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Angesichts der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts wurde in der Theologie und Philosophie mehrfach der Versuch unternommen, einen unter Gegenwartsbedingungen glaubwürdigen Gottesbegriff zu entwickeln. Dem Gedanken eines "pathetischen", leidenden Gottes fiel dabei zumeinst die klassische Vorstellung von der Allmacht und Leidensunfähigkeit Gottes zum Opfer. Inzwischen ist diese Rede vom leidenden Gott, die bis ins 19. Jahrhundert noch als häretisch galt, fast zu einer Art neuen Orthodoxie avanciert. Diese neue Rechtgläubigkeit wird im vorliegenden Band dargestellt und einer philosophischen,…mehr

Produktbeschreibung
Angesichts der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts wurde in der Theologie und Philosophie mehrfach der Versuch unternommen, einen unter Gegenwartsbedingungen glaubwürdigen Gottesbegriff zu entwickeln. Dem Gedanken eines "pathetischen", leidenden Gottes fiel dabei zumeinst die klassische Vorstellung von der Allmacht und Leidensunfähigkeit Gottes zum Opfer. Inzwischen ist diese Rede vom leidenden Gott, die bis ins 19. Jahrhundert noch als häretisch galt, fast zu einer Art neuen Orthodoxie avanciert. Diese neue Rechtgläubigkeit wird im vorliegenden Band dargestellt und einer philosophischen, theologischen und historisch-exegetischen Kritik unterzogen. Dabei zeigt sich, daß sie gegenüber der theologisch-metaphysischen Tradition keinen Fortschritt und keine ernsthafte Alternative darstellt. Denn der Gedanke, daß Gott dem Leiden und der Geschichte ohnmächtig unterworfen ist, widerspricht dem inneren Sinn des Gottesbegriffs.
Autorenporträt
Peter Koslowski ist Gründungsdirektor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover und Professor für Philosophie und Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2001

Unter der Allmacht wird das Eis brüchig
Manchmal eben keine Frage der Sympathie: Ein Sammelband sucht den leidenden Gott, läßt aber wichtige Fragen offen

Daß das Wort "sympathisch" etwas mit der Fähigkeit zu tun hat, mit anderen mitleiden zu können, wissen manche noch aus dem Schulunterricht. Und daß Theologen Gott als sympathisch darstellen möchten, dazu gibt es, das weiß heutzutage auch jeder, viele Beweggründe. Nicht nur, daß man schon lange gerne auf Aussagen über Hölle und Gericht verzichten möchte, nein, das "weiche" Gottesbild führt vielerorten dazu, vom Vater-Mutter-Gott zu sprechen, und hat auch die Theorie vom leidenden, ohnmächtigen, auf alle Macht verzichtenden Gott sehr begünstigt. Es ist in der Tat eine Art neue Rechtgläubigkeit geworden, Gott auf diese Weise im wörtlichen Sinne sympathisch zu machen.

Der Gegenpol ist immer klar gewesen: Es ist der traditionelle Glaube an den allmächtigen, unveränderlichen, leidensunfähigen Gott, mit einem Wort "Theismus" genannt. Oft gilt dieser Glaube von vornherein als unmöglich. Der Rezensent empfindet nun geradezu diebische Freude darüber, daß sich endlich eine Schar von namhaften Theologen und Philosophen gefunden hat, diese moderne Orthodoxie herzhaft zu bekämpfen. Das Resultat liegt vor in einem Band über eine gemeinsame Tagung evangelischer und katholischer Philosophen und Theologen. Dabei wird die Frage nach dem leidenden Gott eingebettet in die Theodizeefrage. Das wirkt sich aber an manchen Stellen des Bandes nicht besonders gut aus, weil die Probleme eben doch nicht deckungsgleich sind. Der Ort wäre genausogut Christologie oder Versöhnungslehre.

Doch immerhin gelingt es so Hans Waldenfels, die Brücke zur Rechtfertigungsdiskussion zu schlagen, wenn auch in dem Sinne, daß sich nicht mehr der Mensch vor Gott rechtfertigt, sondern daß Gott sich in der Theodizeefrage vor den Menschen rechtfertigen muß. Und diese Art von Rechtfertigung interessiert die Menschen viel mehr. Wenn Gott aber nun selbst ein Leidender wird - ist er damit gewissermaßen aus dem Schneider? Ist er damit dem Verdacht, Urheber aller Misere zu sein, durch eine interessante Rochade entgangen?

Das Resultat des Buches: Wie soll ein ohnmächtiger Gott je garantieren können, daß mit der Welt alles gut endet? Nach Johann Baptist Metz bedeutet die Rede vom leidenden Gott nur eine sublime Verdoppelung menschlichen Leidens und menschlicher Ohnmacht. Und wenn er denn ein liebender Gott ist, dann wäre doch die Änderung des Leidens allemal dem bloßen Mitleiden vorzuziehen. Denn das bloße Mitleiden grenzt an unterlassene Hilfeleistung, wenn Gott denn das Leiden ändern könnte. Aber eben daran werden zunehmend Zweifel laut: Kann Gott das Leiden ändern, wenn er nur will? So beschäftigen sich die Autoren immer wieder mit der Allmachtsfrage. Hat Gott etwa seine Allmacht eingeschränkt, weil er gegen den freien Willen vernunftbegabter Menschen nichts ausrichten will? Dieser freie Wille ist an sich ein Gut, so wird es hier dargestellt.

