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Das Fernsehen hat den Weltzugriff der späten Moderne bestimmt. Es hat eine globale Wahrnehmung ermöglicht, dabei neue synthetische und spezifische Zeitverhältnisse ausgebildet und Bedingungen für den Konsens festgelegt. Es hat Wahrnehmung und Kommunikation organisiert und mit ihnen und zwischen ihnen auch das Denkvermögen. Es hat das Denken unter Bedingungen gesetzt und ein eigenes Denken in Bewegung gebracht. Die Formen des Fernsehens sind zugleich Medium solcher Denkbewegungen. Sie verdichten sich zu philosophischen Figuren dort, wo sie die Reflexion des Mediums auf sei-ne eigenen…mehr

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Produktbeschreibung
Das Fernsehen hat den Weltzugriff der späten Moderne bestimmt. Es hat eine globale Wahrnehmung ermöglicht, dabei neue synthetische und spezifische Zeitverhältnisse ausgebildet und Bedingungen für den Konsens festgelegt. Es hat Wahrnehmung und Kommunikation organisiert und mit ihnen und zwischen ihnen auch das Denkvermögen. Es hat das Denken unter Bedingungen gesetzt und ein eigenes Denken in Bewegung gebracht. Die Formen des Fernsehens sind zugleich Medium solcher Denkbewegungen. Sie verdichten sich zu philosophischen Figuren dort, wo sie die Reflexion des Mediums auf sei-ne eigenen Denkmöglichkeiten und Denkbedingungen freilegen. Fernsehen arbeitet und denkt dabei in den Kategorien des Bildes, des Ereignisses und der Serie. Philosophie des Fernsehens ist der Versuch, diese dem Fernsehen eigenen Formen durch begriffliche Reflexion zu modellieren und sie im Medium der Theoriesprache zu rekonstruieren, ohne sie ihr aber zu unterwerfen oder zu subsumieren. Aus dem Inhalt: Ludwig Nagl Philosophische Perspektiven des Fernsehens Alexander Roesler Warum es keine Philosophie des Fernsehens geben kann Ralf Adelmann Das Bild des Fernsehens Claudia Blümle Blue Box Richard Dienstag Still Life and Real Time Oliver Fahle Das Bild und das Sichtbare Markus Stauff Caldwell und das Fernsehbild Mary Ann Doane Information, Crisis, Catastrophy Lorenz Engell Das Ende des Fernsehens Kay Kirchmann Das Fernsehen als konjunktivistisches Medium Matthias Thiele Der ganz normale Wahnsinn Hartmut Winkler Nicht handeln Wolfgang Beilenhoff Serien und Formen Heidemarie Schuhmacher Gefühle in Serie Vrääth Öhner Von der Gewöhnlichkeit des Unheimlichen Jürgen Trinks Phantasie - Möglichkeit - Serialität
Autorenporträt
Lorenz Engell, Film- und Fernsehwissenschaftler, ist Professor für Medien-Philosophie und Co-Direktor des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2001 hält er regelmäßig Gastvorlesungen an der Hochschule für Fernsehen und Film München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2006

