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Im vorliegenden Werk - in zwei Bänden - wird Kandinskys Kunsttheorie erstmals umfassend dargestellt, analysiert und dokumentiert. Grundlage sind hierbei nicht nur die mehr als hundert publizierten Texte, sondern auch unpublizierte Dokumente wie die 'Bauhaus-Vorlesungen' in der deutschen Originalfassung und eine Vielzahl von Briefen. Die vielfältigen Bezüge zur Ästhetik- und Geistesgeschichte der abendländischen Tradition bis zurück ins Mittelalter und die Antike werden aufgezeigt und - sofern rekontruierbar - nachweisbare Rezeptionswege benannt.

Produktbeschreibung
Im vorliegenden Werk - in zwei Bänden - wird Kandinskys Kunsttheorie erstmals umfassend dargestellt, analysiert und dokumentiert. Grundlage sind hierbei nicht nur die mehr als hundert publizierten Texte, sondern auch unpublizierte Dokumente wie die 'Bauhaus-Vorlesungen' in der deutschen Originalfassung und eine Vielzahl von Briefen. Die vielfältigen Bezüge zur Ästhetik- und Geistesgeschichte der abendländischen Tradition bis zurück ins Mittelalter und die Antike werden aufgezeigt und - sofern rekontruierbar - nachweisbare Rezeptionswege benannt.
Autorenporträt
Reinhard Zimmermann ist Hochschuldozent im Fach Kunstgeschichte an der Universität Trier. Buchpublikationen: Hortus Palatinus. Die Entwürfe zum Heidelberger Schlossgarten von 1620 (1986); Künstliche Ruinen. Studien zu ihrer Bedeutung und Form (1989); Kunst und Ökologie im Christentum. Die "7000 Eichen" von Joseph Beuys (1994); Aufsätze zu Caspar David Friedrich, zur modernen Kunst, zur Gartenkunst und zum Burgenbau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2003

