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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Verlag: Mann (Gebr.), Berlin
  • 1999.
  • Seitenzahl: 431
  • Deutsch
  • Abmessung: 246mm x 177mm x 37mm
  • Gewicht: 1468g
  • ISBN-13: 9783786123002
  • ISBN-10: 3786123004
  • Artikelnr.: 08340233
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2000

Alle Gedanken werden hier zu Marmor
Von Rom nach Berlin und zurück – der Briefwechsel zwischen Caroline von Humboldt und dem Bildhauer Christian Daniel Rauch
In das „Zauberland”, wie Caroline von Humboldt Italien nannte, zog es sie damals alle, die Künstler; denn dort hofften sie ihre eigene Kunst durch das Studium der früheren zu verfeinern und zu vollenden, angesichts von Werken, die ihre Formgebung dem noch weit älteren Vorbild verdankten: wer Raffael bewunderte, dessen Auge war zugleich auf die Werke der antiken Kunst gerichtet.
Am „20. Januar 1805, des Sonntags um 3 Uhr Nachmittag”, wie er in seinem Tagebuch vermerkte, war der Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857) in Rom angekommen, ausgestattet mit einem königlich preußischen Stipendium. Der später berühmte und bedeutendste Künstler der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts gehörte bald zum engeren Freundeskreis der Humboldts. Wilhelm von Humboldt, seit 1806 preußischer Ministerresident beim Heiligen Stuhl, und seine Frau Caroline führten ein gastliches Haus, ihre Gesellschaften waren für einige Jahre „Mittelpunkt des deutschen Lebens in Rom” (Vorwort). Rauch traf dort auf ein kunstenthusiastisches, vorwiegend aristokratisches Publikum, auf Gelehrte und Künstlerkollegen, aber vor allem gewann er in der klugen, kunstverständigen Hausherrin Caroline eine vertraute Freundin, deren Protektion, Anteilnahme an seinen künstlerischen Fortschritten, deren Rat schließlich dem Sohn eines Kammerdieners umso kostbarer werden sollte, als er in der Folge immer häufiger mit hochgestellten Auftraggebern zu verkehren hatte.
Als ein Protegé der Humboldts erhielt Rauch seinen ersten großen Auftrag, durch den er berühmt wurde: König Friedrich Wilhelm III. wünschte ein Grabmonument für seine verstorbene Frau. Rauch wurde von dem preußischen König nach Berlin befohlen, um den sogenannten Luisensarkophag zu modellieren. Mit diesem Jahr 1811 beginnt der jetzt erstmals in seiner Gesamtheit publizierte Briefwechsel zwischen Caroline von Humboldt und Christian Daniel Rauch – 123 Briefe, sorgfältig von Jutta von Simson ediert und kommentiert, die späteren (1819–1828) von Rauch an Caroline sind zum ersten Mal transkribiert.
Wo auch immer Carolines „vagabundes Leben” sie hin verschlägt, nach Wien, dann wieder nach Rom, auf die väterlichen Güter, in den Kurort Karlsbad, nach Frankfurt oder Berlin, nach Ischia, Neapel, später auf eine Besuchsreise zu ihrer verheirateten Tochter nach London, stets erreichten sie über beinahe zwei Jahrzehnte die Briefe des vertrauten Künstlerfreundes. Rauch berichtet die gesellschaftlichen Neuigkeiten, mit wem er dinierte, wer ihn aufsuchte, Besuche seinerseits – doch die Mitteilungen von wohl aufregenderen Einzelheiten dieses mit aristokratischen Namen brillierenden Gesellschaftslebens hat „später eine diskrete Hand durch Überstreichen der Briefstellen bis zur Unleserlichkeit geschwärzt”, wie die Herausgeberin zurückhaltend anmerkt. Der Austausch zwischen den beiden Briefschreibern erinnert öfter an heutige Telefongespräche, Besorgungen werden angeordnet und als erledigt berichtet, gleichgültig, ob es um Ankäufe von Zeichnungen und Antiken, gestrickte Wollstrümpfe oder die fragliche Stückzahl von Dessertbestecken geht. Aber die gegenseitigen Versicherungen der freundschaftlichen Zuneigung, des Vertrauens, die Gefühle der Dankbarkeit gegenüber der Gönnerin, dann wieder höflich steife Grußworte gehören vergangenen Zeiten an, in welchen persönliche Verbindungen über weite Entfernungen hinweg nur durch Briefe aufrecht erhalten werden konnten.
