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Produktdetails
  • Verlag: Olzog
  • ISBN-13: 9783789282577
  • ISBN-10: 378928257X
  • Artikelnr.: 23899368
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2008

Smarter Extremismus?
Die Entstehung der Linkspartei und der Umgang der Konkurrenten mit ihr

Die Entstehung einer gesamtdeutschen Linkspartei hat die gewohnten Strukturen der Parteiensysteme in Bund und Ländern gründlich durcheinandergewirbelt. Oskar Lafontaines Ankündigung, die anderen Parteien vor sich hertreiben zu wollen, ist bis zu einem gewissen Grade schon Wirklichkeit geworden. Nicht nur die SPD als Hauptleidtragender sondern auch die Unionsparteien reagieren auf die neue Herausforderung nervös. Ihre Hoffnungen, die populistische Konkurrenz lasse sich vielleicht abwehren, die sie nach der Bundestagswahl noch gehabt haben mögen, dürften inzwischen verflogen sein.

Die Frage nach dem angemessenen Umgang mit der Linken durchzieht das Buch als roten Faden. Die Autoren streben mit ihrem Text einerseits eine nüchterne Bestandsaufnahme an; sie schildern die Geschichte der PDS seit der deutschen Einheit ebenso wie die Entstehung der WASG und die Umstände ihres Zusammenschlusses mit den Postkommunisten, geben einen Überblick über die Wahlergebnisse der Partei und ihre Regierungsbeteiligungen und informieren detailliert über Organisation, Strategie und Programmatik. Andererseits handelt es sich um eine Streitschrift, die der verbreiteten Auffassung entgegenwirken möchte, die Linken seien eine "normale demokratische Partei", mit der man einen normalen politischen Umgang pflegen könne.

Für Eckhard Jesse und Peter Lang bleibt die Linke eine Partei mit extremistischer Grundausrichtung, die sich nach dem Zusammenschluss von WASG und PDS sogar noch verstärkt habe. Dieser Extremismus komme indessen nicht wie bei der NPD als beinharte Systemopposition daher, sondern in einer abgemilderten, weichen Form, für die die Autoren das Attribut "smart" verwenden. Die Linke lehne den demokratischen Verfassungsstaat nicht fundamental ab, ordne ihn aber weiterhin ihrem ideologischen Hauptziel der Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft unter. Die Charakterisierung der Linken als extremistisch wird auch daran festgemacht, dass in ihren Reihen offen systemfeindliche Gruppen wie die Kommunistische Plattform neben reformorientierten Kräften ungehindert agitieren könnten. Dass die Verfassungsschutzämter in den neuen und alten Bundesländern darauf bis heute ganz unterschiedlich reagieren, zeuge von falschverstandener politischer Rücksichtnahme.

Eher wenig beizutragen weiß das Buch zu der Frage, warum sich die Linke im gesamtdeutschen Parteiensystem eines so großen Wählerzuspruchs erfreut. Dass es ihren programmatischen und inhaltlichen Positionen an der gebotenen Seriosität mangelt, können selbst wohlwollende Kritiker nicht bestreiten. Richtig ist auch, dass die Linke von den populistischen Begabungen ihrer beiden Hauptmatadore Lafontaine und Gysi immens profitiert. Die Vorstellung, dass es sich bei den PDS-Wählern im Osten um Einstellungswähler mit geschlossenem sozialistischen Weltbild und bei den hinzugekommenen Wählern im Westen um bloße Protestwähler handelt, greift aber zu kurz und bedürfte einer gründlicheren empirischen Untermauerung. Wie vergleichbare Erscheinungen in anderen europäischen Ländern zeugt der Erfolg der Linken auch von einer neuen Virulenz überwunden geglaubter Verteilungskonflikte, die von den etablierten Parteien offenbar nicht mehr glaubwürdig adressiert werden.

Wie soll man dem smarten Extremismus der Linken politisch begegnen? An diesem Problem scheiden sich auch in der Wissenschaft die Geister. Das liegt daran, dass es in der Koalitionsfrage keine Kompromisse geben kann: Entweder man arbeitet mit der Linken in einer förmlichen Koalition oder im Rahmen eines Tolerierungsbündnisses zusammen, oder man tut es nicht. Jesse und Lang gestehen das Dilemma ein: Aus extremismustheoretischer Sicht verbietet sich im Grunde jegliche Zusammenarbeit, aus funktionaler Sicht könnte sie jedoch geradezu geboten sein, weil die heilsamen Zwänge einer Regierungsbeteiligung erfahrungsgemäß dazu führen, dass sich der Stimmenanteil der extremistischen Parteien dezimiert und/oder diese von ihren extremen Positionen Abstand nehmen müssen.