Glotze denkt, keiner lenkt
Die Philosophie des Fernsehens – was ist ihr Programm?
Der Titel des Buches, „Philosophie des Fernsehens”, ist nicht neu: Ein solches hatte vor vierzig Jahren der Publizist und Dramaturg Otto Gmelin im Selbstverlag vorgelegt. Ein hegelianisch geschulter, aber „argumentativ etwas wirrer Traktat” soll die Monographie von 1967 gewesen sein, behauptet einer der Beiträger eines jetzt unter demselben Titel auftretenden Sammelbandes. Aber die damalige Gegenstandsdefinition weist bereits ins Zentrum noch der heutigen Interessen: Gmelin wollte in dem Programm des Fernsehens eine „Selbstanschauung” erkennen: Als „Theorie in die Welt tretend”, sei es „programmierte Idee”. Fernsehphilosophie im 21. Jahrhundert wäre demzufolge nicht eine der vielerorts sprießenden und um so unselbständigeren Varianten der Medienwissenschaften. Sondern ganz entschieden eine genuine Philosophie, eine Philosophie des Fernsehens eben — Letzteres, vermutlich, im genetivus subjectivus postuliert.
Das ist ein hoher Anspruch. Ihm werden die zwölf Beiträge, die Oliver Fahle und Lorenz Engell zu einem streitbaren Aufsatzband versammelt haben, in dem Maße gerecht, wie eine „Philosophie” des Fernsehens mit einer „Selbstreflexivität” des Mediums gleichzusetzen wäre. In der Tat sind die Herausgeber davon überzeugt, das Fernsehen führe „Denk-Operationen” aus, und die Aufgabe der theoretischen Wissenschaft sei es, diese begrifflich-diskursiv „nachzuvollziehen”. Eine Wortwahl, die nicht nur unglücklich, sondern fragwürdig ist. Denn ein gestandener Professor für Medienphilosophie machte sich so zum Vollzugsbeamten einer Apparatur, die als zunehmend eigenständiges, von Machern und Entscheidungsträgern losgelöstes „System” hingenommen wird: Fernsehen denkt, keiner lenkt? Diesem Ansatz ist schwerlich zu folgen, würde er doch auf eine Position der radikalen Ohnmacht der Kritik hinauslaufen. Nachdenken über das Fernsehen wäre und vermöchte nicht mehr, als dem angeblich „autopoetischen”, dem selbstschöpferischen flow des Mediums hinterherzusinnen.
Was die Lektüre des Buches dennoch anregend macht, sind die einzelnen Beiträge. Ungeachtet des waghalsigen Überbaus leisten sie Arbeit an der Basis und legen empirische Bestandteile des Fernsehens frei. „Bild”, „Ereignis” und „Serie” sind die leitenden Kategorien ihrer Analyse. Und ihr theoretisches Rüstzeug beziehen sie von denjenigen, die noch vor dem Fernsehen groß geworden waren und ihre konstruktiv kritischen Positionen an den vor-televisuellen Medien entwickelten. Da ist etwa das letzten Endes einvernehmliche Verständnis von Technik und Welt im Denken von Martin Heidegger: Wie Richard Dienst in einem hier übersetzten Kapitel seiner Studie „Still Life in Real Time” anhand von Heideggers Nachkriegsvorträgen und eines zwanzigminütigen Fernsehauftritts in einem Spätabendprogramm des Jahres 1969 nachweist, zielte Heidegger nicht darauf, dem Fernsehen das Denken des Seins zu entziehen, sondern beides miteinander zu arrangieren.
Darüberhinaus werden die einschlägigen Denkfiguren Gilles Deleuzes herangezogen: Zur Bestimmung der regelmäßigen Durchformatierung des Fernsehprogramms und der spezifischen Bildlichkeit des Monitorbildes dienen die Kategorie der Wiederholung sowie die Definition von Zeit- und Kristallbild, die Deleuze dem modernen Kino abgewonnen hat. Bezeichnenderweise bleiben aber aus seinen Schriften all jene Passagen unbeachtet, in denen er die Gleichzeitigkeit von einerseits „technisch-sozialer Perfektion” des Fernsehens und andererseits seiner „ästhetischen und noetischen Bedeutungslosigkeit” denunziert und zu einem partisanengleichen Widerstand gegen das Fernsehen aufgerufen hat, weil in diesem die „Mächte der Kontrolle” unmittelbar geworden sind.
Und es wird, immer wieder, auf die Unterscheidung zwischen viewing und monitoring, zwischen Betrachten und Überblicken zurückgegriffen, die einmal Stanley Cavell getroffen hat — weit nachdem er vor nunmehr 35 Jahren die Position des „Malers des modernen Lebens” noch im Kino verortet hatte — und die sich als desto treffender erweist, je offensichtlicher wird, dass die Darstellung der Gegenwart von den automatischen Bildern der Beobachtungskameras abhängig ist. Hier tut man wohl daran, den nachgerade klassischen und hier erstmals übersetzten Text von Mary-Ann Doane, „Information, Crisis, Catastrophy”, als von den Ereignissen des September 2001 mehr als bestätigt zu sehen: Doanes Beitrag gipfelte seinerzeit, 1990, in der Feststellung, das Fernsehen sei „eine Katastrophenmaschine, die nach der Erfahrung eines Realen strebt, das durch den Kontakt mit dem Tod garantiert wird”.
Spektakuläre Selbstgefräßigkeit
Überhaupt ist der Bezug auf die Physis, auf den Körper in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Fernsehen allzeit präsent. Sei es die Physis des Publikums: Hartmut Winkler etwa wertet die Trägheit des Fernsehzuschauers in der Weise auf, wie dieser sich dem gesellschaftlichen Imperativ des Handelns entzieht, verkennt aber, dass sein vermeintlich so subversiver Oblomow auf der Fernsehcouch dem System des Programmangebots nur um so ergebener ist. Oder sei es die Nicht-Physis des Bildes: Christa Blümle feiert am elektronischen Bildkörper den „Verzicht auf Perspektive und Projektion” (ihr Beispiel ist das Blue-Box-Verfahren, das in Derek Jarmans videographischer Blaupause „Blue” zum bildgebenden Verfahren verabsolutiert worden ist). Und Oliver Fahle erkennt im Neo-Fernsehen seit den achtziger Jahren die „Befreiung des Bildes aus den Zwängen der Repräsentation”. Da fragt sich, ob dieserart Verzicht auf den Körper nicht schon von anderen Medien geleistet ist. Gewiss — aber die Selbstgenügsamkeit, um nicht zu sagen Selbstgefräßigkeit, mit der das Fernsehprogramm die wechselseitige Kontamination von Bild und Sichtbarem dekliniert, hat schon etwas Spektakuläres. HENDRIK FEINDT
OLIVER FAHLE, LORENZ ENGELL (Hrsg.): Philosophie des Fernsehens. Wilhelm Fink Verlag, München 2006. 203 Seiten, 29,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Durchaus anregend findet Hendrik Feindt diesen Band über die "Philosophie des Fernsehens". Auch wenn er die von den Herausgebern formulierte übergeordnete Idee des Fernsehens als eines autopoietischen Systems nicht teilen mag, hält er die einzelnen Beiträge für recht instruktiv. Er unterstreicht die genuin philosophische, weniger medienwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Medium. Als die leitenden Kategorien der Analyse nennt er "Bild", "Ereignis" und "Serie". Zudem verweist er auf die einschlägigen Denkfiguren Gilles Deleuzes, die bei den Analysen herangezogen werden, sowie auf Stanley Cavells Unterscheidung zwischen "viewing" und "monitoring". Besonders interessant scheint ihm Richard Diensts Beitrag über Heidegger, der dem Fernsehen das Denken des Seins nicht entziehen, sondern beides miteinander arrangieren wollte.

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