbehrliche Bibliographie trotz der 1243 Anmerkungen am Ende des Bandes. Schließlich kommt über der darstellenden und dokumentierenden Betrachtungsweise die historisch-systematische Einordnung der Regime in die allgemeine Diktaturgeschichte vielleicht etwas zu kurz. Rühmenswert ist hingegen die Berücksichtigung der österreichischen und italienischen Perspektiven, die sich dem Leser eröffnen.

Das Buch verdient Beachtung und Anerkennung als weiterer Schritt in dem Bemühen zu einer politisch-biographisch vergleichenden Vergegenwärtigung der verhängnisvollen Diktaturgeschichten Deutschlands und Italiens in einem Europa, das daraus nicht weniger lernen konnte und kann als aus der freilich länger dauernden Geschichte der kommunistischen Diktaturen und ihrer Herrscher im 20. Jahrhundert.

KARL DIETRICH BRACHER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Reichlich Anerkennung zollt Rezensent Karl Dietrich Bracher dem vergleichenden Band über Hitler und Mussolini. "Übersichtlich historisch aufgebaut", dabei "gut geschrieben und quellengesättigt" ist das Buch für Bracher. Er lobt, dass auch österreichische und italienische Perspektiven berücksichtigt werden und findet den Inhalt stellenweise "faszinierend, aber auch betrüblich". Eine Bibliografie hat dem Rezensenten allerdings gefehlt, und - schwerwiegender vielleicht - die bereits vorhandene Literatur zum Thema findet er nicht angemessen berücksichtigt. Seinem positiven Gesamturteil tut dies aber keinen Abbruch. Bracher meint am Ende seiner Rezension, dass Europa aus dem Vergleich der "verhängnisvollen Diktaturgeschichten Deutschlands und Italiens" genauso viel lernen könne wie aus der "freilich länger dauernden Geschichte der kommunistischen Diktaturen und ihrer Herrscher im 20. Jahrhundert".

© Perlentaucher Medien GmbH