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Als politischer Philosoph wurde Immanuel Kant lange unterschätzt. Bekannt sind hingegen seine revolutionären moralphilosophischen und ethischen Positionen. Das hat sich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert. Insbesondere die Auseinandersetzung John Rawls und Jürgen Habermas mit dem politischen Denken Kants stiessen eine intensive Beschäftigung an. Eine systematische Rekonstruktion der politischen Philosophie Kants im Zusammenhang seines Gesamtwerks liegt nun erstmalig vor. Sie beschränkt sich dabei nicht auf eine Exegese der kantschen Texte, sondern setzt Kants Positionen in…mehr

Produktbeschreibung
Als politischer Philosoph wurde Immanuel Kant lange unterschätzt. Bekannt sind hingegen seine revolutionären moralphilosophischen und ethischen Positionen. Das hat sich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert. Insbesondere die Auseinandersetzung John Rawls und Jürgen Habermas mit dem politischen Denken Kants stiessen eine intensive Beschäftigung an. Eine systematische Rekonstruktion der politischen Philosophie Kants im Zusammenhang seines Gesamtwerks liegt nun erstmalig vor. Sie beschränkt sich dabei nicht auf eine Exegese der kantschen Texte, sondern setzt Kants Positionen in Beziehung zu aktuellen philosophischen und politikwissenschaftlichen Debatten. Dank der klaren und allgemeinverständlichen Sprache bietet das Buch auch einem breiteren Publikum einen guten Zugang zum politischen Denken Kants.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2006