Die Antwort auf dieses Dilemma kann heute nur darin bestehen, dass man von Fall zu Fall entscheidet und dabei zwischen den verschiedenen Ebenen des politischen Systems differenziert. Hier hätte man sich von dem Buch eine klarere Aussage gewünscht. So aber umgehen Jesse und Lang die heikle Frage, indem sie beispielsweise die kommunale Ebene, wo Kooperationen mit der Linken gelegentlich auch von Seiten der CDU gepflegt werden, völlig aussparen und die unterschiedliche Situation in den alten und neuen Bundesländern nicht genügend in Rechnung stellen.

So richtig es ist, dass man extremistische Tendenzen nicht verharmlosen sollte, so vernünftig kann es manchmal sein, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Zu glauben, dass die Linke an ihren inneren Widersprüchen früher oder später von selbst zugrunde geht, wäre, gemessen an den günstigen Gelegenheitsstrukturen, die sich ihr heute bieten, naiv. Ohne ein strategisches Konzept für den Umgang mit dem lästigen Konkurrenten werden die anderen Parteien daher in der Rolle der Getriebenen bleiben.

FRANK DECKER

Eckhard Jesse/Jürgen P. Lang: Die Linke - der smarte Extremismus einer deutschen Partei. Olzog Verlag, München 2008. 288 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2009