Aber wie konnte man überhaupt auf die Theorie vom ohnmächtigen Gott kommen? Eine Linie führt zur Auskunft Luthers, nur vom Kreuz her sei Gott zu verstehen: "Nur der, der Gottes sichtbares und den Menschen zugewandtes Wesen durch Leiden und Kreuz erblickt und erkennt", ist es nach Luther wert, ein Theologe zu heißen. Noch bei Jürgen Moltmann gilt in diesem Sinne von der christlichen Theologie, sie müsse "Gottes Gottheit aus dem Ereignis des Leidens und des Todes des Gottessohnes verstehen". Einen anderen Anweg in Richtung auf die moderne Theorie nimmt Hegel mit seiner Auffassung vom werdenden Gott. Die in den Vereinigten Staaten beheimatete Prozeßtheologie nimmt sein Anliegen auf. Auch die rabbinische Theorie vom Zimzum wird in diesem Buch zitiert, wonach die Welt eben nur bestehen kann, weil Gott auf einen Teil seiner Allmacht verzichtet hat. Leider bleiben die älteren rabbinischen Aussagen unberücksichtigt, obwohl sie doch in der Arbeit von Peter Kuhn ("Gottes Selbsterniedrigung in der Theologie der Rabbinen", München 1968) gut zugänglich sind.

In der Gegenwart stehen vor allem - mit unterschiedlichen Akzenten - Alfred North Whitehead, Moltmann und Eberhard Jüngel für das hier Diskutierte. Auch so unterschiedliche Geister wie Hans Jonas und Hans Urs von Balthasar bekommen ihren Platz in der Diskussion zugewiesen. Interessant ist, daß Karl Rahner einem Werden Gottes zwar zustimmt, doch einen ohnmächtig Leidenden ausschließt. Und auch - mit Metz - größere Leidenssensibilität einzuklagen bedeutet noch nicht die Theorie eines ohnmächtigen Gottes. Mit dem klassischen Theismus wurde von den Anwälten des leidenden Gottes immer traditionelle Dogmatik (auch des neueren Luthertums) angegriffen.

Doch zuwenig beachtet wurde wohl, daß es in christlicher Lehre nie um den schlechthin apathischen Gott ging. Der christliche Gott war noch nie menschenfern, sondern schon der Gott der Psalmen ist einer, der im Tiefsten erschüttert ist, wenn er sich erbarmt. Ein teilnahmsloser Gott der Philosophen war er zu keiner Zeit, am eindrücklichsten bei den frühen Zisterziensern, wenn der Gekreuzigte in seinem Leiden die Glaubenden im amplexus umschlingt. In diesem Sinne meint Peter Koslowski in seinem Beitrag, nur weil und wenn Gott freiwillig das Leiden im Mitleid auf sich nimmt, macht es Sinn, vom leidenden Gott zu sprechen. Denn als Mitleidensfähigkeit bedeutet die Leidensfähigkeit in keiner Weise auch Unvollkommenheit (Waldenfels).

So sehr das Anliegen des Buches im Ganzen zu loben ist - einige Grundfragen werden nicht gestellt. Was zum Beispiel Allmacht wirklich bedeutet und auf welche Bibelstellen man sich dafür stützt. Hier ist nämlich das Eis extrem brüchig. Oder was Leiden für das Menschenbild der Bibel wirklich bedeutet. Der Verdacht besteht, daß es dort etwas anderes ist als für uns heute, nämlich ein Merkmal des Menschen, aber etwas, das ihn erst menschlich macht - und keineswegs abwertet oder seinen Rang mindert. Es gehört einfach nicht zu Gott, und man muß es ihm auch nicht künstlich zuteilen, weil er angeblich nur so Gemeinschaft mit den Menschen haben könnte.

KLAUS BERGER

Peter Koslowski, Friedrich Hermanni (Hrsg.): "Der leidende Gott". Eine philosophische und theologische Kritik. W. Fink Verlag, München 2001. 249 S., br., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Versuch einer Synthese erkennt Klaus Berger in diesem Buch: Der eine Pol sei das Bild vom "sympathischen Gott", der menschlich-hilflos und dadurch dem Menschen nahe ist. Den anderen Pol bildet der "unveränderliche und allmächtige Gott", wie es die Vorstellung im traditionellen Glauben ist. Das Misslingen dieses Syntheseversuchs geschieht zur Freude des Rezensenten, wie er selbst zugibt. Zwar gelinge es dem Band, die verschiedenen Zugänge zur Frage nach dem `leidenden Gott` von Luther über Hegel und Moltmann bis zum rabbinischen Ansatz darzustellen, und auch "unterschiedliche Geister" fänden ihren Platz in der Diskussion (z.B. Hans Jonas und Hans Urs von Balthasar). Als hauptsächliche Verfehlung erachtet Berger aber, dass es "in christlicher Lehre noch nie um den schlechthin apathischen Gott" gegangen sei. In anderen Worten, ist es also schon die diskursive Grundlage, die der Rezensent nicht als tatsächlich gegeben erachtet.

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