Produktdetails
  • Pegasus Bibliothek
  • Verlag: Prestel
  • Seitenzahl: 127
  • Abmessung: 245mm
  • Gewicht: 575g
  • ISBN-13: 9783791325989
  • ISBN-10: 3791325981
  • Artikelnr.: 09939925
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2001

Wieland Schmied weiß, was Giorgio de Chirico immer schon wußte

Seit dem Ende der letzten Avantgarden in den siebziger Jahren hat die Idee einer "anderen Moderne" stetig an Profil und Attraktivität gewonnen. Sie hat einer Reihe von Künstlern und Kunstströmungen zu stärkerer Aufmerksamkeit verholfen, die von der "klassischen" Moderne und einer von dieser dominierten Interpretation der Kunstgeschichte an den Rand gedrängt wurden. Eine ihrer Schlüsselfiguren ist Giorgio de Chirico (unsere Abbildung zeigt zwei Selbstporträts von 1920). In Wieland Schmied hat der Italiener einen unermüdlichen und kenntnisreichen Exegeten gefunden. Schon 1970 hat er maßgeblich an der ersten Retrospektive des damals Achtzigjährigen mitgewirkt. Mit der Aufsatzsammlung "De Chirico und sein Schatten - Metaphysische und surrealistische Tendenzen in der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts" legte er 1989 die Essenz einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Maler vor. Damals ging es darum, "ein möglichst vielseitiges und facettenreiches Bild von de Chirico, seinem Werk und seiner Problematik zu entwerfen und zugleich die Bausteine zusammenzutragen, die später als Fundament einer noch ausstehenden umfassenden kritischen Monografie dienen könnten".

Sie ist noch immer nicht geschrieben. Aber Schmieds Bausteine - etwa Überlegungen zum "Ahnherrn" Arnold Böcklin oder zur Wegbereiterrolle der pittura metafisica für Realismus und Surrealismus - haben, das ist heute sichtbarer denn je, entscheidend dazu beigetragen, wichtige neue Perspektiven auf die Kunstgeschichte des frühen zwanzigsten Jahrhunderts zu eröffnen. Für manche Ausstellung wie die "Reise ins Ungewisse" etwa, die vor vier Jahren in Berlin, München und Zürich einen Bogen von Arnold Böcklin über Giorgio de Chirico zu Max Ernst schlug, half er das Terrain vorbereiten. Nun legt Schmied in Prestels edel aufgemachter, aber auch etwas bieder wirkenden Pegasus-Reihe, die in der Grauzone zwischen Wissenschaft und Feuilleton operiert und wohl den Geschenkbuchmarkt anpeilt, einen Band zu de Chirico vor. Doch die "Reise ohne Ende", die der Titel in Anlehnung an ein Gemälde de Chiricos verspricht, bietet eher weitere Facetten als überraschend neue Perspektiven.

Der inzwischen verdächtig fest zementierte Gegenolymp der anderen Moderne, die Trias Böcklin - de Chirico - Ernst, dient als Folie für eine Skizze der "Metamorphosen des Menschenbildes" bei diesen drei Malern. In fünf Kapiteln, die auf die Akte des klassischen Dramas und dessen Katharsiswirkung anspielen, geht der Autor zunächst der Anziehungskraft Böcklins auf de Chirico nach, die später in der Faszination Max Ernsts durch de Chirico eine Parallele findet. Dies fördert die ganz unterschiedlichen, gleichwohl aufeinander bezogenen Weisen der künstlerischen Aneignung bestimmter Themen und Motive zutage. Allein die Katharsis bleibt aus.

Zunächst bestechen Schmieds Interpretationen durch die Vielzahl der aufgeblätterten Bezüge. Vor allem das Kapitel zum Porträt Guillaume Apollinaires leuchtet das komplizierte Verhältnis zwischen de Chirico und dem Dichter-Kritiker auf fesselnde Weise aus. Doch befriedigt die Lektüre nicht wirklich, weil Schmied dazu neigt, biographische und motivgeschichtliche Lesarten zu eng miteinander zu verflechten. Das führt zu Psychologisierungen, die auf Kosten einer stringenten symptomatologischen Interpretation der Werke gehen, für die der Verfasser alle Elemente bereitstellt. Sie verleitet Schmied auch zu überflüssigen Spekulationen: "Der Maler dieses Selbstbildnisses weiß um das Doppelleben, das er als Künstler künftig zu führen haben wird. Er ist bereit, es anzunehmen. Und er ist sich des kommenden Ruhms gewiß." Schöne Einsichten, vom Himmel gefallen.

BARBARA BASTING.

Wieland Schmied: "Giorgio de Chirico". Reise ohne Ende. Prestel Verlag, München 2001. 128 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch biete eher weitere Facetten zu Giorgio de Chirico, jedoch keine überraschend neuen Perspektiven - Rezensentin Barbara Basting hat offensichtlich mehr von diesem Band erwartet. Autor Schmied sei ein unermüdlicher und kenntnisreicher Exeget de Chiricos, und auch in diesem Buch bestechen seine Interpretationen Basting durch ihren  Beziehungsreichtum. In fünf Kapiteln, "die auf die Akte des klassischen Dramas und dessen Katharsiswirkung" anspielen. Auch gehe Schmied auf die verschiedenen Einflüsse und Entwicklungsstufen de Chiricos ein. Eine echte Katharsis hat die Rezensentin jedoch vermisst.

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