Neueste Nachrichten aus Kants Welt
Marc Schattenmann hat die politische Philosophie des Königsberger Weltweisen systematisiert
Im Orwell-Jahr 1984 erschien Wolfgang Kerstings grundlegende Studie „Wohlgeordnete Freiheit” über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie. Sie verdeutlichte die Aktualität dieser Philosophie, die noch immer zum Besten gehört, was das alte Europa geistig zu bieten hat. Unter dem programmatischen Titel „Wohlgeordnete Welt” hat nun Marc Schattenmann Kants gesamte politische Philosophie in ihren Grundzügen dargestellt. Auch er hat wieder deutlich machen können, dass Kants Philosophie im Lauf der Zeit nichts von ihrer intellektuellen Energie und politischen Sprengkraft verloren hat.
In Kants „Welt” geht es um die Frage: Was sollen wir tun, um auf unserem Globus in Frieden leben zu können? Vor allem in seiner politischsten Schrift „Zum ewigen Frieden” hat Kant 1795 darauf eine philosophische Antwort entworfen. Die wohlgeordnete Welt entspricht der Idee einer universalen Rechtsordnung, die generell und global gilt. Das erhoffte sich Kant vor allem von einem Völkerrecht, das auf einem Föderalismus „republikanischer” Staaten gegründet ist.
Schattenmann hat den vernünftigen Grund dieser Hoffnung systematisch nachgezeichnet, sofern dabei „kategorische Rechtsimperative” die wesentliche Rolle spielen. Mit ihnen folgt die Vernunft nämlich nicht den besonderen Anlässen und Folgen der politischen Empirie. Stattdessen erklärt sie kraft ihrer eigenen Autorität bestimmte gesetzliche Regelungen, politische Entscheidungen, staatliche und zwischenstaatliche Handlungen für notwendig und verbindlich. Sie gelten „kategorisch” aus Gründen der Vernunft.
Realpolitiker mögen diesen hoffnungsfrohen Vernunftglauben, wie Kant feststellte, „gerne für Träumerei eines überspannten Kopfs halten”. Aber es wäre, so sein Gegeneinwand, doch für einen Philosophen schädlich oder unwürdig, sich durch Erfahrungshinweise gängeln zu lassen, die uns immer nur vor Augen führen, wie schlecht und unvernünftig es in der Welt wirklich zugeht. Was wir tun sollen, können wir nicht einfach von dem ableiten, was tatsächlich getan wird.
Dieser Direktive ist Schattenmann gefolgt. Schritt für Schritt hat er Kants politische Philosophie systematisiert, von der grundlegenden Idee menschlicher Freiheit über das Prinzip des Rechts und die Begründung einer staatlichen Ordnung bis zu den notwendigen und verbindlichen Bedingungen eines ewigen Friedens auf der Welt. Dabei war es ein argumentativ starker Schachzug, Kants „wohlgeordnete” Weltrepublik nicht an den Anfang zu setzen, sondern ans Ende.
Kants Grundlegung der Politik geschieht im Geist menschlicher Willens- und Handlungsfreiheit. Deshalb hat auch Schattenmann zunächst an Kants Freiheitskonzept angesetzt. Es ist nicht unproblematisch. Der philosophische Nachweis, dass Freiheit theoretisch möglich und praktisch notwendig ist, hat es ja mit dem starken Widersacher zu tun, dass der Mensch als „empirisches Lebewesen”, das zur sinnlich erfahrbaren Welt (mundus sensibilis) gehört, nicht wirklich frei ist. Nur als „intelligibles Subjekt” in einer übersinnlichen Welt des Verstandes und der Vernunft (mundus intelligibilis) besitzt es eine besondere Form transzendentaler Freiheit.
Kant selbst hielt diese Unterscheidung für „äußerst subtil und dunkel”. Aber er war davon überzeugt, dass nur so eine politische Philosophie denkbar ist, die sich auf die Idee des Rechts konzentriert: „Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann, insofern diese nach einem allgemeinen Gesetz möglich ist.”
Laune eines Augenblicks
Mit begrifflicher Genauigkeit und argumentativer Strenge hat Schattenmann Kants Gedanken nachvollzogen. Für strittig halte ich nur, mit welcher Schärfe er Kants Dualismus zwischen empirischen Phänomenen und intelligibler Idee nachvollzogen hat. „Es ist meine Überzeugung, dass eine adäquate Interpretation der politischen Philosophie ohne Bezugnahme auf diese erkenntnistheoretische Unterscheidung nicht möglich ist.”
Als interpretatorischer Leitfaden mag das hilfreich sein. Aber es rückt Kants philosophisches Denken doch in eine Welt ohne Atmosphäre. Es suggeriert, als lebten in Kants Welt nur intelligible Subjekte mit einer reinen theoretischen Vernunft und einem reinen guten Willen. Die Begründung des Politischen erscheint eigenartig ahistorisch und apolitisch, von zeitloser Vernunft gelenkt. Freie Vernunftwesen beherrschen die intellektuelle Szene. Befreiungsbewegungen real existierender Menschen geraten angesichts des philosophisch Wesentlichen in die absolute Zweitrangigkeit.
So ist es kein Zufall, dass in dieser systematischen Rekonstruktion die Französische Revolution nur als „kontingente” Randbedingung auftaucht. Auch soll es nur die „Laune eines Augenblicks” gewesen sein, dass Kants Friedensschrift 1795 erschien, als gerade der Baseler Frieden zwischen Preußen und Frankreich geschlossen wurde. Von Kants Begeisterung über die Unabhängigkeitsbewegung der Amerikaner ist gar keine Rede.
Dabei hat der Königsberger Weltweise selbst auf die Vorbildfunktion dieses „mächtigen und aufgeklärten Volks” hingewiesen, das sich zu einer Republik freier Menschen bildet und damit einen „Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten abgibt, um sich an sie anzuschließen und so den Freiheitszustand der Staaten gemäß der Idee des Völkerrechts zu sichern und durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten.”
Das wäre nicht nur eine gute Empfehlung für die gegenwärtige amerikanische Politik. Auch eine systematische Rekonstruktion von Kants politischer Philosophie hätte an Anschaulichkeit und Überzeugungskraft nur gewinnen können, wären die zeitgeschichtlichen Erfahrungen des Menschen Kant nicht verschwiegen worden.
MANFRED GEIER
MARC SCHATTENMANN: Wohlgeordnete Welt. Immanuel Kants politische Philosophie in ihren systematischen Grundzügen. Wilhelm Fink Verlag, München 2006. 320 Seiten, 44,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Marc Schattenmanns Darstellung der politischen Philosophie Immanuel Kants verdeutlicht für Manfred Geier die "intellektuelle Energie und politische Sprengkraft" des Königsberger Philosophen. Er bescheinigt dem Autor, Kants politische Philosophie von der grundlegenden Idee menschlicher Freiheit über das Prinzip des Rechts und die Begründung einer staatlichen Ordnung bis zu den notwendigen und verbindlichen Bedingungen eines ewigen Friedens auf der Welt begrifflich und argumentativ präzis in eine systematische Ordnung zu bringen. Allerdings kommt bei dieser systematischen Rekonstruktion für seinen Geschmack die Anschaulichkeit ein wenig zu kurz, was er auch auf Schattenmanns zu starke Betonung von Kants Dualismus zwischen empirischen Phänomenen und intelligibler Idee zurückführt. Geier vermisst demgegenüber die Anbindung der Darstellung an die zeitgeschichtlichen Erfahrungen Kants, wie etwa die der Französischen Revolution. So entsteht bei ihm der Eindruck einer ahistorischen und apolitischen Begründung des Politischen.

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