Smartes Gespenst
Die Linke – betrachtet aus zwei extremen Positionen
Vor Wahlen oder Parteitagen geistert das Gespenst des Kommunismus in Gestalt der „Linken”, vormals PDS, durch manche Medien. Der Leser darf sich gruseln und ausmalen, wie die Stalinistin Sahra Wagenknecht zum Sturm auf das Bundeskanzleramt oder auf sein eigenes Reihenhaus ansetzt. Realpolitisch schafft sie es gerade mal, als Beisitzerin in den Vorstand der Partei gewählt zu werden. Oder Journalisten porträtieren Oskar Lafontaine als machtgierig und gerissen, als wären das nicht eher übliche Eigenschaften im Politikbetrieb.
Wer solch wohligen Schauer braucht, dem sei das Buch von Eckhard Jesse und Jürgen Lang empfohlen, wer ein eher wohlwollendes Werk bevorzugt, greife zu dem Band von Georg Fülberth. Die beiden Ausgaben stellen die Partei von entgegengesetzten Positionen aus dar. Jesse steht ziemlich rechts und hat einst den früheren Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Heinz Galinski, mit den Worten attackiert: „Auf Dauer dürfte Judenfeindlichkeit nicht zuletzt gerade wegen mancher Verhaltensweisen von Repräsentanten des Judentums an Bedeutung gewinnen.” Dazu behauptet der Politikwissenschaftler, der an der TU Chemnitz lehrt, die neonazistische Gefahr werde hochgespielt. Das ist stark angesichts von mehr als 100 Menschen, die in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland von Neonazis ermordet wurden.
Jesse und sein Ko-Autor Lang, Journalist beim Bayerischen Fernsehen, stufen „Die Linke” als Partei des „smarten Extremismus” ein, wobei sie den Begriff des Extremismus nicht definieren. Was insofern praktisch ist, als sie sonst Kriterien benennen müssten, die nachprüfbar wären. Einerseits beschreiben Jesse/Lang, wie sich die PDS/Linke durch Regierungsbeteiligungen auf Länderebene sowie ihre ostdeutschen Landtagsfraktionen „von einer Diktaturpartei zu einem Mitstreiter im demokratischen Wettbewerb gewandelt” habe, wie es an einer Stelle sogar heißt. Andererseits halten sie eisern daran fest, dass es sich um eine verkappte umstürzlerische, kommunistische Truppe handele. Die einflussreichste innerparteiliche Gruppe, die „Reformer”, setzen sie stets in Anführungszeichen, wie weiland die DDR. Die Kommunalpolitik hat das Autorenduo komplett ausgelassen, weil die Alltagspraxis von Hunderten Kreis-, Stadt- und Gemeinderäten und Bürgermeistern ihre Unterstellung kaum stützen dürfte.
Dagegen definiert Fülberth die Linkspartei als linkssozialdemokratisch. Der Marxismus sei „nur noch eine Herkunftsbezeichnung, kein Instrument der aktuellen politischen Praxis”. Der emeritierte Politik-Professor war und ist Kommunalpolitiker für DKP, PDS und jetzt Die Linke im Stadtrat und Kreistag von Marburg. Er schreibt aus einer marxistischen Sicht, abgeklärt und ausgehend von der Annahme, dass mehr derzeit nicht möglich sei: „In einer oppositionslosen Situation wird sie den linken Flügel des kapitalistisch Erlaubten bilden.”
Fülberth geht von langfristigen Trends aus. Das „Goldene Zeitalter des Kapitalismus” mit Vollbeschäftigung und steigenden Reallöhnen als Folge einer außerordentlichen Rekonstruktionsperiode nach dem Krieg endete in den 70er Jahren. Seitdem finde ein gravierender Wandel statt: Arbeitskräfte werden durch Maschinen ersetzt, die auf moderner Informationstechnologie basieren. Die Geschäftsgrundlage des alten Korporatismus zwischen Staat, Unternehmern und Gewerkschaften sei hinfällig geworden, Arbeiterklasse und Teile der Mittelschicht würden wieder verarmen.
Gruselige Perspektive
Eine sozialdemokratische Antwort wäre gewesen, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu reduzieren, schreibt Fülberth. Stattdessen habe die Regierung Schröder mit Hartz IV und der Rente ab 67 die Klientel der SPD gespalten. Das Ergebnis sei „mehr Ungleichheit als zuvor, mit einer stärker abgesunkenen Unterschicht und einem Parteiensystem, das dieser Realität in etwa entspricht. In ihm könnte ,Die Linke‘ für einige Zeit einen sichtbaren Platz finden”, etwa als Vertreterin des neuen Prekariats. Fülberths These, dass die Linke zum Teil ein Potential binde, das sonst möglicherweise die NPD wählen würde, klingt erst mal bedenkenswert. Er bezieht sich auf die Rolle Lafontaines und spielt auf dessen unsägliche Rede von den Fremdarbeitern an. Doch eine solch funktionale Sichtweise ist gefährlich verharmlosend. Denn derartige Sprüche bestätigen Menschen mit rassistischen Ansichten, statt sie für Menschen- und Bürgerrechte zu gewinnen. Enttäuscht die Linke als Regierungspartei diese Sorte Wähler, wären erdrutschartige Abgänge nach rechtsaußen zu befürchten. Dann wird es wirklich gruselig. PETER BIERL
GEORG FÜLBERTH: „Doch wenn sich die Dinge ändern” – Die Linke. Papyrossa-Verlag, Köln 2008. 169 S.,12,90 Euro.
ECKHARD JESSE / JÜRGEN P. LANG: Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei. Olzog Verlag, München 2008. 288 S., 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Überwiegend positiv hat Rezensent Frank Decker dieses Buch über die Linkspartei von Eckhard Jesse und Jürgen P. Lang aufgenommen. Zum einen findet er hier eine informative, sachliche Darstellung der Entstehung der Linkspartei, ihrer Wahlergebnisse und Regierungsbeteiligungen sowie ihrer Organisation, Strategie und Programmatik. Zum anderen sieht er in dem Buch eine Streitschrift, in der sich die Autoren gegen die Auffassung wenden, die Linkspartei sei eine ganz normale demokratische Partei. Die Frage nach dem Umgang mit der Linken zieht sich seines Erachtens wie ein "roter Faden" durch das Buch. Er hebt die Ansicht der Autoren hervor, die Linkspartei sei eine extremistische Partei, wenn auch in einer weicheren Form als etwa die NPD. Decker hätte allerdings gern mehr über die Gründe erfahren, warum die Linke im gesamtdeutschen Raum so großen Wählerzuspruch erfährt. Auch im Blick auf die Frage, ob man mit der Linkspartei politisch zusammenarbeiten soll oder nicht, hätte er sich von den Autoren mehr Klarheit gewünscht. Denn: "Ohne ein strategisches Konzept für den Umgang mit dem lästigen Konkurrenten", so der Rezensent, "werden die anderen Parteien daher in der Rolle der Getriebenen bleiben."

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