Wie von fern vernimmt man aus den Briefen den Lärm der Schlachten, die Europa erschütterten. Für Caroline und Rauch, wie für viele ihrer Zeitgenossen, erwächst aus der Verteidigung Preußens in den Befreiungskriegen gegen Napoleon die Idee eines patriotischen deutschen Nationalbewusstseins, das sie im preußischen Könighaus verkörpert zu sehen wünschen. Die königstreue Gesinnung des Künstlers mag das Vertrauen der Auftraggeber gesteigert und den Zutritt zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft erleichtert haben. Schien es auch, als ob standhafte Überzeugungen in der preußischen Luft besser gediehen, so wussten doch beide, Caroline und Rauch, Angehörige der Goethe-Zeit, dass es sich schöner leben und bilden ließe unter dem „herrlichsten Kunst- und Natur-Himmel” des Südens.
Den Briefwechsel durchziehen sehnsüchtige Erinnerungen an Rom und Wünsche, wieder dorthin zurückzukehren. In Rom arbeiteten Canova und Thorvaldsen, in Rom hatte Rauch mit dem Bildhauer Friedrich Tieck Bekanntschaft gemacht. Die klassizistischen Werke Rauchs, darunter Büsten für die königliche Familie in römischer Manier, „Königin Luise als Juno Ludovisi”, oder eine Marmorstatue der Tochter Carolines, „Adelheid als Psyche”, das bekannte bronzene Reiterdenkmal des Königs Maximilian I. Joseph von Bayern, sind vollkommene Muster, Glanzstücke eines Studiums der Griechischen Kunst, wie man damals alle antike Plastik zu nennen gewohnt war. Dieses Studium, dem in nördlichen Werkstätten und Ateliers Gipsabgüsse, Zeichnungen und Stiche behilflich sein mussten, verlangte zu seiner Vervollkommnung eine Reise zu den originalen Bildwerken. Aus deren ruinengleichem Zustand hatten die Künstler seit Jahrhunderten das ursprüngliche Ganze, Schönheit und Vollkommenheit heraus gesehen und in eigenen, neuartigen Werken wiederzugeben vermocht. Noch in die ersten Jahrzehnte des neuen, industriellen Zeitalters hinein, bleibt ein Ideal, wie es Winckelmann aufgestellt hatte, lebendig.
Die Künstler zog es nach Rom, denn „alle Gedanken werden hier zu Marmor”, wie Rauch an Caroline schrieb. Die große Kunstverständige, gewiss des Winckelmannschen Diktums gedenkend, zeigt sich freudig überrascht von den schönen, treffenden Worten des befreundeten Bildhauers, der, wieder in Rom zurück, ihr schreibt: „still toll sein vor Ueberglükseeligkeit im Wiedersehen der alten Herrlichkeiten, ein Sehen des Wiedergekommenen. ” (Das Buch ist etwas mühsam zu lesen, weil das Papier stark reflektiert und das Schriftbild zu dünn ist. )
MARGARETHA HUBER
CAROLINE VON HUMBOLDT, CHRISTIAN DANIEL RAUCH: Ein Briefwechsel. Herausgegeben und kommentiert von Jutta von Simson. Gebr. Mann Verlag Berlin 1999. 431 Seiten, 158 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Es gibt Kritiken, die sprechen für sich, auch wenn Rezensent oder Rezensentin kein eindeutiges Wort verlieren, was zu bedauern ist. Sehr spannend scheint der Briefwechsel zwischen Caroline von Humboldt und ihrem Protegé, dem Bildhauer Daniel von Rauch, nicht ausgefallen zu sein: gegenseitige Freundschaftsbeteuerungen, Klatsch und Tratsch aus aristokratischen Kreisen, wobei die Namen von unbekannter Hand im nachhinein geschwärzt wurden, Mitteilungen über Erledigungen, An- und Einkäufe, alles, was man heutzutage, mutmaßt Rezensentin Margharita Huber, per Telefon erledigen würde. Darüber hinaus schwärmen die Briefpartner von alten Zeiten, dem schönen Rom. Ob sie sich bei der Lektüre gelangweilt hat, teilt Huber nicht mit. Sie klagt nur, dass sie das Buch aufgrund des gewählten Papiers mühselig zu lesen fand.

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