Das Geistige in Punkt und Linie
Neues vom Märtyrer der abstrakten Ästhetik: Reinhard Zimmermanns kommentierte Anthologie der Schriften von Kandinsky
„Wichtig ist nicht unsere Meinung über Kunst. Wichtig ist auch nicht, was die Kunst einigen Hundert, ja einigen Tausend von einer Bevölkerung gibt, die nach so vielen Millionen wie die unsrige zählt. Die Kunst gehört dem Volk. Sie muss ihre tiefsten Wurzeln in den breiten schaffenden Massen haben. Sie muss von diesen verstanden und geliebt werden.”
Stolpert man in einem Buch über die Malerei von Kandinsky zuallererst über ein Zitat von Lenin, reibt man sich die Augen. Der sozialistischen Kunstgeschichte galt Kandinsky als Sinnbild imperialistischer Ästhetik. Kandinskys Schriften – „Das Geistige in der Kunst und Punkt und Linie” an erster Stelle – wurden als Kronzeugen aufgerufen, um an aller abstrakter Kunst Schwäche und Klassenfeindschaft des Westens vorzuführen. In Paris erschien zur selben Zeit die erste Studie zu Kandinsky, die seiner Bedeutung umfassend gerecht zu werden suchte: es gebe Gegenwartskünstler, war dort zu lesen, die in Kandinsky den Erneuerer der Kunst, ja den Giotto des zwanzigsten Jahrhunderts sähen.
Zur Kunst und seiner Malerei hat Kandinsky überbordend viel geschrieben. Sein Intellekt neigte zu enzyklopädischer bis alchimistischer Breite. Über fünf Jahrzehnte riss sein Gedankenfluss nicht ab. Das Gleichmaß, mit dem es ihn über alle Epochenbrüche und Ortswechsel hinweg stets zur Einsamkeit des Schreibtisches zog, zeugt von radikaler und beeindruckender Konsequenz. Aus dem Bauhaus in Dessau schrieb er 1926 seinem Freund Will Grohmann, wie sehr er es genieße, nun auch einen eigenen Raum für seine schriftlichen Arbeiten zu haben; beide Pferde könne er nun reiten – Theorie und Praxis.
Vieles entstand aus dem Drang, sich gegen Kritik zu wehren, die sich mit Häme auf die Kreise und Linien seiner Bilder stürzte. „Wenn Sie nur wüssten”, bekannte er 1911 in einem Brief an Franz Marc, „wie mir manchmal schwer ist, fortwährend Hass auf mir zu fühlen”. Trotz so berühmter Manifeste wie dem „Blauen Reiter”, mit dem er 1911 Picasso, Delaunay, Macke und Arnold Schönberg nach München zog, trennt ihn bereits seine Sprache von Surrealismus und Dada. Sein feinsinniger, präzise abwägender und, bei aller durchschimmernder Leidenschaft, oft weltfern ziselierender Stil ist nicht der des Pamphlets.
Editionen und Übersetzungen seiner Schriften hat es verschiedene gegeben. Diesen gewaltigen Steinbruch aus Briefen, Manifesten, theoretisch geglätteten Reflexionen und Gedankensplittern nun, mit dem analytischen Zugriff der Wissenschaft, zu einer nach Leitbegriffen ordnenden Konkordanz zu fügen, ist ein waghalsiges Unternehmen. Allzu leicht enden derartig systematisierende Eingriffe in fatalen Begradigungen ehemals üppig bewaldeter Flussläufe.
Die Stimme des Herrn
Reinhard Zimmermann, der seine Studie zu Kandinskys Kunsttheorie mit Goethes „Bilde Künstler, rede nicht!” geistvoll polemisch auf die quälende Dauerspannung in Kandinskys Schaffen lenkt, hat solches Missgeschick mit Eleganz vermieden. Er ließ sich nicht verführen, Widersprüche auflösen, Gedankenfragmente zu Ende denken oder Eindeutigkeiten herbeiwünschen zu wollen, wo Kandinskys Schriften das nicht zulassen. Auch ist es ein Vorzug, dass Zimmermann, der oft eine überraschende dogmatische Nähe der vormalig westdeutschen mit der ehemals ostdeutschen Kunstgeschichtsschreibung zu Kandinsky konstatiert, keine Vollständigkeit beabsichtigt.
Das Ergebnis ist eine bestens zu benutzende und kritisch kommentierte Anthologie ausgewählter Texte. Im Kommentar, der Kandinskys Denken ideengeschichtlich zwischen Plato, Romantik und Symbolismus zu orten sucht, bleibt einer der klassischen Grundfehler fast durchweg aus: Leitmotive in der Kunsttheorie eines intellektuell so unersättlich schürfenden Malers wie Kandinsky an zu eindeutige historische Lesesituationen zu binden (etwa die Bibliothek seiner Münchner Malerfreundin Gabriele Münter wie auch Kandinskys heute in Paris bewahrter Bibliothek) oder viel zu klar umrissene Lektürefelder zu konstruieren.
Stattdessen blitzt in dieser gegenüber aller zu simplen Ideenarchäologie skeptischen Studie ein Künstler von schweifender geistiger Gestimmtheit auf. Kandinsky wird oft fern aller Revolution und in unerwartet klassischen Gedankenwäldern jagend gezeigt. Man trifft auf einen Charakter von äußerster und gläubiger Strenge gegen sich selbst: „Der Künstler arbeitet, nicht um Lob oder Bewunderung zu verdienen oder Tadel und Hass zu vermeiden, sondern der kategorisch befehlenden Stimme gehorchend, die die Stimme des Herrn ist, vor dem er sich zu beugen hat, und dessen Sklave er ist.”
HANS
JAKOB MEIER
REINHARD ZIMMERMANN: Die Kunsttheorie von Kandinsky. Band 1: Darstellung. Band 2: Dokumentation. Gebrüder Mann Verlag Berlin 2002. 522 und 707 Seiten, zus. 98 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans Jakob Meier reibt sich die Augen: Ausgerechnet ein Leninzitat bei Kandinsky, der doch als Abstraktionist und Abweichler vom sozialistischen Realismus verfemt war? Und erschrickt: Eine Anthologie, in der die Texte nach Leitbegriffen geordnet sind - führt das nicht zu "fatalen Begradigungen ehemals üppig bewaldeter Flussläufe"? Nicht in diesem Fall, atmet er auf: Reinhard Zimmermann habe sich eher als Trapper denn als Oberförster in den mannigfaltigen Ideenlandschaften Kandinskys bewegt, der unglaublich viel geschrieben habe und dabei "zu enzyklopädischer bis alchimistischer Breite" neigte. Nichts also, was in die Hände von Systembürokraten gehöre. Zimmermann dagegen kommentiere kenntnisreich, lasse Widersprüchliches stehen, enthalte sich der "simplen Ideenarchäologie" und rücke einen "Künstler von schweifender geistiger Gestimmtheit" ins Bild, der oft auch in "unerwartet klassischen Gedankenwäldern" auf Jagd ging. Oder eben bei Lenin.

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